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„Our Health in Our Hands“: FH-Student arbeitet an Corona-App mit

von Lennard Worobic

In „OHIOH“ werden die meisten zunächst eine falsche Schreibweise vermuten, doch es handelt sich hierbei nicht um den Bundesstaat im Mittleren Westen der USA. Hinter den fünf Buchstaben steckt ein neues Konzept, das zur Bewältigung der Coronakrise beitragen soll. Die mobile Anwendung OHIOH – Our Health In Our Hands – stammt von einem Team aus Studierenden und engagierten Entwickler*innen, die dem Aufruf des FH-Studenten Tjark Ziehm folgten.

An der Fachhochschule Kiel studiert Tjark Ziehm Wirtschaftsinformatik im zweiten Semester. Der 33-jährige ist gelernter Malermeister und kam aufgrund einer Verletzung im Arm zum Studieren, für Zahlen konnte er sich nach eigener Aussage schon immer begeistern. „Ich dachte mir dann: ‚Mach doch etwas, was dir Spaß bereitet‘“, erinnert sich Ziehm. Die Begeisterung für sein Studium nutzt er in der aktuellen Krise: Als Covid-19 sich global ausbreitete, beschloss der FH-Student, dass er einen Beitrag zur Eindämmung des Virus leisten möchte. Aus dieser Motivation entstand die Open Source-App OHIOH. 

Infektionsketten des Coronavirus sind nur noch schwer oder gar nicht mehr nachvollziehbar, hier kommt OHIOH ins Spiel. Die Anwendung bietet ein modernes Corona-Tracking, welches auf sicherer Datenhaltung basiert – die Privatsphäre von Nutzenden wird also nicht verletzt. OHIOH dokumentiert Kontakte im Alltag ganz anonym und warnt den User bei einem potenziellen Infektionsrisiko. In welchem Ausmaß dieser Prozess geschieht, kann jeder und jede persönlich bestimmen. „Du entscheidest, wann du teilst. Du entscheidest, welche Informationen du teilst“, heißt es in einem Erklärvideo auf der OHIOH-Website. Interessierte können sich dort selbst von der Anwendung überzeugen und sie unter „Teste die App“ sogar ausprobieren. „Wir wollen gar keine Datenspeicherung aufbauen, sondern eine Auswertung und Nutzbarkeit“, sagt Tjark Ziehm entschlossen. Die Anwendung richtet sich an alle Altersgruppen und ist in über elf Sprachen verfügbar. So ausgereift das Konzept schon ist, die Idee dafür entstand ganz spontan. 

Grundstein für die Entwicklung der OHIOH-App war der #WirVsVirus -Hackathon der Bundesregierung im März. Laut Prof. Dr. Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, sei das Ziel des Wettbewerbes gewesen, „gemeinsam und kreativ herauszufinden, wie Digitalisierung uns bei der Bewältigung der Krise helfen kann.“ Ziehm und seinem Team öffnete die Aktion viele Türen, dabei hatte der FH-Student zunächst gar nicht geplant mitzumachen. „Eine Freundin hatte mich gefragt, was ich am Wochenende mache“, berichtet Ziehm. Daraus folgte ganz spontan die Teilnahme am Hackathon. „Wir haben uns auf der Homepage registriert und sind dann mehr oder weniger reingestolpert. Anschließend habe ich Rundmails an Kommiliton*innen geschickt.“ Da Tjark Ziehm im Studentenwohnheim in der Nähe der CAU wohnt, konnte er zudem direkten Kontakt zu anderen Studierenden aufnehmen. „Ich habe dann ein paar Freunde aus Pakistan gefragt, und auf einmal wurde daraus eine internationale Geschichte“, erzählt er begeistert, „der Hackathon ist dann mehr oder weniger komplett explodiert.“ Die Bundesregierung habe mit einer Beteiligung von ungefähr 1000 Menschen gerechnet, am Ende wurden mehr als 42.000 Anmeldungen und eine Teilnehmerzahl von über 28.000 verzeichnet. Unter dem Hashtag #WirVsVirus sind im Anschluss so viele Uploads erfolgt, dass YouTube sich bei den Organisatoren des Hackathons meldete, um nach dem Ursprung der Datenmenge zu fragen, berichtet Ziehm. Die Server wurden kurzzeitig sogar lahmgelegt – das interessierte am Ende allerdings keinen mehr, die Veranstaltung war ein voller Erfolg. „Aber jetzt muss es weitergehen. Der Hackathon war erst der Startschuss.“ – diesen Aufruf der Bundesregierung haben sich Tjark Ziehm und die anderen Studierenden zu Herzen genommen, und arbeiten seitdem intensiv am OHIOH-Projekt. Eine Auflistung der Teilnehmenden des Hackathons, die mittlerweile zu Teammitgliedern geworden sind, findet sich auf der OHIOH-Homepage. Aktuell laufe noch die Suche nach Unterstützung von Studierenden aus allen Fachbereichen, so Ziehm. Auch einen Professor möchte das Team für die „Schirmherrschaft“ gewinnen. 

Neben der Arbeit am eigenen Konzept, engagieren sich die OHIOH-Entwickler*innen in der TCN-Coalition, dessen Devise ebenfalls „Flatten the curve“ lautet. Die globale Community wurde erst kürzlich, am 5. April 2020, gegründet. Wissenschaftler*innen, Expert*innen und Epidemiolog*innen arbeiten gemeinsam an "Digital Contact Tracing & Alerting" (DCTA) - einem System, das Infektionsketten nachvollziehen kann und User rechtzeitig informiert bzw. warnt, ohne dabei datenschutzrechtliche Bedingungen zu verletzen. Denn Sicherheit und Privatsphäre der Nutzenden stehen im Vordergrund. TCN ist ein Kürzel für „temporary contact number“, welches bereits die allgemeine Idee beschreibt: Eine anonyme Nummer wird generiert, um Interaktionen zwischen mobilen Endgeräten aufzunehmen, ohne die Geräte dauerhaft zu verfolgen. „TCN war auch schon in der amerikanischen Presse, das Wallstreet Journal und Wired haben darüber berichtet, mit Apple und Google stehen wir auch in Kontakt“, erzählt Ziehm von der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Der Gedanke der Datensicherheit solle bei dem Projekt weiterhin ein besonderer Fokus zukommen. Die Ausgangslage ist vielversprechend, zumal das Team aus erfahrenen Mitgliedern besteht – Harper Reed etwa, der 2012 als „Chief Technology Officer“ die Wahl-Kampagne für Präsident Barack Obama organisierte, gehört der Community an. 

Zurzeit sind Corona-Apps, die ein Tracking ermöglichen, im App Store und bei Google Play noch nicht freigegeben, doch das könnte sich schon bald ändern. Auf das OHIOH-Team rund um Tjark Ziehm warten spannende Zeiten. Interessierte, die Teil des Projekts werden wollen, können sich unter kontakt@ohioh.de melden. Da sich zurzeit keine klare Aussage über die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie treffen lässt, läuft die Arbeit an Konzepten, die zur Eindämmung führen, auf Hochtouren. Auch Tjark Ziehm denkt stetig voraus, um OHIOH zu optimieren. Die Webseite wird derzeit überarbeitet, der Kontakt mit TCN-Mitgliedern kontinuierlich gepflegt, zudem erfolgen Gespräche mit potenziellen Kooperationspartnern. OHIOH steht in den Startlöchern – bereit, der Krise den Kampf anzusagen. 

© Fachhochschule Kiel