Frau im Kuhstall© K. Mahl­kow-Nerge

Heute in der Reihe „Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in?“: Kat­rin Mahl­kow-Nerge

von Julia Kö­nigs

Sie ist Ex­per­tin für die Hal­tung und Er­näh­rung von Rin­dern, Schwei­nen und Pfer­den, kennt sich aus mit der Stoff­wech­sel­ge­sund­heit der Nutz­tie­re und ist auch im Füt­te­rungs­ma­nage­ment be­wan­dert: Prof. Dr. Kat­rin Mahl­kow-Nerge ist seit 2015 be­ru­fe­ne Pro­fes­so­rin an der FH Kiel am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft und be­rei­chert die Hoch­schu­le mit Ihrer Lehre. Im In­ter­view mit Julia Kö­nigs aus der viel.-Re­dak­ti­on sprach die FH-Pro­fes­so­rin aus Ros­tock dar­über, wie sie ihre Liebe zu Tie­ren zu ihrem Traum­job mach­te und warum sie sich als Lern­part­ne­rin der Stu­die­ren­den ver­steht.

Frau Mahl­kow-Nerge, was zeich­net Ihre Ar­beit als Pro­fes­so­rin am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft aus? 

Das, was ich lehre, habe ich er­lebt und er­le­be es immer noch, in Gum­mi­stie­feln zwi­schen Kühen und Käl­bern. Ich bin dabei ab­so­lut pra­xis- und er­geb­nis­ori­en­tiert, und, wie ich meine, stets au­then­tisch. 

Ich möch­te un­se­ren Stu­die­ren­den das nö­ti­ge Rüst­zeug für ihr Be­rufs­le­ben mit­ge­ben und ihnen zei­gen, wie sie land­wirt­schaft­li­che Nutz­tie­re hal­ten, füt­tern und pfle­gen sol­len. Sie sol­len ler­nen, ein Ge­spür dafür ent­wi­ckeln, ob es den Tie­ren gut geht oder nicht. Schlie­ß­lich sind sie spä­ter das Sprach­rohr der Tiere. Mir liegt viel daran, den künf­ti­gen Land­wirt*innen Herz­blut und Wert­schät­zung für die Tiere zu ver­mit­teln, schlie­ß­lich sind es Le­be­we­sen. Ich möch­te das nicht ver­mensch­li­chen, aber die Stu­die­ren­den müs­sen sich dar­über im Kla­ren sein, dass die Tiere nicht frei­wil­lig bei uns sind, son­dern dass wir diese Art Leben für sie ent­schie­den haben. Somit tra­gen wir eine Ver­ant­wor­tung für sie. Die­ser Ver­ant­wor­tung müs­sen wir ge­recht wer­den. Mein Wunsch und mein Ziel ist es, den jun­gen Men­schen dabei stets eine in­ter­es­san­te Do­zen­tin, aber vor allem eine ko­ope­ra­ti­ve und ver­läss­li­che Lern­part­ne­rin zu sein. 

Was ge­fällt Ihnen am meis­ten an Ihrem Beruf als Pro­fes­so­rin?

Tier­lie­be be­stimmt mein Leben, seit ich den­ken und mich be­wusst er­in­nern kann: Ihr Wohl­be­fin­den liegt mir sehr am Her­zen, und da mache ich kei­nen Un­ter­schied, ob es Nutz­tie­re oder an­de­re Tiere sind, die in un­se­rer Obhut leben. 

Gleich­zei­tig mag ich auch die Men­schen sehr: Am Ar­bei­ten mit jun­gen Men­schen liebe und schät­ze ich, dass ich hier nicht nur Wis­sen über Tiere ver­mit­teln kann, son­dern uns Men­schen für das Wohl der Tiere sen­si­bi­li­sie­ren möch­te – und dies nicht nur im Hör­saal, son­dern eben auch in den Be­trie­ben - mit den Stu­die­ren­den zwi­schen den Kühen. So ver­su­che ich, den Blick für die Tiere zu schär­fen. 

Dabei weiß ich, wie wich­tig Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kom­pe­tenz ist, denn zu­neh­mend zeigt sich, dass es neben so­li­der Fach­kom­pe­tenz vor allem auch dar­auf an­kommt, dass das Wis­sen beim Ge­gen­über an­kommt. Ich bin davon über­zeugt, dass junge Men­schen zwi­schen 20 und 30 Jah­ren, also genau in der Al­ters­span­ne, in der die Stu­die­ren­den bei uns sind, eine sehr in­ten­si­ve Zeit er­le­ben, so­wohl was ihre be­ruf­li­che Aus­rich­tung, als auch die mensch­li­che Reife be­trifft. An der FH habe ich das große Glück, dass ich die Stu­die­ren­den dabei ein Stück be­glei­ten, er­mu­ti­gen und viel­leicht auch vor einem even­tu­ell fal­schen Weg be­wah­ren kann. 

