Eine Frau in grünem Pullover sitzt vor ihrem Laptop und berührt mit den Händen, ein davor geschaltetes Gerät.© J. Con­rad
Ninja Spiel­berg stu­diert mit Seh­be­hin­de­rung.

Stu­die­ren mit Seh­be­hin­de­rung

von viel.-Re­dak­ti­on

„Als Kind konn­te ich ir­gend­wann die Tiere im Zoo nicht mehr sehen”, er­in­nert sich Ninja Spiel­berg. Die ge­bür­ti­ge Nord­deut­sche hatte be­reits mit vier Jah­ren Pro­ble­me mit ihrer Seh­stär­ke und ist seit ei­ni­gen Jah­ren kom­plett er­blin­det. Das hält sie je­doch nicht davon ab, ins Kino zu gehen, Sport zu ma­chen – und so­zia­le Ar­beit zu stu­die­ren. Mit Es­ther Ma­ra­ke aus der viel.-Re­dak­ti­on hat sie an­läss­lich des Tags der Seh­be­hin­de­rung über ihren Stu­di­en­all­tag an der Fach­hoch­schu­le Kiel und vie­les mehr ge­spro­chen.

Wäh­rend ihre Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen Zet­tel und Stift ein­pack­ten, be­waff­ne­te Ninja Spiel­berg sich in den letz­ten Jah­ren mor­gens mit Lap­top plus Vor­le­se­pro­gramm und einem Gerät für Blin­den­schrift. Nach dem Ab­itur in Flens­burg woll­te sie in Kiel stu­die­ren und ent­schied sich nach rei­fer Über­le­gung und einer Vor­le­sung als Gast­hö­re­rin für So­zia­le Ar­beit an der FH Kiel. „Ich fand es total span­nend, weil das Stu­di­um so breit ge­fä­chert ist”, er­zählt sie. Als Schwer­punk­te wähl­te sie So­zia­le Hilfe sowie Re­ha­bi­li­ta­ti­on und Ge­sund­heit. Mitt­ler­wei­le schreibt die 23-Jäh­ri­ge an ihrer Ba­che­lor­the­sis, in der sie sich mit Ro­bo­tik in der Ar­beit mit de­menz­kran­ken Men­schen be­schäf­tigt.

Der Stu­di­en­all­tag war für die Kie­le­rin nicht immer leicht. Vom West­ufer aus fuhr sie bis vor kur­zem re­gel­mä­ßig mit dem Bus zur Fach­hoch­schu­le. Eine be­son­de­re Her­aus­for­de­rung dabei waren die Kreu­zun­gen vor ihrer Tür: „Es gibt dort keine Am­peln mit Si­gna­len für Blin­de. Das be­deu­tet, ich muss mich am Ver­kehr ori­en­tie­ren”, er­klärt sie. Auch die Bus­fahrt for­der­te ei­ni­ges an Kon­zen­tra­ti­on, wes­halb sie so oft wie mög­lich mit ihrem Freund oder Be­kann­ten von der Fach­hoch­schu­le zu­sam­men fuhr. Alle Wege zur FH und auf dem Ge­län­de selbst hat sie vor­her mit einer Mo­bi­li­täts­trai­ne­rin geübt. Trotz­dem muss Ninja Spiel­berg jede Mi­nu­te auf­pas­sen. „Ich stehe prak­tisch den gan­zen Tag unter Dau­er­kon­zen­tra­ti­on.”

In Ver­an­stal­tun­gen schreibt die Stu­den­tin nach Gehör mit. Zu Be­ginn des Stu­di­ums in­for­mier­te sie alle Leh­ren­den über ihre Seh­be­hin­de­rung, den­noch nah­men nicht alle Rück­sicht dar­auf. Um aus­ge­teil­te Zet­tel oder Skrip­te und auch No­ti­zen von der Tafel muss Ninja sich selbst küm­mern. Eine Stu­di­en­as­sis­tenz hilft ihr dabei, die zu­sätz­li­che Ar­beit zu be­wäl­ti­gen. Man müsse sich selbst schon sehr rein­hän­gen, er­klärt sie. Auch bei Prü­fun­gen gab es oft Pro­ble­me, wes­halb sich Ninja Spiel­berg mehr Di­gi­ta­li­sie­rung wünscht: „Es wäre toll, wenn mehr Skrip­te oder Li­te­ra­tur auch di­gi­tal zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den wür­den. Das könn­te allen Stu­die­ren­den wei­ter­hel­fen, ob mit oder ohne Be­hin­de­rung”.

Was ihr be­son­ders gut ge­fällt, ist die Hilfs­be­reit­schaft ihrer Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen. Auch die Kom­mu­ni­ka­ti­on lief immer gut, nicht zu­letzt, weil sie nie einen Hehl aus ihrer Seh­be­hin­de­rung ge­macht hat. „Ich bin in Grup­pen­ar­bei­ten oft hin­ge­gan­gen und habe ein­fach ge­sagt ‘Hallo, ich kann nicht sehen, also kommt doch bitte ein­fach auf mich zu.’ Das hat auf bei­den Sei­ten die Be­rüh­rungs­ängs­te ge­nom­men”, er­in­nert sich die 23-Jäh­ri­ge.

Dass sie nicht sehen kann, hält Ninja Spiel­berg nicht davon ab, das Leben aus­zu­kos­ten. In ihrer Frei­zeit tanzt sie Stan­dard und La­tein seit etwa sie­ben Jah­ren, hat Ge­sangs- und Reit­un­ter­richt ge­nom­men und ge­ra­de erst mit Goal­ball an­ge­fan­gen. „Das ist ein ganz neues Pro­jekt beim TUS Hol­ten­au hier in Kiel und end­lich ein Sport, der auch für Blin­de ge­eig­net ist.” Beim Goal­ball wer­den allen Spie­le­rin­nen und Spie­lern die Augen ver­bun­den, und nur durch Ge­räu­sche, die der Ball ab­gibt, wis­sen die Spie­len­den, die ihn ins Tor be­för­dern müs­sen, wo er ist.

Nach dem Stu­di­um möch­te sie ein Pra­xis­jahr in Flens­burg ab­sol­vie­ren, um ihre staat­li­che An­er­ken­nung zu be­kom­men und spä­ter in der Schul­so­zi­al­ar­beit, dem Kran­ken­haus­so­zi­al­dienst oder in Fa­mi­li­en­be­ra­tungs­stel­len ar­bei­ten zu kön­nen.

An der Fach­hoch­schu­le Kiel hat Ninja Spiel­berg an einem Pro­jekt mit­ge­wirkt, um die Braille­schrift in den Räum­lich­kei­ten zu ver­bes­sern. Was genau sie dort ge­macht hat, könnt ihr in der neuen viel.-Aus­ga­be nach­le­sen, die am 6. Juni er­scheint.

Es­ther Ma­ra­ke

© Fach­hoch­schu­le Kiel