Einer Frau weht der Wind durch ihre Haare, während sie in die Kamera lächelt.© H. Ohm

„Ich möch­te das Be­wusst­sein für Tiere schär­fen“

von Laura Berndt

Von der Land­wirt­schafts­kam­mer Schles­wig-Hol­stein an die Fach­hoch­schu­le Kiel – für die­sen Schritt ent­schied sich Dr. Kat­rin Mahl­kow-Nerge nach 16 Dienst­jah­ren am Lehr- und For­schungs­zen­trum Fut­ter­kamp. Seit An­fang Au­gust lehrt die 49-Jäh­ri­ge Pro­fes­so­rin nun Tier­ernäh­rung am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft und ist ihrer gro­ßen Lei­den­schaft, der Ver­bin­dung von Theo­rie und Pra­xis, trotz des Be­rufs­wech­sels treu ge­blie­ben – die ge­bür­ti­ge Meck­len­burg-Vor­pom­me­rin braucht beide Kom­po­nen­ten in ihrem Leben. Schon als Kind steckt sie ge­nau­so gern hin­ter den Bü­chern über das Tier­reich wie sie die haus­ei­ge­nen Ge­mü­se­bee­te harkt und Le­bens­mit­tel für die Großfa­mi­lie ern­tet.

Laura Berndt (LB): Wann ent­stand Ihr In­ter­es­se für Tiere und Land­wirt­schaft?

Kat­rin Mahl­kow-Nerge (KMN): Ich hatte immer einen Hang dazu, wurde aber si­cher­lich durch äu­ße­re Fak­to­ren po­si­tiv be­ein­flusst. Ich bin auf dem Land in der ehe­ma­li­gen DDR groß ge­wor­den, um­ge­ben von Ka­nin­chen, Kat­zen, Rin­dern und Co. Ob mit den Le­be­we­sen oder der Hacke im Gar­ten, die Ar­beit in der Natur und die Mög­lich­keit, etwas mit den ei­ge­nen Hän­den zu schaf­fen, habe ich von klein auf an ge­nos­sen. Dar­über hin­aus waren meine El­tern – meine Mut­ter hat Land­wirt­schaft stu­diert, mein Vater Bau­we­sen – An­ge­stell­te einer land­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­ti­ons­ge­nos­sen­schaft. Bau­ern­hö­fe, wie wir sie heute ken­nen, gab es da­mals nicht; Pri­vat­ei­gen­tum war volks­ei­ge­nes Gut und so wur­den die bäu­er­li­chen Höfe zu Groß­be­trie­ben zu­sam­men­ge­legt, die für die All­ge­mein­heit ge­mein­schaft­lich be­wir­tet wur­den. Die fach­li­chen The­men, mit denen sich meine El­tern täg­lich aus­ein­an­der­setz­ten, waren am Kü­chen­tisch immer prä­sent – eine span­nen­de Welt, die mich fas­zi­nier­te. Als es in der ach­ten Klas­se dann um wei­ter­füh­ren­de Schu­len und einen mög­li­chen Be­rufs­weg ging, war für mich schon längst klar, dass ich in die Land­wirt­schaft woll­te.

LB: Wie sah die­ser Weg für Sie aus?

KMN: Nach Ab­schluss der zehn­ten Klas­se habe ich eine drei­jäh­ri­ge „Be­rufs­aus­bil­dung mit Ab­itur“ zur Zoo­tech­ni­ke­rin/Me­cha­ni­sa­to­rin ab­sol­viert – ein Bil­dungs­weg in der DDR, der die Er­lan­gung der Hoch­schul­rei­fe und des Fach­ar­bei­ter­briefs gleich­zei­tig er­mög­lich­te. Am Volks­ei­ge­nen Zen­trum Tier­zucht in Vel­gast habe ich das Hal­ten, Pfle­gen und Füt­tern von land­wirt­schaft­li­chen Gro­ß­tie­ren wie Rin­dern und Schwei­nen sowie den Um­gang mit ent­spre­chen­den Ma­schi­nen von der Pike auf ge­lernt. In Tag- und Nacht­schich­ten und sogar am Wo­chen­en­de muss­te ich dort neben den Lern­pha­sen teil­wei­se harte Kno­chen­ar­beit ver­rich­ten, aber das war mein Ding. Wäh­rend die­ser Zeit – die zu den schöns­ten mei­ner Ju­gend ge­hört – habe ich noch mehr ge­merkt, dass ich die Kom­bi­na­ti­on aus Pra­xis und Theo­rie in mei­nem Leben brau­che. Nach vie­len Stun­den am Schreib­tisch ver­spü­re ich noch heute das Be­dürf­nis, mir meine Hände schmut­zig zu ma­chen; dann fahre ich in den Milch­kuh­stall mei­nes Man­nes und packe mit an. Im An­schluss an die Aus­bil­dung habe ich an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin Tier­pro­duk­ti­on stu­diert, ein land­wirt­schaft­li­ches Fach, das den Fokus auf die Hal­tung, Pfle­ge, Zucht und Füt­te­rung von Tie­ren legt.

