eine Frau vor zwei Monitoren, sie blickt in die Kamera© A. Wim­ber

Mathe den Angst­fak­tor neh­men

von Ann-Chris­tin Wim­ber

Mathe macht Spaß. Mathe ist ver­ständ­lich und lo­gisch. Mit die­ser Bot­schaft im Hin­ter­kopf wol­len Dr. Claus Neu­mann, Pro­fes­sor für Ma­the­ma­tik und Phy­sik, und Dipl.-Phys. San­dra Her­zog, Lehr­kraft für be­son­de­re Auf­ga­ben am In­sti­tut für Phy­sik und All­ge­mei­ne Elek­tro­tech­nik, Stu­die­ren­den die Angst vor dem Fach neh­men.

„Wir haben uns – nicht erst seit den On­line-Vor­le­sun­gen in der Pan­de­mie – ge­fragt, wie wir die Lehre so wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, dass die Stu­die­ren­den die ge­for­der­te Ar­beit ab­leis­ten kön­nen und nicht durch­fal­len“, er­klärt Neu­mann. Bis­her haben er und sein Team es so ge­hand­habt: Neben den Vor­le­sun­gen gab es Übungs­se­mi­na­re. Die Stu­die­ren­den haben Auf­ga­ben be­kom­men, die sie zu Hause ge­löst haben und dann im Se­mi­nar vor­rech­nen muss­ten. „Das war un­be­frie­di­gend“, be­rich­tet Her­zog. Denn der Teil der Stu­die­ren­den, die die Ma­te­rie be­grif­fen hat­ten, lang­weil­te sich, der an­de­re Teil war mit Ab­schrei­ben be­schäf­tigt.

Das be­stä­tigt auch Phil­ipp Weers, Stu­dent im Mas­ter­stu­di­en­gang Elek­tri­sche En­er­gi­en: „Es gab ei­gent­lich kei­nen Grund, die Auf­ga­ben bis zur Übungs­stun­de fer­tig zu rech­nen – dort wur­den sie ja oh­ne­hin vor­ge­rech­net, und man konn­te sie ab­schrei­ben. Der Lern­ef­fekt war ent­spre­chend nied­rig – auch wenn man sich ein­ge­re­det hat, es zu­hau­se nach­zu­ar­bei­ten.“

Um den Lern­ef­fekt zu stei­gern, haben Neu­mann und Her­zog im ver­gan­ge­nen Se­mes­ter ein neues Kon­zept mit Mas­ter-Stu­die­ren­den er­probt. Her­zog ent­wi­ckel­te eine Art di­gi­ta­les Ma­the­la­bor. Ähn­lich den On­line-Tools zum Spra­chen­ler­nen pro­gram­mier­te sie Übungs­auf­ga­ben, die die Stu­die­ren­den über Mood­le, das Lern­ma­nage­ment­sys­tem der FH Kiel, lösen müs­sen. „Jeder be­kommt dabei seine ei­ge­nen Pa­ra­me­ter, mit denen er rech­nen muss“, er­läu­tert Her­zog das Pro­gramm.

Das Üben am Bild­schirm war für die Stu­die­ren­den zu­nächst schwie­rig, be­rich­tet Mas­ter-Ab­sol­ven­tin Kira Han­sen. „Man muss­te sich bei der Ein­ga­be stark kon­zen­trie­ren, um keine Klam­mer zu ver­ges­sen be­zie­hungs­wei­se die Sym­bo­le rich­tig ein­zu­ge­ben, die als Wort aus­ge­schrie­ben wer­den muss­ten.“ Das sei zeit­auf­wen­dig ge­we­sen, und ei­ni­ge Kom­mi­li­to­nen hät­ten die Be­fürch­tung ge­habt, bei der spä­te­ren Klau­sur nicht ge­nü­gend Zeit zu haben. Doch diese er­wies sich als un­be­grün­det. Han­sen: „Da­durch, dass wir uns zu­hau­se und in der Übung mit dem Ein­ge­ben be­schäf­tigt haben, ging es immer ein­fa­cher.“

