Eine Frau© A. Boye

Heute in der Reihe „Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in?“: Ka­tha­ri­na Scheel

von Aenne Boye

Pro­fes­so­rin Ka­tha­ri­na Scheel sagt von sich selbst, dass sie ein ziel- und er­geb­nis­ori­en­tier­ter Mensch ist. Kein Wun­der, dass sie mit 30 Jah­ren die jüngs­te Pro­fes­so­rin war, die in Kiel je be­ru­fen wurde. Scheels Schwer­punk­te lie­gen unter an­de­rem in der Ethik und An­thro­po­lo­gie sowie der Ge­schich­te und Theo­rie­bil­dung der Phy­sio­the­ra­pie. Mit Aenne Boye sprach sie über ihre be­ruf­li­chen Sta­tio­nen und ihre Be­weg­grün­de für eine wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re.

Frau Scheel, wie sind Sie die jüngs­te Pro­fes­so­rin der Phy­sio­the­ra­pie in Deutsch­land ge­wor­den?

Ich gebe mich sel­ten mit dem Ist-Zu­stand zu­frie­den und suche mir immer neue Ziele und Her­aus­for­de­run­gen. Des­halb habe ich nach mei­ner Aus­bil­dung zur Phy­sio­the­ra­peu­tin be­rufs­be­glei­tend stu­diert. Pro­mo­viert habe ich, wäh­rend ich Voll­zeit ar­bei­te­te. Das war zwar an­stren­gend, aber führ­te dazu, dass ich meine fünf Jahre Be­rufs­er­fah­rung, die ich als FH-Pro­fes­so­rin vor­wei­sen muss­te, auf den Tag genau er­füllt habe.

Für Ihre Kar­rie­re muss­ten Sie oft den Wohn­ort wech­seln. Sie kom­men aus Leip­zig, haben erst in Wien und Bo­chum ge­ar­bei­tet, wäh­rend­des­sen in Hil­des­heim stu­diert und sind seit 2012 in Kiel. Wie war es für Sie, sich immer wie­der neu ein­zu­le­ben?

In Kiel war es nicht so schwie­rig. Nach nur drei Tagen habe ich mich hier schon zu Hause ge­fühlt. Ich denke, das liegt am Meer und daran, dass – wie ich finde – Kiel eine gute Größe hat. Ich mag keine gro­ßen Städ­te. Ob­wohl ich schon lange nicht mehr in Leip­zig wohne, bin ich ein sehr hei­mat­ver­bun­de­ner Mensch. Des­halb war auch meine ur­sprüng­li­che Idee hin­ter dem Ba­che­lor­stu­di­um, Be­rufs­fach­schul­leh­re­rin zu wer­den an mei­ner alten Aus­bil­dungs­schu­le, der me­di­zi­ni­schen Be­rufs­fach­schu­le am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Leip­zig. Dazu ist es aber nie ge­kom­men.

Und was waren Ihre Be­weg­grün­de nach dem Ab­itur eine Aus­bil­dung zur Phy­sio­the­ra­peu­tin zu ma­chen?

Ich komme aus einer sehr sport­li­chen und päd­ago­gisch ori­en­tier­ten Fa­mi­lie. Meine Mut­ter war bei­spiels­wei­se Lei­te­rin des Zen­trums für Hoch­schul­sport an der Uni­ver­si­tät Leip­zig. Au­ßer­dem habe ich Leis­tungs­sport als Leicht­ath­le­tin be­trie­ben. Da gab es nur die bei­den Op­tio­nen: Phy­sio­the­ra­pie oder Sport­stu­di­um. Meine El­tern waren für eine hand­fes­te Aus­bil­dung und so habe ich das ge­macht. Dazu kam, dass die Be­rufs­fach­schu­le in Leip­zig da­mals eine der we­ni­gen schuld­geld­frei­en Schu­len war. Das er­leich­ter­te die Ent­schei­dung.

Nach Aus­bil­dung und Stu­di­um folg­te dann die Pro­mo­ti­on an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln. Wie war es für Sie, als Fach­hoch­schul­ab­sol­ven­tin an eine Pro­mo­ti­on zu kom­men?