LB: In wel­chem Be­reich haben Sie nach Ab­schluss des Stu­di­ums schwer­punkt­mä­ßig ge­ar­bei­tet?

KMN: Ich finde, dass es Tie­ren gut gehen soll­te. Neben der Hal­tung spielt auch ihre Er­näh­rung für mich dabei eine große Rolle und des­halb in­ter­es­sie­re ich mich be­son­ders dafür wie Fut­ter be­schaf­fen, zu­be­rei­tet und ge­reicht wer­den soll­te, damit land­wirt­schaft­li­che Nutz­tie­re be­darfs­ge­recht und ge­sund er­nährt wer­den und so ihre Leis­tung brin­gen kön­nen. Mit den The­men Fut­ter­qua­li­tät und -wert­schät­zung sowie der Be­ra­tung von Be­trie­ben dies­be­züg­lich habe ich mich nach mei­nem Stu­di­um neun Jahre am In­sti­tut für Tier­zucht der Lan­des­for­schungs­an­stalt Meck­len­burg-Vor­pom­mern – vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung For­schungs­zen­trum Tier­pro­duk­ti­on – in Dum­mer­storf pri­mär be­schäf­tigt. In die­ser Zeit habe ich an der Uni­ver­si­tät Ros­tock pro­mo­viert. Tags­über Ver­su­che pla­nen und durch­füh­ren, das heißt Gras selbst mähen, für die Ver­dau­ungs­ver­su­che por­tio­nie­ren und Scha­fe füt­tern, und abends Theo­rie pau­ken, so sah mein All­tag vier Jahre lang aus. 1999 bin ich schlie­ß­lich nach Schles­wig-Hol­stein ge­kom­men, an das Lehr- und Ver­suchs­zen­trum Fut­ter­kamp der Land­wirt­schafts­kam­mer, und habe dort zu­nächst als Re­fe­ren­tin für Rin­der­füt­te­rung und schlie­ß­lich als Re­fe­rats­lei­te­rin im Rin­der­be­reich ge­ar­bei­tet.

LB: Was ge­hör­te zu Ihren Auf­ga­ben an der Land­wirt­schafts­kam­mer?

KMN: Ich habe Füt­te­rungs­ver­su­che mit Milch­kü­hen selbst durch­ge­führt und die ge­won­ne­nen Er­geb­nis­se ge­nutzt, um Be­triebs­be­ra­te­rin­nen und -be­ra­ter, Land­wir­tin­nen und -wirte, Tier­ärz­tin­nen und -ärzte sowie Stu­die­ren­de zu be­ra­ten und fort­zu­bil­den. Dabei war es mir immer wich­tig, den engen Kon­takt vor Ort und nicht von mei­nem Schreib­tisch aus zu su­chen. So habe ich mich zum Bei­spiel in den Be­trie­ben vom Zu­stand der Rin­der per­sön­lich über­zeugt und Po­si­ti­ves, aber auch Kri­tik und Lö­sungs­vor­schlä­ge di­rekt an­ge­spro­chen. In die­sen Si­tua­tio­nen, die nicht immer ein­fach waren, weil nie­mand gerne Feh­ler ein­ge­steht und sei­nen Stolz run­ter­schluckt, ist mir be­wusst ge­wor­den, dass die Art und Weise, wie wir Wis­sen ver­mit­teln, letzt­lich dar­über ent­schei­det, ob die­ses tat­säch­lich bei un­se­rem Ge­gen­über an­kommt. Nur wenn es das tut, haben Tiere die Chan­ce auf ein bes­se­res Leben. Eine Mi­schung aus mensch­li­cher Nähe, Ver­ständ­nis und Wis­sen haben mir dabei ge­hol­fen, so man­che harte Scha­len zu durch­drin­gen.

