Heidi Kjär, Felix Woelk© J. Kö­nigs

#Me­di­en­in­ge­nieur: Die Zu­kunft der di­gi­ta­len Wirt­schaft ge­stal­ten

von Julia Kö­nigs

Julia Kö­nigs: Frau Kjär, Herr Woelk, was genau ma­chen denn Me­di­en­in­ge­nieu­rin­nen und Me­di­en­in­ge­nieu­re?

Heidi Kjär: Me­di­en­in­ge­nieu­re sind eine Schnitt­stel­le in der di­gi­ta­len Ar­beits­welt. Sie bauen Brü­cken zwi­schen den Kom­pe­ten­zen Me­di­en­ge­stal­tung, In­ge­nieurs­wis­sen­schaf­ten und In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie, brin­gen wirt­schaft­li­ches Den­ken mit und sind Füh­rungs­per­so­nen.

Felix Woelk: Das heißt, dass man Pro­jek­te zu­nächst tech­nisch um­setzt, dann aber auch er­folg­reich kom­mu­ni­zie­ren kann, woran man ge­ar­bei­tet hat. Me­di­en­in­ge­nieu­re kön­nen den zu­künf­ti­gen Nut­zern oder Kon­su­men­ten ver­ständ­lich ma­chen, worum es genau geht. Es gilt also, Fach­ter­mi­ni der ein­zel­nen Dis­zi­pli­nen zu be­herr­schen und zu ver­ei­nen: Als In­ge­nieur weiß ich, was eine SQL-Da­ten­bank ist. Als Wirt­schaft­ler weiß ich, was ein ROI, also Re­turn of In­vest­ment, ist. Als Ge­stal­ter weiß ich, wie ich ein Ge­samt­pro­dukt oder eine Dienst­leis­tung an­spre­chend dar­stel­le und er­folg­reich mache. Me­di­en­in­ge­nieu­re sind hier die Schnitt­stel­le. Bei­spiels­wei­se gibt es in klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men oft keine ei­ge­ne Mar­ke­ting­ab­tei­lung oder ganze Ex­per­ten­grup­pen. Me­di­en­in­ge­nieu­re bauen dann nicht nur die Un­ter­neh­mens­web­site, son­dern wis­sen gleich­zei­tig, wie sie ein Pro­dukt ver­mark­ten, wie sie das Un­ter­neh­men prä­sen­tie­ren und wie sie genug Um­satz ma­chen.

Heidi Kjär: Me­di­en­in­ge­nieu­re boh­ren nicht so sehr in die Tiefe wie sol­che In­ge­nieu­re, die eine Brü­cke bauen, die nicht ein­stür­zen darf. Als Me­di­en­in­ge­nieur/in darf man sich durch­aus Ex­per­ten für sol­che Fälle mit ins Boot holen, aber man soll wis­sen, wen man für diese Auf­ga­be braucht, wie man Auf­ga­ben genau kom­mu­ni­ziert und wie man bei­spiels­wei­se In­for­ma­tio­nen aus einem Auf­trags-Brie­fing in einen Ar­beits­ab­lauf in­te­griert, damit jeder weiß, was zu tun ist. Me­di­en­in­ge­nieu­re er­ken­nen die un­ter­schied­li­chen An­sprü­che der Nut­zer, sie ver­ste­hen die Be­dürf­nis­se der Men­schen und kön­nen diese Be­dürf­nis­se auf das An­ge­bot eines Un­ter­neh­mens über­tra­gen, haben also eine Über­set­zer­funk­ti­on. Sie ar­bei­ten auch for­schend und fra­gen sich, wie sie mit der di­gi­ta­len Zu­kunft um­ge­hen kön­nen.

Julia Kö­nigs: Warum haben Sie die­sen Stu­di­en­gang auf­ge­baut?