Nach mei­nem Mas­ter­ab­schluss er­zähl­te ich einem Freund, dass ich pro­mo­vie­ren woll­te. Die­ser riet mir, mich recht­zei­tig nach einem Dok­tor­va­ter/einer Dok­tor­mut­ter um­zu­se­hen. Mit einem Phy­sio­the­ra­pie­stu­di­um ist es nicht leicht, einen Pro­mo­ti­ons­platz zu fin­den. Ich hatte über­legt, was mich an der Phy­sio­the­ra­pie in­ter­es­siert. Das war und ist der geis­tes- und so­zi­al­wis­sen­schaft­li­che Be­reich. Dar­auf­hin habe ich eine E-Mail an Herrn Pro­fes­sor Eck­hard Mein­berg von der Sport­hoch­schu­le Köln ge­schrie­ben, je­doch nicht mit einer schnel­len Ant­wort ge­rech­net. Die kam aber prompt. Er fand mein Thema ‚Mo­del­le und Pra­xis­kon­zep­te der Phy­sio­the­ra­pie - eine Ver­or­tung in­ner­halb von An­thro­po­lo­gie und Ethik’ span­nend. Wir un­ter­hiel­ten uns eine Stun­de lang. Ich sam­mel­te si­cher­lich auch Sym­pa­thie­punk­te bei ihm, weil ich ehe­ma­li­ge Leis­tungs­sport­le­rin war. Er fand das Feld in­ter­es­sant, und ich bekam einen Pro­mo­ti­ons­platz. Dazu kam, dass ich Glück hatte, weil kurz vor mei­ner Be­wer­bung die Sport­hoch­schu­le Köln be­son­de­re An­for­de­run­gen an FH-Stu­die­ren­den raus­ge­nom­men hatte. Es wur­den acht Se­mes­ter Stu­di­en­zeit für ein Pro­mo­ti­ons­stu­di­um ge­for­dert. Die er­füll­te ich genau.

Kön­nen Sie in ein­fa­chen Wor­ten ihr Dis­ser­ta­ti­ons­the­ma ‚Mo­del­le und Pra­xis­kon­zep­te der Phy­sio­the­ra­pie - eine Ver­or­tung in­ner­halb von An­thro­po­lo­gie und Ethik’ er­klä­ren?

Ich habe theo­re­ti­sche Ge­dan­ken­mo­del­le sowie prak­ti­sche Kon­zep­te der Phy­sio­the­ra­pie un­ter­sucht und ge­schaut, in­wie­weit sie an­thro­po­lo­gi­sche be­zie­hungs­wei­se mo­ra­li­sche An­sät­ze ent­hal­ten. Die deut­sche Phy­sio­the­ra­pie be­schäf­tigt sich lei­der wenig mit Ethik und hat kei­nen Be­rufs­ko­dex. Es gibt we­ni­ge Per­so­nen in­ner­halb der Dis­zi­plin, die sich mit sol­chen grund­sätz­li­chen Fra­gen aus­ein­an­der­set­zen.

Sie sind die erste Pro­fes­so­rin für Phy­sio­the­ra­pie, die Phy­sio­the­ra­pie stu­diert hat. Wie kam es zu der Pro­fes­sur an der FH Kiel?

Kurz vor Ende mei­ner Pro­mo­ti­on woll­te ich mei­nen „Markt­wert“ tes­ten. Ich war aus mei­ner Tä­tig­keit als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin beim Bun­des­ver­band selbst­stän­di­ger Phy­sio­the­ra­peu­ten (IFK) in Bo­chum her­aus­ge­wach­sen. Be­wor­ben habe ich mich auf zwei Pro­fes­sor*in­nen­stel­len, bei denen ich bei bei­den zum Ge­spräch ein­ge­la­den wurde. Aus Kiel kam die schnel­le­re Zu­sa­ge.

Ar­bei­ten Sie neben Ihrer Pro­fes­sur noch als Phy­sio­the­ra­peu­tin?

Nein, schon län­ger nicht mehr. Meine The­men­fel­der sind eher geis­tes- und so­zi­al­wis­sen­schaft­li­cher Natur. Mein Schwer­punkt liegt auf der For­schung. Wir haben bei­spiels­wei­se eine Ko­ope­ra­ti­on mit dem Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Schles­wig-Hol­stein (UKSH) für klei­ne­re Pro­jek­te im Be­reich Neu­ro­lo­gie. Die führe ich zwar selbst nicht prak­tisch durch, kon­zi­pie­re und be­glei­te sie aber auf Hoch­schul­ebe­ne. Das ist ein grund­le­gen­des Pro­blem. Oft den­ken Phy­sio­the­ra­peut*innen, dass sie alles kön­nen müss­ten. Dies ist na­tür­lich nicht so. Daher ist es wich­tig, ei­ge­ne Schwer­punk­te zu set­zen.

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