„Das Tolle an dem Sys­tem ist, dass wir genau nach­voll­zie­hen kön­nen, was jeder und jede Stu­die­ren­de ge­macht hat“, sagt Neu­mann. „So kön­nen wir dann in Prä­senz an den Stel­len noch mal nach­re­gu­lie­ren, die of­fen­bar noch nicht voll­stän­dig ver­stan­den wur­den.“ Her­zog nennt noch einen wei­te­ren Vor­teil die­ses Mathe-Mo­duls: „Wir sehen auch, wenn ein Stu­die­ren­der oder eine Stu­die­ren­de einen bis­her un­be­rück­sich­tig­ten, aber rich­ti­gen Lö­sungs­weg ge­fun­den hat – sowas kann man oft auf­grund von Zeit­man­gel bei hand­schrift­li­chen Auf­ga­ben nicht nach­prü­fen.“ Die­ser kann dann nach­träg­lich noch in die Aus­wer­tung der Auf­ga­be pro­gram­miert wer­den, was dann allen Stu­die­ren­den zu­gu­te­kommt, die eben­falls die­sen Weg ge­gan­gen sind.“

Das Sys­tem hatte Er­folg. Auch für die Stu­die­ren­den. „Wenn wir einen Feh­ler ge­macht haben, wurde uns die­ser so­fort an­ge­zeigt“, be­rich­tet Han­sen, „eben­so wie die er­reich­ten Punk­te und eine aus­führ­li­che und gut er­klär­te Mus­ter­lö­sung. So bekam man ein Ver­ständ­nis für die Auf­ga­ben und konn­te er­ken­nen, wo die ei­ge­nen De­fi­zi­te lagen.“ Die Stu­die­ren­den ent­wi­ckel­ten da­durch sogar eine neue Art des Ehr­gei­zes. „Da ich immer genau wuss­te, wo ich in­halt­lich stehe, ent­stand ein Stre­ben, sich zu ver­bes­sern und in der nächs­ten Übung mög­lichst mehr Punk­te zu er­rei­chen“, sagt Weers.

Auch in den Ge­samt­er­geb­nis­sen des Kur­ses ist zu sehen, dass die di­gi­ta­le Übungs­platt­form den Stu­die­ren­den wei­ter­hilft, meint Neu­mann: „Die Teil­nah­me an den un­be­no­te­ten Übun­gen war stets ex­trem hoch, was sich dann in den guten Er­geb­nis­sen der wö­chent­li­chen Tests wi­der­spie­gel­te und spä­ter in der se­mes­ter­ab­schlie­ßen­den End­prü­fung be­stä­tigt wurde.“

Der Er­folg des neuen Lehr­ele­ments soll jetzt auf alle Ma­the­ma­tik-Mo­du­le ab dem ers­ten Se­mes­ter über­tra­gen wer­den. „Mathe ler­nen die meis­ten Stu­die­ren­den durchs Üben und An­wen­den“, schränkt Neu­mann ein. „Wir wis­sen, dass das neue Übungs­kon­zept den Stu­die­ren­den zeit­lich viel ab­ver­langt. Aber mit dem neuen Sys­tem for­dern wir genau die­sen Workload ein, der im Mo­dul­hand­buch be­schrie­ben ist, neh­men alle mit und wol­len so er­rei­chen, dass Mathe kein Angst­fach mehr an un­se­rer FH ist.“

Auch Han­sen glaubt, dass die neue Übungs­platt­form an­de­ren Stu­die­ren­den hel­fen könn­te: „Mathe bleibt ein an­spruchs­vol­les Modul, aber das Sys­tem hilft beim Ver­ständ­nis und dem Nach­voll­zie­hen der Lö­sungs­we­ge. Folg­lich ist es bes­ser zu schaf­fen.“

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