Sie haben zu Be­ginn Ihrer Kar­rie­re eine Lehre zur Zoo­tech­ni­ke­rin ab­sol­viert. Was kann man sich unter die­sem Beruf vor­stel­len?

Nach­dem ich die zehn­te Klas­se ab­ge­schlos­sen habe, habe ich eine drei­jäh­ri­ge Be­rufs­aus­bil­dung mit Ab­itur zur Zoo­tech­ni­ke­rin/Me­cha­ni­sa­to­rin ab­sol­viert – ein Bil­dungs­weg in der DDR, der die Er­lan­gung der Hoch­schul­rei­fe und des Fach­ar­bei­ter­briefs gleich­zei­tig er­mög­lich­te. Be­stand­teil die­ser Aus­bil­dung, die, ob­wohl es der Name er­war­ten las­sen würde, rein gar nichts mit Zoo­tie­ren zu tun hatte, waren das Hal­ten, Pfle­gen und Füt­tern von land­wirt­schaft­li­chen Gro­ß­tie­ren wie Rin­dern und Schwei­nen. Auch den Um­gang mit ent­spre­chen­den Ma­schi­nen habe ich er­lernt. Wäh­rend die­ser Zeit, die zu der schöns­ten mei­ner Ju­gend ge­hört, habe ich ein­mal mehr ge­merkt, dass ich die stän­di­ge Kom­bi­na­ti­on aus Pra­xis und Theo­rie in mei­nem Leben brau­che. Das eine geht nicht ohne das an­de­re. 

Daher wech­sel­ten Sie in die Lehre und die For­schung? Sie haben im Be­reich Tier­pro­duk­ti­on stu­diert, als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin ge­ar­bei­tet und schlie­ß­lich an der Uni­ver­si­tät Ros­tock pro­mo­viert. 

Mein Be­rufs­bild, als ich 1985 das Stu­di­um be­gann, was ziem­lich klar: Ich woll­te Lei­te­rin einer gro­ßen An­la­ge mit 2000 Kühen und da­mals 70 Mit­ar­bei­tern wer­den. 1990, als ich das Stu­di­um be­en­de­te, kam die Wende in Deutsch­land. Die land­wirt­schaft­li­chen Be­trie­be waren, wie viele an­de­re „volks­ei­ge­nen“ Be­trie­be auch, im Um­bruch. Es war nichts mehr wie zuvor, alles wurde um­struk­tu­riert und neu ge­ord­net. Die bis­he­ri­gen Un­ter­neh­men such­ten in der Um­bruchs­zeit nicht un­be­dingt nach einer jun­gen Ab­sol­ven­tin. Also über­leg­te ich mir einen Plan B, der auch zu mei­nen Nei­gun­gen pass­te: Ich woll­te ge­nau­er hin­ter die Ku­lis­sen schau­en und fra­gen, warum etwas wie funk­tio­niert. So wurde aus dem Wunsch, in der Wis­sen­schaft zu ar­bei­ten, Wirk­lich­keit. 

Ihr Weg führ­te Sie schlie­ß­lich als Re­fe­ren­tin für Rin­der­füt­te­rung an die Land­wirt­schafts­kam­mer Schles­wig-Hol­stein. Wel­che Auf­ga­ben haben Sie dort über­nom­men? 

Ich hatte das große Glück, viele Jahre die Ge­schi­cke des Ver­suchs­we­sens im Rin­der­be­reich zu len­ken und zu lei­ten, aber eben auch selbst die Dinge dort in die Hand zu neh­men. So konn­te ich Füt­te­rungs­ver­su­che mit Milch­kü­hen durch­füh­ren und die ge­won­nen Er­geb­nis­se nut­zen, um Be­triebs­be­ra­ter*innen zu be­ra­ten und fort­zu­bil­den. Dabei war es mir immer wich­tig, den engen Kon­takt vor Ort zu su­chen, nicht von mei­nem Schreib­tisch aus. Zum Bei­spiel habe ich mich per­sön­lich in den Be­trie­ben vom Zu­stand der Rin­der über­zeugt und Po­si­ti­ves, aber auch Kri­tik und Lö­sungs­vor­schlä­ge di­rekt an­ge­spro­chen. 

Sol­che Si­tua­tio­nen waren si­cher nicht immer ein­fach?

Nie­mand ge­steht gerne Feh­ler ein und schluckt sei­nen Stolz her­un­ter. Durch diese Er­fah­rung wurde mir be­wusst, dass die Art und Weise, wie wir Wis­sen ver­mit­teln, letzt­lich dar­über ent­schei­det, ob die­ses Wis­sen tat­säch­lich bei un­se­rem Ge­gen­über an­kommt. Nur wenn dies ge­ge­ben ist, haben Tiere die Chan­ce auf ein bes­se­res Leben. Eine Mi­schung aus mensch­li­cher Nähe, Ver­ständ­nis und Wis­sen haben mir dabei ge­hol­fen, so man­che harte Scha­le zu durch­drin­gen. 

