Prof. Dr. Tobias Hochscherf© A. Die­köt­ter

Wir sind Teil einer welt­wei­ten Wis­sen­schafts-Com­mu­ni­ty

von Frie­de­ri­ke Hil­ler

Seit Sep­tem­ber 2020 ist Prof. Dr. To­bi­as Hoch­scherf als Vi­ze­prä­si­dent für In­ter­na­tio­na­li­sie­rung im Prä­si­di­um der FH Kiel aktiv. Warum ihm die­ses Thema wich­tig ist, wel­che Ziele er dabei für die Hoch­schu­le an­steu­ert und wel­che Mög­lich­kei­ten sich dar­aus für die Stu­die­ren­den er­ge­ben – das er­klärt er im In­ter­view mit Frie­de­ri­ke Hil­ler.

Herr Prof. Dr. To­bi­as Hoch­scherf, Sie ste­hen als Vi­ze­prä­si­dent der Fach­hoch­schu­le Kiel unter an­de­rem für den Schwer­punkt In­ter­na­tio­na­li­sie­rung. Was macht In­ter­na­tio­na­li­sie­rung für Sie aus?

Ich habe in mei­nem Wer­de­gang Aus­lands­er­fah­run­gen viel zu ver­dan­ken. Ich bin in Ham­burg auf­ge­wach­sen, dann nach Kiel ge­kom­men, war aber im Stu­di­um schon ein Jahr als Leh­rer in Großbri­tan­ni­en tätig und habe dort in West York­shire an zwei Schu­len un­ter­rich­tet. Spä­ter war ich län­ge­re Zeit in den USA (Ka­li­for­ni­en) und dann in Großbri­tan­ni­en. In Großbri­tan­ni­en war ich fast acht Jahre, wurde dort pro­mo­viert und habe dort ge­ar­bei­tet, so­wohl mit einer Firma als auch an Uni­ver­si­tä­ten. Wenn ich das ins­ge­samt zu­sam­men­rech­ne, war ich über zehn Jahre mei­nes Le­bens im eng­lisch­spra­chi­gen Aus­land. Das hat mich na­tür­lich ge­prägt.

In­ter­na­tio­na­li­sie­rung ist so ein schö­ner Be­reich, der mit mei­nen an­de­ren Auf­ga­ben als Vi­ze­prä­si­dent wie Di­ver­si­tät, Gleich­stel­lung, aber auch For­schung und Wis­sens­trans­fer ein­her­geht. Es ist ein Quer­schnitts­the­ma: ohne In­ter­na­tio­na­li­sie­rung gibt es kaum span­nen­de For­schungs­pro­jek­te, und ohne In­ter­na­tio­na­li­sie­rung ler­nen wir an­de­re auch nicht als Be­rei­che­rung ken­nen.

Auf wel­che Art und Weise hat Sie Ihre Zeit im Aus­land ge­prägt?

Eine Sache, die man immer durch diese Aus­lands­tä­tig­kei­ten lernt, ist, das ei­ge­ne, was man aus Deutsch­land kennt, zu hin­ter­fra­gen. Ich zehre immer noch von der Zeit in Großbri­tan­ni­en: wie dort Hoch­schu­le funk­tio­niert, wie dort Wis­sen­schafts­ma­nage­ment, For­schung und Trans­fer funk­tio­nie­ren. Für meine Tä­tig­keit als Pro­fes­sor hat mich be­son­ders der Aus­tausch, den wir mit Volda in Nor­we­gen pfle­gen, ge­prägt. Ich bin in den letz­ten Jah­ren immer für etwa eine Woche in Volda ge­we­sen, um dort zu leh­ren und über For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten zu spre­chen. Wir hat­ten auch schon Pro­fes­so­ren aus Volda bei uns, und das hat die Stu­di­en­gän­ge in Kiel be­ein­flusst, ja be­rei­chert. Ich komme aus dem Fach­be­reich Me­di­en, und die Me­di­en-Bran­che selbst kann ohne in­ter­na­tio­na­le Sprach- und kul­tu­rel­le Kom­pe­ten­zen nicht funk­tio­nie­ren. Aber auf un­ter­schied­li­che Art und Weise gilt das ja für fast alle Fach­be­rei­che.

Kön­nen Sie Bei­spie­le nen­nen?

