Eine Frau© Pilch

Heute in der Reihe „Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in?“: Anja Wie­busch

von viel.-Re­dak­ti­on

Pro­fes­so­rin Anja Wie­busch ist ge­lern­te Bank­kauf­frau und Di­plom-Agrar­in­ge­nieu­rin. Seit circa zehn Jah­ren lehrt sie an der FH Kiel Fi­nan­zie­rungs­leh­re. Mit der viel.-Re­dak­ti­on sprach sie dar­über, wie sie es schaff­te, mit nur 33 Jah­ren Pro­fes­so­rin zu wer­den und gleich­zei­tig Fa­mi­lie und Kar­rie­re unter einen Hut zu brin­gen.

Frau Wie­busch, Sie haben nach dem Ab­itur eine Aus­bil­dung zur Bank­kauf­frau ge­macht. Wie kam es dazu?

Mich haben vor allem Wirt­schaft, Tech­nik und Na­tur­wis­sen­schaf­ten in­ter­es­siert. In der Schul­zeit spiel­te ich ein biss­chen mit dem Ge­dan­ken, Leh­re­rin zu wer­den. Nach dem Ab­itur woll­te ich nicht gleich an die Uni­ver­si­tät, son­dern zu­erst prak­ti­sche Er­fah­run­gen sam­meln und ei­ge­nes Geld ver­die­nen. Eine Aus­bil­dung zur Bank­kauf­frau war zu der Zeit genau das Rich­ti­ge für mich.

Wenn Ihnen Ihre Ar­beit als Bank­kauf­frau ge­fiel, wieso haben Sie da­nach Agrar­wis­sen­schaf­ten stu­diert?

Da­mals habe ich re­la­tiv schnell fest­ge­stellt, dass es mit einem Stu­di­um we­sent­lich ein­fa­cher ist, Kar­rie­re zu ma­chen.  Ich ent­schied mich für das Stu­di­um der Agrar­wis­sen­schaf­ten mit der Fach­rich­tung Wirt­schaft an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät, da das Cur­ri­cu­lum meine In­ter­es­sen im Be­reich Wirt­schaft, Tech­nik und Na­tur­wis­sen­schaf­ten ideal ab­deck­te und eine Wirt­schaftspe­zia­li­sie­rung im zwei­ten Stu­di­en­ab­schnitt er­mög­lich­te. Das Stu­di­um war per­fekt für mich, weil ich mich breit auf­stel­len konn­te. Das war genau das, was ich woll­te.

In Ihrer Pro­mo­ti­on, die di­rekt nach dem Stu­di­um am In­sti­tut für Agrar­öko­no­mie an der CAU folg­te, haben Sie beide Aus­bil­dun­gen ver­knüpft. Kön­nen Sie er­klä­ren, woran Sie genau ge­forscht haben?

Ich habe die Ent­wick­lung der for­ma­len und in­for­mel­len In­sti­tu­tio­nen auf länd­li­chen Kre­dit­märk­ten in ost­eu­ro­päi­schen Trans­for­ma­ti­ons­län­dern un­ter­sucht. Die Län­der waren zu mei­ner Pro­mo­ti­ons­zeit noch mit­ten im Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess von der Plan- zur Markt­wirt­schaft. Es waren noch we­ni­ge for­ma­le In­sti­tu­tio­nen im­ple­men­tiert, um si­cher Kre­di­te ver­ge­ben zu kön­nen. Ich habe un­ter­sucht, wel­che for­ma­len In­sti­tu­tio­nen es in den Län­dern über­haupt schon gab und wel­che Rolle in­for­mel­le In­sti­tu­tio­nen wie so­zia­le Netze bei der Kre­dit­ver­ga­be ge­spielt haben, wenn for­ma­le In­sti­tu­tio­nen feh­len. Dafür war ich viel in Ost­eu­ro­pa un­ter­wegs und habe eng mit For­schungs­in­sti­tu­tio­nen in Polen und der Slo­wa­kei zu­sam­men­ge­ar­bei­tet, um Be­fra­gun­gen vor Ort zu or­ga­ni­sie­ren und diese sta­tis­tisch aus­zu­wer­ten.

