Auf einem Steg steht eine Gruppe von Menschen.  © J. Brunn

Interdisziplinäres Team entwickelt Korrosionsschutz für Offshore-Windparks

von Frauke Schäfer

Mikrobiell beeinflusste Eisenkorrosion im maritimen Industriesektor verursacht nach neuesten Schätzungen allein in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Expert*innen erwarten, dass die Zahl solcher Schäden durch die globale Erwärmung noch deutlich zunehmen wird. Besonders betroffen sind Offshore-Windparks, und bislang ist kein wirkungsvoller und zugleich umweltverträglicher Schutz bekannt. Die Fachhochschule (FH) Kiel und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wollen mit Industriepartnern einen wirksamen Schutz gegen mikrobielle Eisenkorrosion im Offshore-Bereich entwickeln. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das auf drei Jahre ausgelegte Verbundprojekt „MiCorFe“ mit mehr als 1.000.000 Euro.

Mikrobiell beeinflusste Eisenkorrosion (kurz MIC, engl. Microbiologically Influenced Corrosion) ist in der maritimen Wirtschaft ein weit verbreitetes und bekanntes Problem. Sie betrifft insbesondere Gründungsstrukturen von Windkraftanlagen. Diese Gründungsstrukturen, auch Monopiles genannt, sind hohle zylindrische Pfähle aus Stahl, die in den Meeresboden gerammt werden. Das dabei im Monopile verbleibende Meerwasser steht nach der Gründung nur noch eingeschränkt im Austausch mit der Umgebung. Dieser Einschluss hat Folgen für die biochemische Zusammensetzung des Wassers: Durch mikrobielle Aktivitäten können sich im unteren Bereich sauerstofffreie Zonen ausdehnen und giftiger Schwefelwasserstoff entsteht. Dies sind ideale Bedingungen für säurebildende, sulfat- und metall-reduzierende Bakterien, die die Biokorrosion beschleunigen können. Ein probates Gegenmittel gibt es auf hoher See nicht: Trocknungsverfahren und regelmäßige mechanische Reinigungen sind nicht praktikabel, der Einsatz von Bioziden würde die Meeresfauna schädigen.

Beteiligte Mikroorganismen müssen identifiziert werden

Deswegen sucht das interdisziplinäre Projektteam „MiCorFe“ einen anderen Ansatz, erklärt Prof. Dr. Mirjam Perner. Die Geomikrobiologin vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel möchte die speziell an dieser Biokorrosion beteiligten Mikroorganismen identifizieren und neue, praktikable und umweltverträgliche Strategien für deren Hemmung entwickeln. „Mit dem Wissen um die geochemische Dynamik im Inneren eines Monopiles und über die Aktivitäten der an der MIC beteiligten Organismen können wir die Auswahl neuer Werkstoffmodifikationen und Beschichtungen unterstützen. Durch vergleichende Untersuchungen wollen wir Möglichkeiten zur Hemmung der MIC bewerten“, erläutert Perner.

Forschungsplattform vor Sylt dient als Reallabor

Für Untersuchungen unter realen Bedingungen nutzt das Forschungsteam die 80 Kilometer vor Sylt gelegene Forschungsplattform FINO3. Sie wurde 2009 als Monopile auf einer Wassertiefe von 22 Metern in feinem Sand gegründet. „Die Korrosions-Situation im Inneren des Monopiles ist bisher nahezu unbekannt, da keine Tauchgänge in seinem Inneren möglich sind“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr.-Ing. Jana Schloesser von der FH Kiel. „Daher werden wir als erstes die Bedingungen vor Ort analysieren, indem wir Wasserproben in unterschiedlicher Tiefe nehmen, spezielle Sensorik nutzen und Korrosionsversuche im Inneren der Gründungsstruktur durchführen.“

Schloessers Hauptaugenmerk liegt auf der Korrosionsanalyse und möglichen elektrochemischen Schutzmaßnahmen wie Beschichtungen. Sie wird zunächst die Anfälligkeit des üblicherweise verwendeten Monopile-Stahls untersuchen. Hierfür nutzt sie Langzeitversuche mit Baustahl in verschiedenen Tiefenhorizonten innerhalb des Monopiles und unter simulierten Laborbedingungen. Darüber hinaus wird die Expertin für Werkstoffe und Oberflächen optimierte Stähle und unterschiedliche Beschichtungen erproben.

Interdisziplinarität als Erfolgsfaktor

Die Prüfkörper stellt der Projektpartner Krebs Korrosionsschutz GmbH zur Verfügung. Das Unternehmen mit Sitz in Rostock bringt seine Erfahrung im Bereich des Korrosionsschutzes ein. Von der interdisziplinären Zusammenarbeit erhofft sich Entwicklungsingenieur Christian Niepel Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Beschichtungswerkstoffe und -methoden. „Die im Projekt gewonnenen Ergebnisse werden wir innerhalb der Abteilung ‚Forschung & Entwicklung‘ analysieren, interpretieren und in die laufende Produktion übertragen. Unser Ziel ist, die Lebensdauer von Monopiles zu verlängern und somit nachhaltigere Energie im Offshore-Bereich zu produzieren.“

Der vierte Projektpartner, die Jörss – Blunck – Ordemann GmbH (JBO), steuert seine Expertise in der Planung und Instandhaltung von Windenergieparks bei. Das Hamburger Planungs- und Ingenieurbüro verantwortet die rechnerische Simulation der Lebensdauer korrodierter Stähle, erklärt Gerrit Haake, Forschungs-und Entwicklungsleiter bei JBO. „Durch Lochfraß unter Beschichtungsschäden kann es zu einer Schwächung der Struktur und in der Folge zu Rissbildung kommen. Von der FH Kiel erhalten wir die genaue Geometrie der korrodierten Proben. Am PC berechnen wir damit den Rissfortschritt mit bruchmechanischen Rechenmodellen und wie sich die Korrosion auf die Lebensdauer auswirkt.“

„Eine Besonderheit unseres Konzepts“, betont Projektleiterin Schloesser, „ist die interdisziplinäre enge Zusammenarbeit von Mikrobiologinnen, Geochemikern, Materialwissenschaftlerinnen und Ingenieuren sowie deren unterschiedliche Expertisen. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, neue Beschichtungswerkstoffe und -methoden zu entwickeln, die die Betriebs- und Lebensdauer von Offshore-Windenenergieanlagen verlängern. Dadurch können zukünftig Ressourcen eingespart und die Stromversorgung nachhaltiger gestaltet werden.“

Für die Fachhochschule Kiel und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist es nicht die erste Zusammenarbeit. In der Vergangenheit haben die beiden Wissenschaftseinrichtungen beispielsweise gemeinsam an Tauchrobotern gearbeitet und portable Fischobservatorien entwickelt. „Wir ergänzen uns in vielerlei Hinsicht ideal“, erklärt FH-Kiel-Präsident Prof. Dr. Björn Christensen. „Vor allem unsere anwendungs- und transferorientierte ingenieurwissenschaftliche Forschung kann dazu beitragen, das GEOMAR bei der Umsetzung seiner Forschungsprojekte zu unterstützen.“

„Die Expertise der Fachhochschule ist eine Bereicherung für die Forschung des GEOMAR“, bestätigt Prof. Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. „Durch den vollständigen Umzug des GEOMAR auf den Seefischmarkt können unsere Institutionen zukünftig noch enger im Wissenschaftsquartier Schwentinemündung zusammenrücken. Das verbessert die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nochmals.“ 

 

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