In­no­va­tio­nen und neue Ver­fah­ren in der Land­wirt­schaft wer­den nicht nur hier­zu­lan­de ein­ge­setzt, wich­ti­ge Pa­ten­te und Er­kennt­nis­se wer­den im Aus­land ge­won­nen, und in den tech­ni­schen Be­rei­chen ist die Lin­gua fran­ca ganz klar Eng­lisch. Na­tür­lich sind wir eine Hoch­schu­le, die re­gio­nal ver­an­kert ist, aber ohne die in­ter­na­tio­na­len Be­zie­hun­gen ist das Ganze re­la­tiv ein­sei­tig und ei­gent­lich auch nicht rich­tig aka­de­misch. Denn die Wis­sen­schaft dreht sich nicht um uns, son­dern wir sind Teil einer welt­wei­ten Wis­sen­schafts-Com­mu­ni­ty, und da sind in­ter­na­tio­na­le Kon­tak­te zen­tral.

In­ner­halb des in­ter­na­tio­na­len Wis­sen­schafts­netz­werks, wie gut ist die FH Kiel ein­ge­bun­den?

Das kommt ganz dar­auf an, wel­che Be­rei­che wir be­trach­ten. Das In­ter­na­tio­nal Of­fice, das Stu­di­en­kol­leg und das Zen­trum für Spra­chen und In­ter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz leis­ten her­vor­ra­gen­de Ar­beit. Und auch viele Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen reden nicht nur über In­ter­na­tio­na­li­sie­rung, sie leben sie.

Aber na­tür­lich stimmt auch, dass wir in Bezug auf ei­ni­ge As­pek­te noch am An­fang ste­hen. Wir haben jetzt das erste Mal eine In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie, die An­fang De­zem­ber durch den Senat ge­gan­gen ist. Dass wir das nun schnell auf die Beine brin­gen, dafür bin ich als Vi­ze­prä­si­dent an­ge­tre­ten – ich konn­te aber auch auf die gute Vor­ar­beit mei­nes Vor­gän­gers Prof. Dr. Klaus Le­bert und den Bei­rat für In­ter­na­tio­na­les auf­bau­en. Jetzt haben wir eine Grund­la­ge, um stra­te­gi­scher vor­zu­ge­hen.

Jetzt geht es prin­zi­pi­ell darum, dass wir be­stehen­de Part­ner­schaf­ten über­prü­fen und neue stär­ker an un­se­ren Zie­len aus­rich­ten. Pas­sen un­se­re Aus­lands­kon­tak­te noch zu uns? Wer­den sie aktiv ge­lebt? Bie­ten sie po­si­ti­ve Im­pul­se für un­se­re Ar­beit, für die Stu­die­ren­den? Hier zie­hen die Fach­be­rei­che, das Prä­si­di­um, die zen­tra­len Ein­rich­tun­gen und die Ver­wal­tung an einem Strang. Ich bin davon über­zeugt, dass in allen Fach­be­rei­chen ganz viel mit In­ter­na­tio­na­li­tät ver­bun­den wird, aber eben un­ter­schied­lich. Das zu­sam­men­zu­brin­gen hat daher lange ge­dau­ert, und jetzt sind wir mit der In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie so­weit, dass wir all­ge­mei­ne Ziele for­mu­lie­ren kön­nen.

War es das Ziel, bei der In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie alle Fach­be­rei­che unter einen Hut zu be­kom­men?

Das ist ein sehr schwie­ri­ges Feld. Auf der einen Seite muss es na­tür­lich so sein, dass sich alle wie­der­fin­den. Trotz­dem müs­sen die Ziele auch am­bi­tio­niert sein. Ich kann nicht nur auf­schrei­ben, was alle immer schon ge­macht haben. Und die­ser Spa­gat ist uns, glau­be ich, ge­lun­gen. Die ei­gent­li­chen, wirk­lich kon­kre­ten Ziele wer­den na­tür­lich immer in den Ziel­ver­ein­ba­run­gen mit dem Prä­si­di­um ge­schlos­sen – also zwi­schen Fach­be­rei­chen, zen­tra­len Ein­rich­tun­gen und dem Prä­si­di­um. Da wird es dann noch kon­kre­ter. Ich weiß, das, was für ei­ni­ge Fach­be­rei­che selbst­ver­ständ­lich klingt, für an­de­re even­tu­ell sehr am­bi­tio­niert ist, und das müs­sen wir immer im Blick haben. Ge­ne­rell müs­sen alle Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit eines Aus­tausch­se­mes­ters haben – ganz gleich in wel­chem Stu­di­en­gang sie stu­die­ren, und die­je­ni­gen, die hier blei­ben wol­len, sol­len in­ter­na­tio­na­le In­hal­te und Sicht­wei­sen auch bei uns ken­nen­ler­nen dür­fen. Ein ganz kla­res Ziel ist daher, dass alle Fach­be­rei­che mehr Mög­lich­kei­ten zur In­ter­na­tio­na­li­sie­rung haben. Und des­halb freue ich mich auch, dass die erste Maß­nah­me ei­gent­lich schon eta­bliert ist, näm­lich das Gast­pro­fes­sor*innen-Pro­gramm.

