Frau im Kunstatelier© A. Die­köt­ter

Mehr als die Zoll­stock­pro­ble­ma­tik

von Julia Plo­the

Was er­war­tet die Be­su­cher in Ihrer Aus­stel­lung ab dem 11. Ok­to­ber im Bun­ker-D?

Die Be­su­cher er­war­ten Ma­le­rei, Hin­ter­glas­ma­le­rei, Licht­bil­der, Licht­ob­jek­te und klei­ne Ob­jek­te. Bei den Licht­ob­jek­ten han­delt es sich um eine von innen her­aus be­leuch­te­te Hin­ter­glas­ma­le­rei. Durch das Spiel von Farbe und Licht schaf­fe ich ver­schie­de­ne Zu­stän­de, die un­ab­hän­gig von­ein­an­der voll­stän­dig sind. Ähn­lich dem Ge­gen­satz von Tag und Nacht: Je nach­dem ob das Licht von außen auf das Ob­jekt fällt oder es von innen her­aus be­leuch­tet ist, tritt etwas an­de­res in den Vor­der­grund; an­de­re Ge­dan­ken, For­men, bild­haf­te Kon­stel­la­tio­nen. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit Ma­le­rei in Bezug auf Licht fas­zi­niert mich. Mein Thema ist immer das Leben als sol­ches - und wie es auf mich wirkt in allen Fa­cet­ten. Meine Ar­beit bie­tet Raum für freie As­so­zia­ti­on.

Was reizt Sie daran, im Bun­ker aus­zu­stel­len - was ist für Sie das Be­son­de­re an die­sem Ort? 

Der Bun­ker bie­tet Räum­lich­kei­ten, die viel Ge­schich­te in sich tra­gen. Die Wand­qua­li­tä­ten, die Far­big­keit des Rau­mes - der Bun­ker an sich ist ein Ort äu­ßers­ter Kon­zen­tra­ti­on. Es ist ein Schutz­raum, der aber auch ganz viel Leid, Schwe­re und Trau­rig­keit auf­ge­nom­men hat. Diese Ge­füh­le, oft ein we­sent­li­cher Teil des Le­bens, sind hier his­to­risch und sym­bo­lisch ge­bor­gen. Kunst da hin­ein zu stel­len, ist be­rei­chernd. 

Kunst auf dem Hoch­schul­cam­pus, was hat das für Sie mit­ein­an­der zu tun? 

Kunst ist immer auch eine exis­ten­zi­el­le Aus­ein­an­der­set­zung. Der Cam­pus als Ort des Stu­die­rens, der neuen Er­kennt­nis­se, Men­schen auf ihrem Er­kennt­nis­weg - das ist ähn­lich zum künst­le­ri­schen Pro­zess. Kunst er­gänzt das weite Feld des Aus­tau­sches, der Aus­ein­an­der­set­zung, der Suche nach Neuem. Genau des­halb ist Kunst auf einem Hoch­schul­cam­pus eine tolle Kom­bi­na­ti­on. Sie ist ein er­wei­tern­der Fak­tor und kann nur be­rei­chernd sein. Sie er­in­nert daran, dass es im Leben um mehr geht als die Zoll­stock­pro­ble­ma­tik, das Ein­mal­eins, das Leis­tungs­stre­ben un­se­rer Tage. Un­se­re Ge­sell­schaft folgt oft dem Glau­ben, es wäre alles mess­bar und aus­tausch­bar: Die Kunst hin­ge­gen er­in­nert ans Sein.

„Kunst hin­ge­gen er­in­nert ans Sein“

Un­mit­tel­bar ist so ein Wort, das zu ihr passt. Ohne, dass sich etwas zwi­schen sie und ihr Ge­gen­über schiebt, teilt sie sich mit, in Wor­ten, Ges­ten, Me­ta­phern. „Ich bin jedes Bild“, sagt Cora Korte, blickt einen offen an und war­tet.

Cora Korte, ge­bo­ren 1961 als eine von drei Schwes­tern in Flens­burg, will schon seit frü­hes­ter Kind­heit Ma­le­rin wer­den. „Aus Grün­den der Ver­nunft“ be­ginnt die junge Frau nach der Schu­le trotz­dem zu­nächst ein Ger­ma­nis­tik- und Kunst­stu­di­um auf Lehr­amt. Im zehn­ten Se­mes­ter bricht sie ab. „Ich habe nur ein Leben, das ist mir da­mals sehr klar ge­wor­den“, sagt Cora Korte. So wid­me­te sich Korte ab 1986 dem Stu­di­um der Frei­en Kunst an der Muthe­si­us-Kunst­hoch­schu­le Kiel. Was ihr dabei hilft, ist die Ver­zah­nung der bei­den Stu­di­en­gän­ge schon vor­her: So ging Cora Korte be­reits als Lehr­amts­an­wär­te­rin in der Kunst­hoch­schu­le ein und aus und stell­te schon 1983 das erste Mal aus. „Cora, das gibst du jetzt ab zur Lan­des­schau“, dräng­te ihr da­ma­li­ger Freund Au­gus­tin Noff­ke, er­in­nert sie sich heute schmun­zelnd.

