Alexander Mattes© Pri­vat

„In der In­dus­trie bin ich an Li­mits ge­sto­ßen, hier kann ich mich voll ent­fal­ten“

von Frau­ke Schä­fer

Neu­gier und Frei­heits­lie­be trei­ben Alex­an­der Mat­tes an. Nach be­ruf­li­chen Sta­tio­nen bei Rolls Royce, Sie­mens und Mul­ti­vac und Tä­tig­kei­ten als In­no­va­ti­ons­ma­na­ger und Kos­ten­in­ge­nieur ist er seit Juni die­ses Jah­res Pro­fes­sor für Fer­ti­gungs­tech­nik am Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen. Mit Pres­se­spre­che­rin Frau­ke Schä­fer hat er über seine be­ruf­li­che Lauf­bahn ge­spro­chen und seine Mo­ti­va­ti­on, an die Fach­hoch­schu­le zu kom­men.

Was muss man stu­die­ren, um Pro­fes­sor für Fer­ti­gungs­tech­nik zu wer­den?

Klas­si­scher­wei­se Ma­schi­nen­bau, mit der Ver­tie­fung Fer­ti­gungs- oder Pro­duk­ti­ons­tech­nik, dann ver­tieft man ein Ver­fah­ren und pro­mo­viert. Bei mir war es die Zer­spa­nung.

Was genau ist Zer­spa­nung?

Zer­spa­nung ist grob ge­sagt die Be­ar­bei­tung am ge­gos­se­nen oder ge­schmie­de­ten Bau­teil bevor es ein­ge­baut wer­den kann. Ty­pi­scher­wei­se ent­ste­hen dabei Späne, die Ver­fah­ren sind das Dre­hen, Boh­ren, Frä­sen und Schlei­fen. In der In­dus­trie ist die Zer­spa­nung eines der be­deu­tends­ten Fer­ti­gungs­ver­fah­ren, prak­tisch jedes Bau­teil muss zer­spa­nend be­ar­bei­tet wer­den, bevor es mon­tiert wird.

Hat­ten Sie schon früh In­ter­es­se an Tech­nik?

Ur­sprüng­lich woll­te ich ent­we­der Ar­chi­tek­tur oder Ma­schi­nen­bau stu­die­ren, aber die Be­rufs­aus­sich­ten waren bei Ma­schi­nen­bau deut­lich bes­ser und einen Stu­di­en­platz zu be­kom­men, zudem ein­fa­cher. Ich habe dann in Karls­ru­he stu­diert, am Fraun­ho­fer In­sti­tut in Ber­lin pro­mo­viert und dann – weil mich ein an­spruchs­vol­les Pro­dukt in­ter­es­siert hat – beim Flug­zeug­trieb­werks­her­stel­ler Rolls Royce im Ein­kauf ge­ar­bei­tet und als „Value En­gi­neer“ Zu­lie­fe­rer­tei­le kos­ten­tech­nisch be­wer­tet.

Rolls Royce klingt wie ein guter Be­rufs­ein­stieg, warum sind Sie nicht dort ge­blie­ben?

Über per­sön­li­che Kon­tak­te war mir bei Sie­mens eine sehr in­ter­es­san­te Tä­tig­keit an­ge­bo­ten wor­den: In­no­va­ti­ons­ma­nage­ment für Fer­ti­gungs­tech­nik. In­ner­halb einer Stabs­stel­le für eine Ge­schäfts­ein­heit mit mehr als 10.000 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern und 15 Fer­ti­gungs­stand­or­ten habe ich Fer­ti­gungs­in­no­va­tio­nen in­iti­iert bzw. vor­han­de­ne Ak­ti­vi­tä­ten zu­sam­men­ge­fasst und ko­or­di­niert. Dabei konn­te ich mei­nen Ho­ri­zont weit über die Zer­spa­nung ins Fügen bzw. Schwei­ßen bis hin zur ad­di­ti­ven Fer­ti­gung, dem 3D-Druck, er­wei­tern und habe dafür Kom­pe­tenz­zen­trum mit auf­ge­baut. Bei Sie­mens folg­te noch eine zwei­te Sta­ti­on im Gas­tur­bi­nen­werk Ber­lin. Ich woll­te auch ope­ra­ti­ve Ver­ant­wor­tung tra­gen und habe als Lei­ter der NC-Pro­gram­mie­rung eine neue NC-Pro­gram­mie­rungs-Soft­ware für die Ab­tei­lung ein­ge­führt.

