Thandwa S. Dlamini© Pri­vat

Vir­tu­el­le Mo­bi­li­tät mit Eras­mus: Von Süd­afri­ka ins On­line-Modul an der FH Kiel

von Leon Gehde

Thand­wa S. Dla­mi­ni stu­diert Gen­der Stu­dies im Mas­ter an der Uni­ver­si­ty of Pre­to­ria in Süd­afri­ka. Für ihr Modul „So­ci­al Work“, also So­zia­le Ar­beit, wurde die 23-Jäh­ri­ge von ihrer Hoch­schu­le für ein Aus­tausch­pro­gram mit der FH Kiel aus­ge­wählt. Beide Hoch­schu­len ko­ope­rie­ren mit­ein­an­der. Thand­wa ent­schied sie sich, die Chan­ce zu nut­zen und wurde von der FH Kiel an­ge­nom­men. Fi­nan­zi­ell un­ter­stützt wer­den Stu­die­ren­de des Pro­jekts von dem För­der­pro­gramm der EU Eras­mus+. Zum Zeit­punkt der Be­stä­ti­gung rech­ne­te sie damit, tat­säch­lich nach Deutsch­land zu rei­sen. Doch durch In­kraft­tre­ten pan­de­mie­be­ding­ter Ein­rei­se­re­strik­tio­nen von Eu­ro­päi­scher Union und Bun­des­re­pu­blik trifft sie ihre deut­schen Kom­mi­li­ton*innen nur in Video-Kon­fe­ren­zen.

Vor dem ge­plan­ten Rei­se­an­tritt hatte sie die Hoff­nung, dass die deut­sche Bot­schaft in Süd­afri­ka noch eine Re­ge­lung für sie fin­den könne. „Lei­der wurde die Aus­nah­me, die ei­gent­lich von der EU und der deut­schen Bot­schaft für Stu­die­ren­de ge­macht wer­den soll­te, nicht er­teilt. Ei­ni­ge Stu­die­ren­de aus an­de­ren Tei­len Afri­kas und Asi­ens er­hiel­ten keine Visa oder konn­ten aus ihrem Hei­mat­land nicht aus­rei­sen. Ich fand es sehr ver­wun­der­lich, dass die stren­gen, wegen COVID-19 ein­ge­führ­ten Ein­rei­se­bar­rie­ren je nach Her­kunfts­land un­ter­schied­lich zu sein schie­nen“, sagt sie. Somit ent­fiel die real statt­fin­den­de Teil­nah­me am Modul „So­zia­le Ar­beit und Ge­sund­heit“ an der Ost­see­küs­te.

Sie sei aber sehr froh, dass sie sich dafür ent­schie­den hat, den Aus­lands­kurs trotz­dem, nur eben on­line, zu be­le­gen. Auf der an­de­ren Seite be­daue­re sie, die Men­schen, die sie nun über Video ken­nen­ge­lernt hat, nicht per­sön­lich tref­fen zu kön­nen. „Nicht nur das! Ich hätte sehr gerne Deutsch­land ken­nen­ge­lernt. Deut­sche Kul­tur, deut­sche Küche und na­tür­lich die Men­schen in Deutsch­land. Au­ßer­dem hatte ich ge­hofft, dass der Som­mer dort bes­ser ist als unser Win­ter“, sagt die auf der Süd­halb­ku­gel le­ben­de Stu­den­tin. Wäh­rend in Süd­afri­ka nun der Win­ter be­ginnt, hätte sie in Kiel Früh­ling und Som­mer­an­fang mit­er­lebt. Sie müsse sich nun, da sie zu­hau­se blei­be, in dicke Kla­mot­ten ein­pa­cken, drau­ßen seien grade mal 20°C. Für die Süd­afri­ka­ne­rin sind das wohl win­ter­li­che Tem­pe­ra­tu­ren.