LB: Warum haben Sie sich für den Wech­sel an die FH Kiel ent­schie­den?

KMN: Die Land­wirt­schafts­kam­mer ko­ope­riert seit lan­gem mit der Fach­hoch­schu­le und so habe ich im Laufe der Jahre auch immer wie­der Stu­die­ren­de bei ihren Ab­schluss­ar­bei­ten be­treut oder sie durch Prak­ti­kums­pha­sen be­glei­tet. Die­ser Teil mei­ner Ar­beit hat mir eben­falls viel Freu­de be­rei­tet, weil ich ge­spürt habe, mit wie viel Herz­blut und En­ga­ge­ment sie bei der Sache waren und wie wiss­be­gie­rig sie mir ge­gen­über­ge­tre­ten sind. Das liegt wohl auch daran, dass ich ein aus­ge­präg­tes „sich küm­mern“-Gen in mir habe. Die Mög­lich­keit, meine Er­fah­run­gen wei­ter­ge­ben und junge Frau­en und Män­ner in­ten­siv auf ihren spä­te­ren Beruf vor­be­rei­ten zu kön­nen, habe ich als be­son­ders be­rei­chernd emp­fun­den. Aus die­sem Grund möch­te ich mich hier­auf sowie auf die Schär­fung des Be­wusst­seins für Tiere und Men­schen in Zu­kunft ver­stärkt kon­zen­trie­ren.

LB: Was möch­ten Sie Ihren Stu­die­ren­den ver­mit­teln?

KMN: Ich möch­te ihnen das nö­ti­ge Rüst­zeug für ihr Be­rufs­le­ben mit­ge­ben und ihnen zei­gen, wie sie land­wirt­schaft­li­che Nutz­tie­re hal­ten, füt­tern und pfle­gen soll­ten. Sie sol­len ler­nen, die Si­gna­le, die diese aus­sen­den, zu er­ken­nen und ein Ge­spür dafür zu ent­wi­ckeln, ob es ihnen gut geht oder nicht, schlie­ß­lich sind sie spä­ter ihr Sprach­rohr. Das, was ich lehre, er­le­be ich jedes Wo­chen­en­de in un­se­rem Be­trieb selbst, wenn ich in Gum­mi­stie­feln im Melkstand stehe oder die Käl­ber trän­ke. Au­ßer­dem liegt mir viel daran, den künf­ti­gen Land­wir­tin­nen und -wir­ten Herz­blut und Wert­schät­zung für die Tiere zu ver­mit­teln – es sind schlie­ß­lich Le­be­we­sen. Ich möch­te das nicht ver­mensch­li­chen, aber die Stu­die­ren­den müs­sen sich dar­über im Kla­ren sein, dass die Tiere nicht frei­wil­lig bei uns sind, son­dern dass wir diese Art Leben für sie ent­schie­den haben und somit eine Ver­ant­wor­tung für sie tra­gen. Mein Ziel ist es, den jun­gen Men­schen stets eine hof­fent­lich in­ter­es­san­te Leh­re­rin, aber vor allem eine ko­ope­ra­ti­ve und ver­läss­li­che Lern­part­ne­rin zu sein.

Kurz­bio­gra­phie    

 

seit Au­gust 2015: Pro­fes­sur für Tier­ernäh­rung am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft der Fach­hoch­schu­le Kiel 
2012 - 2015: Re­fe­rats­lei­tung Rind, Land­wirt­schafts­kam­mer Schles­wig-Hol­stein, Fut­ter­kamp 
1999 - 2012: Re­fe­ren­tin für Rin­der­füt­te­rung, Land­wirt­schafts­kam­mer Schles­wig-Hol­stein, Fut­ter­kamp 
1992 - 1999: wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin in der Lan­des­for­schungs­an­stalt Meck­len­burg-Vor­pom­mern, In­sti­tut für Tier­zucht, Dum­mer­storf 
1990 - 1992: wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin im For­schungs­zen­trum für Tier­pro­duk­ti­on, Dum­mer­storf; Oskar-Kell­ner-Tier­ernäh­rungs­in­sti­tut 
1985 - 1990: Stu­di­um der Tier­pro­duk­ti­on an Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, Ber­lin 
1982 - 1985: Be­rufs­aus­bil­dung mit Ab­itur

© Fach­hoch­schu­le Kiel