Heidi Kjär: Der Stu­di­en­gang ent­stand aus Ge­sprä­chen, die wir mit der re­gio­na­len Wirt­schaft ge­führt haben. Wir haben uns in­for­miert, in wel­chen Be­rei­chen zu­künf­tig Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ge­sucht wer­den. Ganz be­son­ders schwie­rig scheint dabei die Zu­kunft mit di­gi­ta­len Me­di­en zu sein. Die Wirt­schaft sucht nach Per­so­nen, die Brü­cken bauen kön­nen. Je­mand, der nicht nur rein tech­ni­sches Wis­sen hat und nur für tech­ni­sche Un­ter­neh­men ar­bei­tet, son­dern Per­so­nen, die auch in einer so­zia­len Ein­rich­tung ar­bei­ten kön­nen oder bei einem Tisch­ler, der sich durch die so­zia­len Netz­wer­ke neue Kun­den­krei­se er­schlie­ßen möch­te. Die Fach­be­rei­che Me­di­en sowie In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik haben sich des­we­gen zu­sam­men­ge­tan und sich zum Ziel ge­setzt, neue Mit­ar­bei­ter/innen aus­zu­bil­den, die beide Sei­ten ver­ste­hen und ver­bin­den. Also bei­spiels­wei­se ein ITler, der mir sagen kann, wie ein Gerät funk­tio­niert, aber auch genau er­klä­ren kann, wie und warum ich es be­die­ne. Oft ist es näm­lich so, dass man sich als Ent­wick­ler und An­wen­der ge­gen­sei­tig nicht ver­steht. Das funk­tio­niert üb­ri­gens nur, wenn man im Stu­di­um früh genug mit Un­ter­neh­men in Kon­takt kommt und die Pro­ble­me von innen her­aus ken­nen­lernt.

Heidi Kjär und Felix Woelk über neuen Stu­di­en­gang an der FH

Zum Win­ter­se­mes­ter 2018/19 star­tet der neue Stu­di­en­gang Me­di­en­in­ge­nieur/in an der Fach­hoch­schu­le Kiel. Was sich genau da­hin­ter ver­birgt, für wen das in­ter­dis­zi­pli­nä­re Stu­di­um ge­eig­net ist und auf wel­che In­hal­te man sich freu­en kann, haben Pro­fes­so­rin Dr. Heidi Kjär (FB Me­di­en) und Pro­fes­sor Dr. Felix Woelk (FB IuE) Julia Kö­nigs aus der viel.-Re­dak­ti­on ver­ra­ten.

Julia Kö­nigs: Warum ist es ein in­ter­dis­zi­pli­nä­rer Stu­di­en­gang?

Heidi Kjär: Un­se­re Fach­be­rei­che ver­ei­nen alle Kom­pe­tenz­fel­der, die zu­künf­ti­ge Me­di­en­in­ge­nieu­rin­nen und Me­di­en­in­ge­nieu­re be­nö­ti­gen. Wir haben Leh­ren­de aus di­ver­sen span­nen­den Dis­zi­pli­nen, um­fang­reich ein­ge­rich­te­te La­bo­re mit Ge­rä­ten auf dem ak­tu­ells­ten Stand der Tech­nik, und das alles in bei­den Fach­be­rei­chen. Wir er­gän­zen uns, genau wie Me­di­en­in­ge­nieu­re selbst auch Schnitt­stel­len bil­den.

Julia Kö­nigs: Für wen ist der Stu­di­en­gang denn ge­eig­net?

Felix Woelk: Wir wün­schen uns Stu­di­ren­de, die sich für die drei Kom­pe­tenz­be­rei­che Me­di­en/Ge­stal­tung, In­ge­nieurs­wis­sen mit Elek­tro­tech­nik und In­for­ma­tik mit Pro­gram­mie­rung be­geis­tern. Leute, die tech­nisch fit sind, keine Angst vor For­meln haben, aber auch sehr so­zi­al ver­an­lagt sind, be­reit ist, über die ei­ge­nen Kom­pe­ten­zen zu spre­chen und diese auch zu ver­mit­teln. Man soll­te Em­pa­thie haben, also ver­ste­hen, wer einem genau ge­gen­über­sitzt und wel­che Fach­ter­mi­ni ich im Ge­spräch ver­wen­den kann.

Heidi Kjär: Auch sol­che Men­schen, die in der Schu­le schon Lust hat­ten, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, Klas­sen­spre­cher/in oder Schul­spre­cher/in waren und ihren Gro­ß­el­tern gerne mal den Rech­ner er­klä­ren, wenn hier Hilfe ge­braucht wird.

Felix Woelk: Wir bre­chen auch das Schub­la­den­den­ken auf: Auch Frau­en sol­len sich durch das Stu­di­en­an­ge­bot ver­mehrt an­ge­spro­chen füh­len. Dem Den­ken, dass In­for­ma­ti­ker immer männ­lich und Kom­mu­ni­ka­to­ren immer weib­lich sind, kom­men wir ent­ge­gen und schaf­fen die in­ter­dis­zi­pli­nä­re Aus­rich­tung, für die sich be­son­ders Frau­en in­ter­es­sie­ren.

