Eine Frau in blauem Pullover posiert vor einem bizarren Gemälde.© FH Kiel

Künst­le­rin im Ge­spräch: Ul­ri­ke Theus­ner

von viel.-Re­dak­ti­on

In­ter­view von Jes­si­ca Sarah Schulz

 

Frau Theus­ner, Sie sind eine in­ter­na­tio­nal re­nom­mier­te Künst­le­rin und haben be­reits in Nizza, New York und Shang­hai aus­ge­stellt. Was reizt Sie daran Ihre Werke im Bun­ker-D zu prä­sen­tie­ren?
Der Ort an sich ist der to­ta­le Wahn­sinn. Die Mög­lich­keit in solch einer Lo­ca­ti­on aus­zu­stel­len, be­kommt man als Künst­ler nicht oft. Es ist ein Ort, der durch eine am­bi­va­len­te Ge­schich­te ge­prägt ist. Der Bun­ker-D ist ein Ge­bäu­de aus dem Krieg, wel­ches von Zwangs­ar­bei­tern er­baut wurde. Heut­zu­ta­ge wird er gegen seine ur­sprüng­li­che Be­stim­mung ver­wen­det und es fin­den dort ganz tolle Ver­an­stal­tun­gen statt. Es gibt Ki­no­vor­stel­lun­gen, Schau­spiel auf der Bühne und re­gel­mä­ßi­ge Kunst­aus­stel­lun­gen. Es ist ein Ort der Zu­sam­men­kunft ge­wor­den und das wie­der­um ist ein gutes Zei­chen für un­se­re Ge­sell­schaft!

Der Titel der Aus­stel­lung lau­tet „End­spiel“ – hat die­ser einen be­son­de­ren Hin­ter­grund?
Meine erste As­so­zia­ti­on war das Thea­ter­stück „End­spiel“ von Be­ckett. Das Drama weist einen apo­ka­lyp­ti­schen Hin­ter­grund auf und zeigt vier Per­so­nen, die nur auf ihr Ende zu war­ten schei­nen. Au­ßer­dem be­zieht sich der Titel auf das Zitat von Jo­hann Wolf­gang von­Goe­the: „Der Kreis, den die Mensch­heit aus­zu­lau­fen hat, ist be­stimmt genug, und un­ge­ach­tet des gro­ßen Still­stan­des, den die Bar­ba­rei mach­te, hat sie ihre Lauf­bahn schon mehr als ein­mal zu­rüc­kg­ele­gt. Will man ihr auch eine Spi­ral­be­we­gung zu­schrei­ben, so kehrt sie doch immer wie­der in jene Ge­gend, wo sie schon ein­mal durch­ge­gan­gen. Auf die­sem Wege wie­der­ho­len sich alle wah­ren An­sich­ten und alle Irr­tü­mer.“

Wie genau be­schreibt das Zitat diese Aus­stel­lung? 
Goe­the spricht in sei­nem Zitat von zy­kli­schen Be­we­gun­gen. Also von der Mensch­heit, die sich immer wie­der in die Ge­gen­den be­wegt, in denen sich alle Irr­tür­mer wie­der­ho­len. Mei­ner Mei­nung nach, steu­ern wir auch heute wie­der auf eine Irr­tums­ge­gend zu. Ir­gend­wann wird diese Spi­ra­le aber auf­hö­ren und dann kommt das End­spiel. Der Bun­ker-D in Ver­bin­dung mit die­sen Ar­bei­ten passt ganz gut zu die­ser Zeit. Je­doch stellt meine Kunst keine Kri­tik, son­dern eher eine Be­ob­ach­tung dar: Ich zeige, was ich sehe und wie ich es emp­fin­de. Meist weiß ich auch erst hin­ter­her, warum ich ein über­haupt Bild ge­malt habe. Wenn ich schon vor­her wüss­te, wie das Bild aus­se­hen würde, dann bräuch­te ich es nicht ma­chen. Dann wäre das Rät­sel ja schon ge­löst.

Um wel­che The­men geht es bei Ihrer Kunst? Wel­che Fra­gen wer­fen Sie in Ihren Wer­ken auf?
In mei­nen Wer­ken geht es um ge­sell­schaft­li­che The­men. Ich be­han­de­le zum einen die ge­stör­te Be­zie­hungs­auf­nah­me und Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Men­schen. Zum an­de­ren geht es aber auch, um die ge­stör­te Be­zie­hung von Mensch und Natur. Mit mei­ner Kunst möch­te ich eine Dia­gno­se stel­len. Wenn ein Kunst­werk­so­weit gehen kann, möch­te ich den Be­trach­tern zudem einen Aus­weg lie­fern. Ich hoffe na­tür­lich auch, Emo­ti­ons­ebe­nen und The­men zu be­han­deln über die der Zu­schau­er ohne die Ar­beit nicht nach­den­ken würde. Kunst kann man als Heil­mit­tel, Platt­form oder als Ven­til für tie­fer­lie­gen­de Ge­füh­le und Ängs­te ver­ste­hen. Kann der Zu­schau­er sich mit einem Werk iden­ti­fi­zie­ren, hat er auch ein Ven­til. Das ist der Sinn von Kunst!

Was er­war­tet die Be­su­che­rin­nen und Be­su­cher Ihrer Aus­stel­lung im Bun­ker-D?    
Die Be­su­cher er­war­tet eine viel­sei­ti­ge Show mit ver­schie­de­nen Tech­ni­ken, un­ter­schied­lichs­ten Grö­ßen und di­ver­sen Ma­te­ria­li­en. Unter an­de­rem zeige ich Holz­dru­cke, Ra­die­run­gen sowie Pas­tell- und Tu­sche­zeich­nun­gen. Au­ßer­dem wird es eine klei­ne In­stal­la­ti­on mit Sound geben. Auch in der Größe va­ri­ie­ren meine Ar­bei­ten: sie rei­chen von ge­ra­de ein­mal zehn Zen­ti­me­tern hin zu einer Brei­te von fast vier Me­tern. Trotz der Un­ter­schie­de be­han­deln meine Werke je­doch ein Grund­the­ma. Ich hoffe, dass der Be­trach­ter am Ende mit einer As­so­zia­ti­on oder einem Ge­fühl mehr nach Hause geht. Wenn ein Kunst­werk das schafft, hat es alles er­reicht, was es er­rei­chen kann.

Für wen ist Ihre Aus­stel­lung be­son­ders in­ter­es­sant an­zu­schau­en?
Ich würde mir wün­schen, dass viele junge Men­schen kom­men. Ge­ra­de in der Serie „Gasping So­cie­ty“ be­schrei­be ich meine Ge­ne­ra­ti­on, die so­ge­nann­ten Mil­len­ni­als. Ein Pro­blem, das ich be­son­ders bei uns sehe, ist die zu­neh­men­de Iso­la­ti­on. Das war in der Ge­ne­ra­ti­on un­se­rer El­tern noch ganz an­ders. Wir sind aber mit dem In­ter­net und den mo­bi­len tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten groß ge­wor­den, mit Selbst­dar­stel­lung und Per­for­mance. Das führt zu ge­stör­ten Be­zie­hun­gen mit sich und der Um­welt. Ich würde mich also freu­en, wenn junge Men­schen sich die Werke an­schau­en und fest­stel­len, dass sie wie­der mehr zu sich fin­den und die Fremd­be­stim­mung hin­ter sich las­sen soll­ten. Am Ende ist die Aus­stel­lung al­ler­dings für je­der­mann!

Vie­len Dank für das Ge­spräch!     

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