Was be­inhal­tet das Gast­pro­fes­sor*innen-Pro­gramm?

Wir haben be­schlos­sen, dass jeder Fach­be­reich eine Gast­pro­fes­sur ein Se­mes­ter oder ein Jahr be­set­zen kann und zwar mit Per­so­nen, die im Aus­land bei einer un­se­rer Gast­hoch­schu­len eine Pro­fes­sur be­klei­den. Die kom­men zu uns, und da­durch er­hof­fen wir uns, dass ganz viele neue Per­spek­ti­ven er­öff­net wer­den. „Stu­dents fol­low staff“ ist eine ge­ne­rel­le Er­kennt­nis, die auch an­de­re Hoch­schu­len im In- und Aus­land er­kannt haben. Das beste Port­fo­lio nützt nichts, wenn kei­ner der Pro­fes­sor*innen oder Do­zie­ren­den auch mal da war und aus dem Aus­land be­rich­tet und sagt „Ich war da, und ich war will­kom­men. Ich kann das nur emp­feh­len“. Denn vom Ka­ta­log den Schritt ins Aus­land zu gehen, das ma­chen nur we­ni­ge. Des­halb ist un­se­re Hoff­nung, dass wenn an den Fach­be­rei­chen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus dem Aus­land leh­ren und die Stu­die­ren­den diese ken­nen­ler­nen und be­fra­gen, sie die bes­ten Bot­schaf­ter ihrer Hoch­schu­len sind, und dar­über wer­den wir ganz viel er­rei­chen. Und das ist nur ein klei­nes Mo­sa­ik­stein­chen, aber ein ganz wich­ti­ger An­fang. Ich habe da schon sehr schö­ne Ideen ge­hört, wie man das fül­len kann, auch ganz stra­te­gisch mit For­schungs­ko­ope­ra­tio­nen.

Der zwei­te wich­ti­ge Punkt ist, dass jeder Fach­be­reich Part­ner­hoch­schu­len hat, mit denen Aus­tausch ge­lebt wird. Das be­deu­tet, dass man auch den aus­län­di­schen Stu­die­ren­den, die zu uns kom­men, ein ad­äqua­tes An­ge­bot an sinn­vol­len Mo­du­len bie­tet. Und da sind ei­ni­ge Fach­be­rei­che schon sehr weit, ei­ni­ge Fach­be­rei­che ent­wi­ckeln das, und wir un­ter­stüt­zen sie dabei, das um­zu­set­zen, ins­be­son­de­re mit dem Pro­jekt „HAW.​Int​erna​tion​al“, das wir vom Deut­schen Aka­de­mi­schen Aus­lands­dienst (DAAD) mit sehr gro­ß­zü­gi­gen Fi­nanz- und Per­so­nal­mit­teln an die Hoch­schu­le be­kom­men haben.

Wie wich­tig ist das För­der­pro­gramm „HAW.​Int​erna​tion​al“ für die Hoch­schu­le?