Ent­schul­di­gung, da muss ich nach­ha­ken, was ist NC?

NC be­deu­tet Nu­me­ri­cal Con­t­rol, hier steht es für die Pro­gram­mie­rung der Ma­schi­nen­steue­rung. Die Ma­schi­ne braucht ein NC-Pro­gramm damit sie weiß, was sie am Werk­stück zer­spa­nen soll. Schlie­ß­lich kam dann vor der Fach­hoch­schu­le Kiel noch die Sta­ti­on als Fer­ti­gungs­lei­ter bei Mul­ti­vac.

Wie haben Sie das denn ge­schafft? So alt sind Sie doch nun auch noch nicht.

Ich bin die­ses Jahr 40 ge­wor­den und bin auch nicht so lange bei den ein­zel­nen Sta­tio­nen ge­blie­ben.

Warum? Treibt sie die Neu­gier? Wol­len Sie immer etwas Neues ler­nen?

Ja. Nach einer ge­wis­sen Zeit hatte ich die Auf­ga­ben durch­drun­gen. Und es gab wei­te­re Be­rei­che, die ich gerne ken­nen­ler­nen woll­te, um einen brei­ten Er­fah­rungs­schatz an­zu­sam­meln. Also habe ich bei dem Ver­pa­ckungs­ma­schi­nen­her­stel­ler Mul­ti­vac im All­gäu die Dreh­fer­ti­gung ge­lei­tet und dort meine ope­ra­ti­ven Er­fah­run­gen aus­ge­wei­tet und mich auch mit der Di­gi­ta­li­sie­rung, In­dus­trie 4.0-Tech­no­lo­gi­en und den Ma­nage­ment­an­sät­zen in die­sem Be­reich aus­ein­an­der­ge­setzt. Schlie­ß­lich habe ich be­schlos­sen, dass ich meine Er­fah­run­gen bei einem sehr hohen Frei­heits­grad ein­brin­gen möch­te. Ich habe immer sehr ei­gen­stän­dig ge­ar­bei­tet, hatte viele Ideen, aber das passt nicht immer zu einer streng hier­ar­chisch or­ga­ni­sier­ten Struk­tur, wie sie in der In­dus­trie vor­herrscht, da bin ich an Li­mits ge­sto­ßen. Des­we­gen freue ich mich, mich in der Fach­hoch­schu­le voll ent­fal­ten zu kön­nen. Au­ßer­dem habe ich ge­ra­de durch meine Per­so­nal­ver­ant­wor­tung ge­se­hen, dass Coa­ching immer wich­ti­ger wird. Und das passt für mich zum Be­rufs­bild eines Pro­fes­sors. Ich denke, dass von den Stu­die­ren­den immer mehr Ei­gen­ver­ant­wor­tung er­war­tet wer­den muss, damit sie auf den immer dy­na­mi­scher wer­den­den Be­rufs­all­tag gut vor­be­rei­tet sind.

Sie haben in Tü­bin­gen, Ber­lin und Karls­ru­he ge­lebt, da ist die Men­ta­li­tät doch an­ders, als hier. Hat­ten Sie schon vor­her Be­rüh­rungs­punk­te mit dem Nor­den?

Meine Freun­din stammt von der Insel Rügen, ich habe mich also schon an die Men­ta­li­tät der Nord­deut­schen ge­wöh­nen kön­nen. Im fort­ge­schrit­te­nen Er­wach­se­nen­al­ter habe ich sogar noch damit be­gon­nen, öfter Fisch zu essen, was bei uns „da unten“ doch eher ver­pönt ist. Ich be­trach­te mich also als gut in­te­griert (lacht).

Nun sind Sie schon ein paar Mo­na­te an der Fach­hoch­schu­le Kiel, wie ist denn Ihr Ein­druck von den Stu­die­ren­den?

Vor allem in klei­nen Grup­pen ge­fällt mir sehr der rege Aus­tausch und der of­fe­ne Um­gang. So kam gleich am Ende mei­ner ers­ten Vor­le­sung ein Stu­dent zu mir mit einem Hin­weis zur Tech­nik im Raum und wie sie wäh­rend eines Vor­trags op­ti­mal ge­nutzt wer­den kann. Das fand ich eine sehr nette Geste und zeigt den part­ner­schaft­li­chen Um­gang, der hier ge­pflegt wird.

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