1990 wird ihr Sohn ge­bo­ren, 1991 be­ginnt sie ihre frei­schaf­fen­de Tä­tig­keit, in einer klei­nen Alt­bau­woh­nung mit Flü­gel­tü­ren. „Das war mein Ate­lier, und der üb­ri­ge Raum das Kin­der­zim­mer mei­nes Soh­nes“, er­zählt Korte.  Ein Sti­pen­di­um nach Den Haag schlägt die junge Mut­ter aus. Ihre Wur­zeln hat die Künst­le­rin auch nach dem Stu­di­um trotz na­tio­na­len Re­nom­mees und in­ter­na­tio­na­ler Aus­stel­lun­gen in Kiel. Seit nun­mehr 25 Jah­ren nutzt sie ihr Ate­lier am Alten Markt, rund zehn Jahre ein Ber­li­ner Zweit­ate­lier in­be­grif­fen. Ihre Mo­ti­vik, ge­gen­ständ­lich und abs­trakt, ist immer Re­sul­tat eines Pro­zes­ses mit dem Leben - und dem Werk an sich. „Das ist wie ein Ge­spräch“, ver­rät Korte: „Die Wir­kung der Farbe, der ge­naue Ver­lauf eines Pin­sel­strichs - das Bild sagt etwas, ich ant­wor­te dar­auf.“ Auf­fäl­lig in Kor­tes Wir­ken ist das Auf­schei­nen hells­ter Ne­on­far­ben. „Das hat für mich etwas Le­ben­di­ges, Le­bens­be­ja­hen­des“, sagt die Künst­le­rin. Das Ne­ga­ti­ve im Leben könne An­lass sein für Zwei­fel und Er­schöp­fung, aber immer schei­ne doch nach sol­chen Pha­sen eine Er­kennt­nis, ein Wach­sen auf. Ohne die dunk­len Fa­cet­ten des Da­seins könne man auch das an­de­re - „das Licht, das Ge­schenk der vie­len stim­mi­gen Mo­men­te“ - nicht in gan­zer Größe wahr­neh­men. „Ich glau­be, Glück ist eine Ent­schei­dung, die immer von innen kom­men muss, die geis­ti­ge Ent­schei­dung jedes Ein­zel­nen“, sagt die Künst­le­rin.

Den ers­ten Licht­kas­ten schafft Cora Korte 1996. Ei­gent­lich kam die Idee aus einer Er­kennt­nis der Kind­heit, er­in­nert sie sich. „Bei den täg­li­chen Au­to­fahr­ten fiel mir immer wie­der auf, wie sehr sich die Ge­dan­ken­welt än­der­te, je nach­dem ob es Tag war oder Nacht. Am Tage war viel zu er­le­di­gen. Nachts, bei Dun­kel­heit, saß ich auf dem Rück­sitz, schau­te her­aus, sah auf von innen be­leuch­te­te Fens­ter, und exis­ten­zi­el­le Fra­gen rück­ten in mein Be­wusst­sein. Sind die Leute hin­ter die­sen Fens­tern glück­lich? Wo er­fah­ren Sie Glück, Schmerz, Un­si­cher­heit? Was treibt sie?“

Ab Mitte der Neun­zi­ger be­gann Korte, auf trans­pa­ren­ten Trä­gern zu ar­bei­ten. Zwei grund­ver­schie­de­ne Zu­stän­de, auf einen Trä­ger zu brin­gen und je nach Be­leuch­tung von außen oder innen an­de­re Wahr­neh­mun­gen zu schaf­fen, war ihr ein An­lie­gen. „Hin­ter dem manch­mal leicht Da­her­kom­men­den ist nicht alles nur leicht, und Kunst darf Fa­cet­ten des gan­zen Le­bens auf­grei­fen“, ist sich Korte si­cher. Das ganze Spek­trum des Da­seins und in­di­vi­du­el­len Er­le­bens sei Teil ihrer Werke.

Der Farb­auf­trag auf nicht­trans­pa­ren­ten Trä­gern, Lein­wän­den etwa, ist be­son­ders: Cora Korte ar­bei­tet hier mit Schleif­ma­schi­ne und trägt immer wie­der Schich­ten von Öl­far­be ab, um dann mit klein- wie groß­for­ma­ti­ger Teil­dar­stel­lung zu ar­bei­ten. Die Mo­ti­ve sind dabei bis­wei­len ge­gen­ständ­lich, manch­mal schwin­gen sie sich auf ins Sym­bo­li­sche. Ihre Ar­bei­ten wir­ken ge­le­gent­lich wie eine Col­la­ge, sind je­doch „immer ge­malt“.

Zu­künf­tig möch­te sie noch mehr bild­haue­risch ar­bei­ten, sagt die Künst­le­rin. Aber die Kunst und das Leben gehen ihren ei­ge­nen Weg, das ist das, was mit­schwingt. Jeder Au­gen­blick ist ein­zig­ar­tig und nicht wie­der­hol­bar – das weiß Cora Korte fest­zu­hal­ten in ihren ver­spiel­ten, bis­wei­len sehr ge­nau­en, nie­mals aber leicht­fer­ti­gen An­sicht­nah­men der Welt.

Julia Plo­the (Team Cam­pus­Kunst)

Die Aus­stel­lung „Tau­send und 1 Nacht“ ist vom 12. Ok­to­ber bis zum 7. No­vem­ber 2018 mitt­wochs wäh­rend der re­gu­lä­ren Öff­nungs­zei­ten im Bun­ker-D der FH Kiel zu sehen. Wei­te­re Ter­mi­ne nach Ver­ein­ba­rung unter: bun­ker-d(at)fh-kiel.de.

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