„Es ist super in­ter­es­sant, sich mit deut­schen Stu­die­ren­den aus­zu­tau­schen, wie deren und Süd­afri­kas So­zi­al­staat funk­tio­niert“, er­klärt die ge­bür­tig aus Swa­si­land stam­men­de Stu­den­tin. Über ein Stu­di­en-Visum ist sie nach der Schu­le nach Pre­to­ria ge­kom­men. Am meis­ten habe sie ver­wun­dert, dass das „eu­ro­päi­sche Sys­tem mit der Mi­gra­ti­on stel­len­wei­se über­for­dert scheint. Wenn man un­se­re Me­di­en an­schaut, hat man den Ein­druck, dass in Eu­ro­pa alles ef­fi­zi­ent funk­tio­niert“, er­läu­tert sie ihre Ver­wun­de­rung.

Als Stu­die­ren­de der Gen­der Stu­dies in­ter­es­siert Thand­wa be­son­ders, in­wie­fern sich die Si­tua­tio­nen zwi­schen den Ge­schlech­tern in den ver­schie­de­nen Län­dern un­ter­schei­den. „Bei uns in Süd­afri­ka haben wir mit täg­lich ge­sche­hen­den Frau­en­mor­den eine wei­te­re Pan­de­mie. Und die pas­sie­ren nicht nur im häus­li­chen Be­reich. Zudem hat sich die Un­ter­drü­ckung der Frau­en in Pfle­ge­be­ru­fen in­ten­si­viert“, schil­dert sie die Lage in ihrer Wahl­hei­mat. Die süd­afri­ka­ni­sche Re­gie­rung tue da­ge­gen viel zu wenig. „Auch in Eu­ro­pa gibt es Pro­ble­me, was sehr in­ter­es­sant war, fest­zu­stel­len“, sagt sie und be­nennt Ge­walt- und Be­nach­tei­li­gungs­er­fah­run­gen von Frau­en. Auch gäbe es nicht ge­nü­gend öf­fent­li­che Struk­tu­ren für nicht-binär Ge­schlecht­li­che.

On­line-Mee­tings bei­zu­woh­nen, kann in Süd­afri­ka häu­fig mit Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den sein. „Wir haben hier das Pro­blem, dass manch­mal das In­ter­net in gan­zen Sied­lun­gen weg­bricht.“ Das wäre schon vor Co­ro­na so ge­we­sen, aber mit den gan­zen im Ho­me­of­fice ar­bei­ten­den Stu­die­ren­den und An­ge­stell­ten sei das Ganze noch schlim­mer ge­wor­den. „Man lernt mit der Zeit, sehr ge­dul­dig mit der Ver­bin­dung zu sein“, sagt die Stu­den­tin und lacht.

Doch es sind vor allem die Kos­ten für eine In­ter­net­flat­rate, die Pro­ble­me be­rei­ten. „Um von Zu­hau­se ar­bei­ten zu kön­nen, braucht man eine Flat­rate mit un­be­grenz­tem Da­ten­vo­lu­men“, so Thand­wa. „Eine sol­che Ver­bin­dung kos­tet bis zu 5000 süd­afri­ka­ni­sche Rand“, was um­ge­rech­net um die 300€ sind. Bei einem Durch­schnitts­ver­dienst von mo­nat­lich 255€ ist das ein bi­zarr hoher Kos­ten­auf­wand. „Damit ist das ein so­zia­les Pro­blem“, stellt Thand­wa fest. An On­line-Mee­tings teil­zu­neh­men sei wegen der Kos­ten eine große Her­aus­for­de­rung, ob­wohl ge­ra­de das zur­zeit als Grund­be­dürf­nis be­trach­tet wer­den soll­te.

„Ir­gend­wann in der Zu­kunft, hole ich die Reise nach Kiel nach, um alle Men­schen, die ich ken­nen­ge­lernt habe, per­sön­lich zu sehen und deren Hei­mat­land“, hofft sie und freut sich auf ein rea­les Tref­fen mit ihren neuen Be­kannt­schaf­ten.

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