Heidi Kjär: Ja, wir haben er­lebt, dass viele In­ter­es­sier­te uns sag­ten, dass sie sich die­sen Stu­di­en­gang für ihre Töch­ter vor­stel­len kön­nen. Frau­en kom­men mit die­sen Kom­pe­ten­zen an­ders in die di­gi­ta­le Wirt­schaft und gehen an­ders an Dinge heran. Hier liegt ganz viel Po­ten­zi­al.

Julia Kö­nigs: Was ler­nen die Stu­die­ren­den zum Bei­spiel? Wor­auf kön­nen sie sich freu­en?

Felix Woelk: Wir star­ten mit einer Pro­jekt­ar­beit, die die Stu­die­ren­den in allen Kom­pe­tenz­be­rei­chen for­dert und ihnen auf­zeigt, warum es über­haupt wich­tig ist, diese drei Kom­pe­ten­zen zu haben. Das Pro­jekt wird durch die Ring­vor­le­sung „Ele­men­ta­re Tech­ni­ken“ be­glei­tet, bei der Ma­the­ma­tik, Phy­sik und Elek­tro­tech­nik auf dem Plan ste­hen. Kon­kret wird ein Au­to­ro­bo­ter aus Lego ge­baut, der von einem Smart­pho­ne ge­steu­ert wird. Man pro­gram­miert das Auto, macht sich über Lenk­win­kel Ge­dan­ken, ge­stal­tet und pro­gram­miert die Smart­pho­neo­ber­flä­che. Zum Ab­schluss wer­den die Er­geb­nis­se an­spre­chend prä­sen­tiert. Im Stu­di­um wer­den dann die ein­zel­nen As­pek­te aus dem ers­ten Se­mes­ter lau­fend ver­tieft. Ei­ni­ge Mo­du­le sind Elek­tro- und Mess­tech­nik, Pro­gram­mie­ren, De­sign, Da­ten­ban­ken, Tes­ten von Soft­ware, Mar­ke­ting und Pro­dukt-PR, Un­ter­neh­mens­füh­rung und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­ken.

Heidi Kjär: Be­son­ders ist das Modul Vir­tu­al und Aug­men­ted Rea­li­ty, das beide Fach­be­rei­che zu­sam­men leh­ren. Au­ßer­dem kön­nen die Stu­die­ren­den im Stu­di­um häu­fig mit Un­ter­neh­men in Kon­takt tre­ten. Im sechs­ten Se­mes­ter folgt ein Pro­jekt mit einem Un­ter­neh­men, im sieb­ten Se­mes­ter wird ein Prak­ti­kum über zehn Wo­chen ab­sol­viert und die The­sis kann selbst­ver­ständ­lich auch in einem Un­ter­neh­men ge­schrie­ben wer­den. Pra­xis und Stu­di­um müs­sen früh zu­sam­men­ge­bracht wer­den, da man Pro­ble­me eines Un­ter­neh­mens nicht von außen lösen kann. Viel­leicht schi­cken auch ei­ni­ge Un­ter­neh­men Mit­ar­bei­ter/innen ins Stu­di­um, um ihn oder sie da­nach als Me­di­en­in­ge­nieur/in zu be­schäf­ti­gen.

Julia Kö­nigs: Wie viele Plät­ze gibt es pro Se­mes­ter?

Felix Woelk: Es gibt 40 Plät­ze, ver­teilt auf beide Fach­be­rei­che. Ziel ist, dass sich die Stu­die­ren­den in einem Netz­werk or­ga­ni­sie­ren und aus­tau­schen kön­nen.

Heidi Kjär: Muss ich bei­spiels­wei­se einen Film dre­hen, kenne ich je­man­den aus dem Fach­be­reich Me­di­en, der mir hilft. Muss ich etwas pro­gram­mie­ren und habe nur Grund­la­gen­wis­sen, dann hole ich mir je­man­den aus Me­cha­tro­nik, der mir wei­ter­hel­fen kann.

Julia Kö­nigs: Wo kön­nen Me­di­en­in­ge­nieu­re nach dem Ab­schluss ar­bei­ten?