Die beste Vor­aus­set­zung für eine Pro­fes­so­rin – seit 2015 sind Sie am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft an der FH. Wie kam es dazu? 

Die Land­wirt­schafts­kam­mer SH ko­ope­riert schon lange mit der Fach­hoch­schu­le Kiel. Im Laufe der Jahre habe ich immer wie­der Stu­die­ren­de bei ihren Ab­schluss­ar­bei­ten be­treut oder sie durch Prak­ti­kums­pha­sen be­glei­tet. Die­ser Teil mei­ner Ar­beit hat mir viel Freu­de be­rei­tet, weil ich ge­spürt habe, mit wie viel Herz­blut und En­ga­ge­ment die Stu­die­ren­den bei der Sache waren und wie wiss­be­gie­rig sie mir ge­gen­über­ge­tre­ten sind. Das liegt wohl auch daran, dass ich ein aus­ge­präg­tes „Mich-Küm­mern-Gen“ habe. Ich emp­fin­de es als be­rei­chernd, meine Er­fah­run­gen wei­ter­zu­ge­ben und junge Frau­en und Män­ner in­ten­siv auf ihren spä­te­ren Be­rufs­weg vor­be­rei­ten zu kön­nen. 

Ihr Ge­biet ist, wie Sie er­läu­tert haben, ge­ra­de heute ein wich­ti­ges Feld. Wie neh­men Sie die ak­tu­el­le Dis­kus­si­ons­la­ge wahr?

Die Nutz­tier­hal­tung ist in den letz­ten Jah­ren stär­ker in den Me­di­en prä­sent. Das kann man­cher Land­wirt be­kla­gen, si­cher be­deu­tet es auch zahl­rei­che kräf­te­zeh­ren­de Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Ver­brau­chern, Tier­schüt­zern, Or­ga­ni­sa­tio­nen...(hält inne) aber gleich­zei­tig finde ich es gut, dass un­se­re Ge­sell­schaft auch über die Me­di­en mit der Tier­hal­tung kon­fron­tiert ist, auch wenn dies nicht immer ganz sach­lich kor­rekt oder fair er­folgt. Letzt­lich aber stellt uns das vor die Frage: Was sind un­se­rer Ge­sell­schaft die Tiere wert? 

Damit meine ich nicht die Haus­tie­re, für die kaum eine fi­nan­zi­el­le Aus­ga­be zu viel ist. Es geht um un­se­re Nutz­tie­re, die das glei­che Recht haben, mit Re­spekt be­han­delt zu wer­den. Viele Men­schen wün­schen ma­xi­ma­les Tier­wohl für Nutz­tie­re. Das ist ver­ständ­lich und zu be­grü­ßen, aber es zeigt sich bei einem Gro­ß­teil der Be­völ­ke­rung eine Dis­kre­panz zwi­schen die­ser For­de­rung und der Be­reit­schaft, dafür etwas zu tun oder zu zah­len. 

Ein ele­men­ta­rer Grund­satz für mich ist: Wer mit Tie­ren ar­bei­ten und letzt­lich leben will, muss ihr Ver­hal­ten ver­ste­hen! Je be­wuss­ter wir uns für das Leben und Ar­bei­ten mit die­sen Tie­ren ent­schei­den, desto stär­ker wer­den wir auf ihre Be­dürf­nis­se ein­ge­hen kön­nen. Ohne ein Ge­spür für diese Tiere, ohne eine große Por­ti­on En­ga­ge­ment und ohne den aus­drück­li­chen Wunsch, sich um die an­ver­trau­ten Tiere küm­mern zu wol­len, kön­nen wir dau­er­haft keine Nutz­tie­re hal­ten. Das soll­ten wir auch nach außen kom­mu­ni­zie­ren. 

Hat­ten Sie je Zwei­fel wäh­rend Ihres Be­rufs­wegs? Wür­den Sie etwas an­ders ma­chen?

Eine Ant­wort auf beide Fra­gen: Nein! Jede Sta­ti­on war zu ihrer Zeit die ab­so­lut rich­ti­ge und wich­ti­ge für mich. Keine möch­te ich mis­sen. Jede für sich hat mich ge­formt und letzt­lich hier­her­ge­tra­gen. Ich bin glück­lich und mir des­sen be­wusst, dass ich einen Traum­job habe, wobei es viel mehr ist als ein Job. Ich darf jeden Tag Dinge ma­chen, die mir zu­tiefst Freu­de ma­chen, und das mit Men­schen, die mich wie­der­um glück­lich sein las­sen. Ein Ge­schenk!

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