Prof. Dr. Julia Stehmann auf dem Senatsflur der FH Kiel © A. Diekötter

Wie wird man eigentlich Professor*in: Dr. Julia Stehmann

von Ann-Christin Wimber

Seit gut zwei Jahren ist Dr. Julia Stehmann als Professorin für Marketing und Statistik an der FH Kiel tätig. Wichtig ist ihr dabei, gemeinsam mit ihren Studierenden innovative Methoden anzuwenden und eine lebendige, praxisnahe Lehre anzubieten, die Spaß macht.

Die Professorin für Statistik und Marketing ist eine sehr private Person. In ihrem Büro im dritten Stock des markanten Hochhauses mit der Sternwarte auf dem Dach stehen weder Pflanzen noch Bilder, Karten oder andere persönliche Gegenstände.

Dabei ist Julia Stehmann eine einnehmende, sympathische Persönlichkeit. Sie lächelt viel, erzählt gerne - wenn auch zurückhaltend - und ist vor allem eines: eine leidenschaftliche und engagierte Dozentin.

Eigentlich wollte Julia Stehmann Gymnasiallehrerin werden und Französisch und Geografie unterrichten. Doch dann überzeugte sie der Studiengang International Management an der Universität Flensburg mit Sprachschwerpunkt Spanisch. „Ich wollte eine internationale wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung machen und unterwegs sein“, erinnert sie sich. Mit diesem Studienfach gelang das: Stehmann ging für ein Auslandssemester nach Indonesien an den European Overseas Campus Bali und absolvierte ein Praktikum in Spanien.

Von der Uni zur Industrie zur Promotion

2010 schloss die gebürtige Eckernförderin ihr Bachelorstudium ab. Für den Master zog sie anschließend nach Göttingen. In ihrer Thesis befasste sie sich mit der Rolle von Stadtwerke-Kooperationen und deren Erfolgsfaktoren, die sie anhand von Experteninterviews analysierte. „Göttingen ist wirklich eine tolle Stadt für junge Leute, denn fast jeder Vierte studiert dort. Als begeisterte Rennradfahrerin und Naturliebhaberin hat mich die Nähe zum Harz sehr gereizt“, erzählt Stehmann. Zwei Jahre später hielt sie ihr Abschlusszeugnis im Bereich Unternehmensführung von der Georg-August-Universität Göttingen in der Hand. „Der Aufenthalt in Göttingen war von Anfang an nur für die Dauer des Studiums geplant, und so zog es mich als Nordlicht nach dem Abschluss zurück in den Norden – genauer gesagt nach Hamburg, wo ich die letzten zwölf Jahre gelebt habe.“ Es folgte ein Ausflug in die Industrie. Beim Maschinenhersteller Getriebebau Nord GmbH in Bargteheide war sie für den strategischen Einkauf zuständig. „Doch nach zwei Jahren merkte ich, dass ich mehr wollte: mehr Wissen, mehr Forschung, mehr Einblicke.“ Sie wollte promovieren und landete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing & Customer Insight an der Universität Hamburg. „An der Universität Hamburg habe ich verschiedene Forschungsprojekte im Bereich des Konsumentenverhaltens durchgeführt. Außerdem hat mir die Lehre sehr viel Spaß gemacht.“ So viel Spaß, dass sie anfing, nebenberuflich als Dozentin an der International School of Management in Hamburg Marketing und Statistik zu unterrichten. „Das war ein guter Ausgleich zur theoretischen Arbeit und zu meiner Promotion.“ Auch Auslandsaufenthalte gehörten zu dieser Phase ihres Lebens, unter anderem in den USA. „Ich hatte das Privileg, an einer Summer School an der renommierten University of Michigan in den USA teilzunehmen. Dort konnte ich meine Kenntnisse in statistischen Analyseverfahren vertiefen und wertvolle Kontakte zu internationalen Forschenden knüpfen, die bis heute bestehen.“

Stehmann schloss Anfang 2020 ihre Promotion erfolgreich ab. Bereits im Vorjahr hatte sie einen Arbeitsvertrag bei Tchibo unterschrieben. Passend zu ihrem Forschungsschwerpunkt war sie dort für die Kundenzufriedenheit zuständig. Ein Job, der ihr gefiel, weil sie das Gelernte gleich in die Praxis umsetzen konnte. „Wir haben Umfragen gemacht, Marktforschung betrieben und die Ergebnisse gleich wieder in kundenzentrierte Strategien und Prozesse zurückgespielt –  das war genau mein Ding.“ Doch etwas fehlte: die Lehre. „Als ich die Ausschreibung der FH Kiel für die Professur Marketing und Statistik sah, dachte ich: Das passt wie die Faust aufs Auge, da muss ich mich bewerben!“ So kam es nach zwei Jahren erneut zu einer beruflichen Wende in Stehmanns Leben: Mit 34 Jahren erhielt sie die Professur an der Fachhochschule Kiel.

Auszeit und Ausblick

Bevor sie in Kiel anfing, nahm sie sich ein halbes Jahr Auszeit und reiste mit einem Van von Kanada nach Patagonien. „Aus dieser Erfahrung heraus kann ich jedem empfehlen, sich die Freiheit für eine Zeit im Ausland zu gönnen, sei es für ein Auslandssemester, ein Praktikum, ein Volontariat, eine Weiterbildung oder ähnliches ­– es schärft den Blick für das Wesentliche und erweitert den Horizont“, betont die Professorin.

Inzwischen ist sie das vierte Semester an der FH Kiel. „Ich finde es toll, mit einer relativ kleinen Gruppe von Studierenden zu arbeiten und interaktive Methoden anwenden zu können“, sagt sie. Besonders beeindruckt ist die Dozentin davon, dass ihre Studierenden gerne und viel fragen. „Eine solche Diskussionsfreude habe ich an anderen Hochschulen noch nicht erlebt“. Auch die Projektorientierung der Fachhochschule Kiel begeistert Stehmann, die sich bei dem Modul für Gründungsideen „Capstone 1“ und dem interdisziplinären Modul „Studieren unter Segeln“ engagiert. „Die praktische Anwendung macht die Theorie für die Studierenden greifbar“, sagt Stehmann. Für das aktuelle Semester konnte Stehmann verschiedene Praxispartner aus der Kieler Region für Projekte mit Studierenden gewinnen.

Als es darum geht, wo sich Stehmann in ein paar Jahren sieht, wird sie wieder zurückhaltend. Gerade erst ist sie mit ihrem Lebensgefährten aus Hamburg nach Kiel gezogen - ein Orts- und Jobwechsel ist in absehbarer Zeit also nicht geplant. „An der Lehre hängt mein Herz“, lächelt Stehmann, der die stetige Weiterentwicklung wichtig ist. Jetzt steht erst einmal die Verwirklichung eines Experimentallabors an. Hier sollen den Studierenden in naher Zukunft moderne Marktforschungsmethoden zur Verfügung stehen, zum Beispiel ein Eyetracker zur optimalen Analyse von Designs, Logos und allem, was Menschen anschauen. Das Gerät zeichnet auf, was, wann und wie lange angeschaut wird. Daraus lassen sich mögliche Verbesserungen ableiten.

Immer „etwas Frisches und Neues anbieten zu können“ – das ist Prof. Dr. Stehmann wichtig. Damit ist sie am Fachbereich Wirtschaft an der FH Kiel auf jeden Fall gut aufgehoben.

© Fachhochschule Kiel