Felix Woelk: Je nach In­ter­es­se. Man kann als klas­si­scher Soft­ware­en­gi­neer ar­bei­ten, in der Da­ten­vi­sua­li­sie­rung ar­bei­ten oder in der Kun­den­be­treu­ung tätig wer­den. An­de­re Be­rufs­fel­der sind Fach- und Füh­rungs­funk­tio­nen in der Wirt­schaft, man kann IT-Lö­sun­gen, Apps und in­ter­net- und hard­ware­na­he An­wen­dun­gen kon­zi­pie­ren und ent­wi­ckeln, Be­ra­tungs­leis­tun­gen an­bie­ten oder sich auch selbst­stän­dig ma­chen.

Heidi Kjär: Eine Me­di­en­in­ge­nieu­rin aus der Schweiz hat zum Bei­spiel bei einer NGO für un­ter­schied­li­che Ak­ti­vi­tä­ten der Or­ga­ni­sa­ti­on eine Platt­form ein­ge­rich­tet, die Ein­satz­plä­ne, In­for­ma­tio­nen und An­sprech­part­ner ver­eint. Mit ihren neuen Kennt­nis­sen kann sie das Un­ter­neh­men er­folg­rei­cher ma­chen und dafür sor­gen, dass der In­ter­es­sen­ver­band welt­weit ope­rie­ren kann. Oder ein Dru­cke­rei­be­trieb be­kommt durch einen Me­di­en­in­ge­nieur ein neues Dis­tri­bu­ti­ons­sys­tem, das nun Auf­ga­ben zu­sam­men­legt, die vor­her se­pa­rat per Hand ge­macht wer­den muss­ten.

Julia Kö­nigs: Haben Sie noch ein paar Tipps oder Rat­schlä­ge für alle In­ter­es­sier­ten?

Heidi Kjär: Immer neu­gie­rig sein und sich jetzt schon an­se­hen, wel­che Ar­beits­fel­der es in die­sem Be­reich gibt und geben wird. Wer nicht stän­dig am Ball bleibt, kann auch nicht als Be­ra­ter in die Zu­kunft schau­en und einem Un­ter­neh­men sagen, wo es hin­ge­hen könn­te. Man soll­te aktiv wer­den, Kon­tak­te su­chen, sich die Mög­lich­kei­ten an­se­hen, zu re­le­van­ten Ver­an­stal­tun­gen gehen und Fra­gen stel­len.

Felix Woelk: Man soll­te be­geis­tert für das Thema sein, ein rich­ti­ger En­thu­si­ast. Es ist auch wich­tig zu wis­sen, was einem Spaß macht. Wenn man nicht nur An­wen­der sein, son­dern Ein­fluss neh­men will, die Tech­nik ver­ste­hen und auch Gren­zen ver­ste­hen will, dann ist man hier rich­tig.

All­ge­mei­ne In­for­ma­tio­nen zur Be­wer­bung

Für den neuen Stu­di­en­gang kön­nen sich alle In­ter­es­sier­ten be­wer­ben, die eine All­ge­mei­ne Hoch­schul­rei­fe (Ab­itur) oder das Fach­ab­itur ab­ge­legt haben, eine all­ge­mei­ne oder fach­ge­bun­de­ne Fach­hoch­schul­rei­fe oder eine er­folg­reich ab­ge­leg­te Meis­ter­prü­fung oder gleich­wer­ti­ge Vor­bil­dung be­sit­zen. Die Be­wer­bungs­frist star­tet im Mai 2018 und endet am 15. Juli.

Nach be­stan­de­ner Ba­chelor­prü­fung er­hal­ten Stu­die­ren­de nach sie­ben Se­mes­tern den Ab­schluss Ba­che­lor of En­gi­nee­ring (B.​Eng.).

Im Vor­feld kön­nen sich alle In­ter­es­sier­ten auf der neuen Platt­form  www.​med​ieng​enie​ur.​de um­se­hen. Hier gibt es alle In­for­ma­tio­nen rund um den Stu­di­en­gang, Links zum Be­wer­bungs­ver­fah­ren und einen Nei­gungs­test, bei dem man her­aus­fin­den kann, ob man zum Stu­di­en­gang passt.

Am 11.04.2018 im Rah­men der Fach­hoch­schul­in­fo­ta­ge (FIT) ver­an­stal­tet die FH einen Rund­gang durch die La­bo­re. Auch bei der dies­jäh­ri­gen Mu­se­ums­nacht und bei der Nacht der Wis­sen­schaft prä­sen­tie­ren die La­bo­re der FH Kiel ihre An­ge­bo­te.

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