Aylin Bicakci, Isabelle Süßmann, Brigitte Wotha© K. Groth

Frauen in den Angewandten Wissenschaften

von Isabelle Süßmann

Für die erste Veranstaltung der Reihe „Frauen in den Angewandten Wissenschaften – Promotion als Option und Wege zur Fachhochschulprofessorin“, die im Rahmen der Gender- und Diversity-Woche der diesjährigen Herbst-IDW stattfand, hatten sich knapp 90 Interessierte aus allen Fachbereichen zusammengefunden. Live zugeschaltet aus der FH Kiel waren Prof.in Dr.in Brigitte Wotha, Institut für Bauwesen am Fachbereich Medien, Dr.in Aylin Bicakci, Alumna des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik und Senior Process Development Engineer bei Danfoss Silicon Power GmbH sowie Isabelle Süßmann, Koordinatorin des Professorinnenprogramms in der Gleichstellungsstelle.

Frauen auf professoraler Ebene stark unterrepräsentiert

Unter der Überschrift „Warum wir heute hier sind“ begann das Online-Meeting mit einem kurzen Überblick zu Zahlen, Daten, Fakten. Im Jahr 2018 waren bundesweit laut Statistischem Bundesamt nur 23,5 Prozent der FH-Professuren mit Frauen besetzt. Diese starke Unterrepräsentanz in leitenden Positionen in der Wissenschaft findet sich auch an der FH Kiel wieder. In den vergangenen zehn Jahren schwankte der Anteil an Professorinnen zwischen 18 und 21 Prozent und blieb somit trotz leichter Steigerung gering.

Ein wesentliches Problem stellt bereits die geringe Zahl der Frauen dar, die sich auf vakante Professuren bewerben. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass der Karriereweg FH-Professorin vielfach nicht bekannt ist. So gaben beispielsweise im Rahmen der Veranstaltungsevaluation fast 70 Prozent der Teilnehmenden an, bis dahin weder über Kenntnisse zur Berufswahl FH-Professur noch zur Promotion mit FH-Abschluss verfügt zu haben.

Hinzu kommt, dass der Weg zur Fachhochschulprofessur eine doppelte Qualifizierung erfordert:  Zum einen geht es um eine wissenschaftliche Qualifizierung durch eine Promotion, wobei Fachhochschulen in der Regel weder über ein eigenes Promotionsrecht noch über ausgewiesene Qualifizierungsstellen im Sinne eines akademischen Mittelbaus verfügen.  Zum anderen wird eine fünfjährige Berufserfahrung gefordert, von der mindestens drei Jahre außerhalb der Hochschule erbracht werden müssen.

Promotion als persönliche Weiterentwicklung auf dem Weg zum „besten Beruf der Welt“

Aylin Bicakci promovierte nach ihrem Studium an der FH Kiel am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik im Rahmen einer Kooperation mit der Technischen Universität Berlin. Sie berichtete, dass die wissenschaftliche Vernetzung ihrer betreuenden Professoren an der FH Kiel, Prof. Dr. Ronald Eisele und Prof. Dr. Frank Osterwald, entscheidend dazu beigetragen hatte, die Zulassung als Promovendin an einer Universität zu erhalten, und so ihr Promotionsvorhaben umsetzen zu können.

„Als ich während des Masters erfuhr, dass eine Promotion möglich sei, war für mich klar, dass ich noch weiter in mein Thema eintauchen wollte“, so Aylin Bicakci. Es sei das ständige Hinterfragen der eigenen Ergebnisse, das ihr während der Promotionszeit auch persönlich eine Stärkung des Selbstbewusstseins und eine gewisse Gelassenheit vermittelt habe, führt sie weiter aus. Die Dissertation sei schon noch einmal etwas anderes als die Masterarbeit gewesen. Insbesondere über die vertiefte Teilhabe an einem Fachdiskurs und vermehrte Konferenzbesuche blicke man über den bisherigen Tellerrand und lerne auch eine gewisse Demut. Dieser fachliche Austausch, von dem die Wissenschaft lebt, und die Freude an immer neuen Erkenntnissen seien eine ständige Inspiration, betont auch Professorin Wotha.

Einig sind sich beide Wissenschaftlerinnen insbesondere auch hinsichtlich ihrer Präferenz für die angewandte Forschung, was wiederum einen Austausch mit der Praxis erfordere. Durch die Theorielastigkeit der Universität abgeschreckt, war Aylin Bicakci an die FH Kiel gewechselt und ist nach Abschluss ihrer Promotion weiter im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Auch Professorin Wotha wechselte nach einiger Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in die Berufspraxis, während der sie auch schon früh selbstständig ein Büro für Stadt- und Regionalentwicklung leitete. Dennoch stand für sie fest, dass sie die Verbindung zur Wissenschaft nicht abreißen lassen wollte. „Mit Ende der Promotion war mir klar, dass ich als Fachhochschulprofessorin optimal praxisorientierte Forschung und Lehre verbinden können würde.“

Um auch während der Berufspraxis außerhalb der Hochschule im wissenschaftlichen Kontext verankert zu bleiben, rät sie, sich frühzeitig in einschlägigen Fachverbänden zu organisieren und Lehraufträge an Hochschulen zu übernehmen. Nach dem Angekommensein im Berufsleben den Hut in den Ring des Berufungsverfahrens zu werfen, bedeute noch einmal, die Komfortzone zu verlassen und sich einer kritischen Prüfungssituation zu stellen. Aber der „beste Beruf der Welt“ mit Freiheiten, Verantwortung und Sicherheit sei es allemal wert. Als Professorin für Raumplanung mit dem Schwerpunkt Städtebau und Regionalplanung an der FH Kiel lehrt und forscht sie zu Themen, für die sie brennt. Der Schwerpunkt der Fachhochschulen auf Lehre bedeute zwar ein hohes Lehrdeputat, ermögliche es aber auch in praxisorientierten Projektarbeiten Studierende mit genau diesen angewandten Inhalten zu erreichen.

Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen an der FH

Die authentischen Berichte aus der Praxis „auf Augenhöhe“ und die Veranstaltung im Talk-Show-Setting als solches wurden in der anschließenden Evaluation von mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden als hilfreich für die eigene Karriereplanung bewertet. Seitens der Gleichstellungsstelle ist daher geplant, dass Format nun regelmäßig stattfinden zu lassen. Als dauerhafte Anlaufstelle steht der Karriereservice im Rahmen des Professorinnenprogramms Studentinnen, Absolventinnen und Promovendinnen für individuelle Beratungsgespräche zur wissenschaftlichen Karriereplanung offen.

Mit ihrem Gleichstellungszukunftskonzept hatte sich die FH Kiel erfolgreich um Gelder aus dem von Bund und Ländern geförderten Programm beworben, das langfristig zum Ziel hat, den Anteil an Frauen in der Professor*innenschaft zu erhöhen. Aus den darüber freiwerdenden Mitteln für gleichstellungsfördernde Maßnahmen entstehen fachübergreifende Qualifizierungsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftlerinnen. Zudem ermöglicht es der FH Kiel, Promotionsstipendien an herausragende Absolventinnen zu vergeben. Nach einer ersten im November erfolgten Ausschreibung ist für Beginn des neuen Jahres eine erneute Ausschreibung geplant.

Fragen zu Professorinnenprogramm und Karriereservice nimmt Isabelle Süßmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gleichstellungsstelle, jederzeit gern entgegen (isabelle.suessmann(at)fh-kiel.de).

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