Wäh­rend der Pro­mo­ti­on sind Sie Mut­ter ge­wor­den. Wie haben Sie das gleich­zei­tig ge­meis­tert?

Ich komme ur­sprüng­lich aus Kiel, des­halb habe ich ein star­kes fa­mi­liä­res Um­feld, das mich zu der Zeit sehr un­ter­stützt hat. Er­schwe­rend kam al­ler­dings hinzu, dass es kaum Ta­ges­müt­ter in Kiel gab, die Voll­zeit Kin­der be­treut haben. Glück­li­cher­wei­se wohn­te genau eine Ta­ges­mut­ter bei mir drei Stra­ßen wei­ter. Das war da­mals wie ein Sech­ser im Lotto. Ich habe nur die acht Wo­chen Mut­ter­schutz­zeit ge­nom­men. Na­tür­lich habe ich meine Kin­der schwe­ren Her­zens be­treu­en las­sen. Als Mut­ter muss­te ich mir je­doch di­rekt nach der Pro­mo­ti­on über­le­gen, ob ich mei­nen Start in der frei­en Wirt­schaft mache und Voll­zeit ar­bei­te oder be­ruf­lich raus bin. Wenn ich mit mei­nen zwei Söh­nen heute über die Zeit spre­che, fin­den die das völ­lig in Ord­nung.

Nach der Pro­mo­ti­on haben Sie im Fi­nanz­be­reich bei zwei Agrar­han­dels­un­ter­neh­men ge­ar­bei­tet. Wie sind Sie dann zur Pro­fes­sur ge­kom­men?

Wäh­rend mei­ner Pro­mo­ti­on hatte ich be­reits einen Lehr­auf­trag für Fi­nan­zie­rungs­leh­re an der FH Kiel. Den muss­te ich al­ler­dings nach der Ge­burt mei­nes Soh­nes aus Zeit­grün­den ab­ge­ben. Da­mals hatte ich noch nicht die In­ten­ti­on, Pro­fes­so­rin zu wer­den. Ich moch­te es, mit den Stu­die­ren­den zu­sam­men­zu­ar­bei­ten, woll­te aber gerne Kar­rie­re im Un­ter­neh­men ma­chen. Aus Zu­fall habe ich die Stel­len­aus­schrei­bung ge­se­hen. Ich be­warb mich und habe mich in­ten­siv auf mei­nen Be­ru­fungs­vor­trag und die Vor­stel­lung mei­nes Lehr­kon­zep­tes vor­be­rei­tet. Am Ende hatte ich den Ruf. Im Nach­hin­ein denke ich, dass alles so glatt lief, weil ich so un­be­schwert an die Sache her­an­ge­gan­gen bin. Die An­fangs­zeit war sehr stres­sig, da ich di­rekt aus mei­nem Un­ter­neh­men an die Hoch­schu­le ge­wech­selt bin und so­fort die ge­sam­te Lehre kon­zi­pie­ren muss­te. Gleich­zei­tig schrieb ich auch noch ein On­line-Modul für mein Fach­ge­biet, da unser Fach­be­reich zu der Zeit die On­line­leh­re im­ple­men­tiert hat. Das war ein ab­so­lu­ter Kalt­start. Meine Kin­der waren drei und ein Jahr alt, mein Mann hat Voll­zeit ge­ar­bei­tet. Ich muss sagen, dass es gut ist, dass diese Zei­ten vor­bei sind. (lacht) Ich habe viel mei­nem Mann zu ver­dan­ken, weil er im ers­ten Jahr mei­ner Zeit an der FH dann kür­zer­ge­tre­ten ist. Er hat für ein Jahr El­tern­zeit ge­nom­men und hat in die­ser Zeit nur vier Tage in der Woche ge­ar­bei­tet. Zwei Vä­ter­mo­na­te am Stück zu neh­men, wie es heute gän­gig ist, war zu die­ser Zeit un­üb­lich. Die Pro­fes­sur war ein Glücks­griff. Mein Job in der Wirt­schaft hat mir zwar sehr viel Freu­de be­rei­tet, al­ler­dings wäre ich in die­sem Beruf nie so glück­lich ge­wor­den, wie an der Fach­hoch­schu­le. Mit der Pro­fes­sur habe ich mei­nen Traum­be­ruf ge­fun­den.

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