Es ist sehr wich­tig, weil wir einen fes­ten Fi­nanz­rah­men haben, und der er­laubt uns, die in­ter­na­tio­na­len Tä­tig­kei­ten, die wir ma­chen, um­zu­set­zen. Aber im All­tag bleibt zu wenig Zeit für die kon­se­quen­te stra­te­gi­sche Wei­ter­ent­wick­lung. Also zum Bei­spiel die In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie über­set­zen zu las­sen, die Maß­nah­men der In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­te­gie für Fach­be­rei­che als eine Art Ser­vice um­zu­set­zen, um zu gu­cken, ob das, was sie sich aus­ge­dacht haben, funk­tio­niert, ohne dass der Fach­be­reich dafür fi­nan­zi­ell ge­ra­de­ste­hen muss. Also all das, was über den All­tag hin­aus­geht, ist in die­sem Fall vor allem durch Dritt­mit­tel mög­lich. Es geht nicht nur um das Geld, das wir be­kom­men, um Maß­nah­men um­zu­set­zen und um zu­sätz­li­che Men­schen zu be­schäf­ti­gen, die bei uns diese Ge­dan­ken an­ge­hen und um­set­zen, son­dern es geht auch um das DAAD-Netz­werk, das wir da­durch ge­won­nen haben. Wir sind da­durch in einem Aus­tausch, wel­che Maß­nah­men an an­de­ren Hoch­schu­len rich­tig und er­folg­reich waren. Wir ler­nen also ste­tig dazu! In vie­len As­pek­ten sind wir ja nicht ein­zig­ar­tig– so gerne wir das viel­leicht auch sehen wür­den –, aber an­de­re Hoch­schu­len sind viel­leicht in an­de­ren Re­gio­nen ähn­lich ver­netzt. Sehr in­ter­es­sant war bei­spiels­wei­se ein Vor­trag aus dem Saar­land. Sie ko­ope­rie­ren dort in­ten­siv mit Frank­reich wie wir viel­leicht mit Skan­di­na­vi­en. So kann man dann auch über den ei­ge­nen Gar­ten­zaun gu­cken, um An­re­gun­gen zu be­kom­men. Und die­ses Netz­werk ist un­end­lich viel Wert. Was ein biss­chen är­ger­lich ist, dass wir vie­les, was wir uns vor­ge­nom­men haben, jetzt noch nicht um­set­zen konn­ten. So­bald die Co­ro­na-Pan­de­mie vor­bei ist, kann es end­lich los­ge­hen. Aber für die stra­te­gi­schen Über­le­gun­gen ist diese Zeit des Durch­schnau­fens und der neuen Mög­lich­kei­ten ganz wich­tig.

Was bie­tet die Fach­hoch­schu­le Kiel als Po­ten­zi­al, um durch die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung zu wach­sen?

Eine un­glaub­li­che fach­li­che Viel­falt. Wir haben mit sechs Fach­be­rei­chen plus dem In­sti­tut für Bau­we­sen ein ganz brei­tes Spek­trum. So kön­nen wir für po­ten­zi­el­le Aus­tausch­part­ner un­glaub­lich viel ab­de­cken. Wir sind eine voll­wer­ti­ge Part­ner-Hoch­schu­le, und das er­mög­licht In­ter­dis­zi­pli­na­ri­tät. Den Stu­die­ren­den, aber auch Leh­ren­den der Part­ner­hoch­schu­le er­mög­li­chen wir, mal bei uns in ver­schie­de­ne Be­rei­che rein­zu­schnup­pern. Und wir sind re­la­tiv groß. Wir haben 8000 po­ten­zi­el­le Stu­die­ren­de, die ins Aus­land gehen könn­ten, denen wir das auch er­mög­li­chen wol­len. Kiel ist nicht der Nabel der Welt, und im Ge­gen­satz zu an­de­ren Städ­ten sind wir uns auf gar kei­nen Fall selbst genug. Ich bin ge­ne­rell davon über­zeugt, dass alle Hoch­schul­an­ge­hö­ri­gen auch mal eine Zeit im Aus­land ver­brin­gen soll­ten, um an­de­re ken­nen­zu­ler­nen. Neh­men wir doch ein­mal Bau­we­sen: Wer rich­tig Tun­nel­bau ler­nen möch­te, der lernt das nicht in der schles­wig-hol­stei­ni­schen Fla­ch­ebe­ne. Und ge­nau­so ist es in vie­len an­de­ren Be­rei­chen. Oder Wirt­schaft: Wer das Busi­ness-Leben rich­tig ken­nen­ler­nen möch­te, der soll­te auch mal nach Sin­ga­pur oder Paris. Diese Not­wen­dig­keit ist eine Chan­ce, weil sie be­weg­lich macht und zur Ver­stän­di­gung bei­trägt.

Und wie funk­tio­niert In­ter­na­tio­na­li­sie­rung für Stu­die­ren­de im All­ge­mei­nen?

In­ter­na­tio­na­li­sie­rung läuft ei­ner­seits durch den Aus­tausch, also In­co­mings und Out­goings. Die meis­ten Aus­tausch­ak­ti­vi­tä­ten lau­fen bei uns über das Eras­mus-Pro­gramm der EU, und das ist auch wich­tig, weil ge­ra­de die eu­ro­päi­sche In­te­gra­ti­on für uns ein Her­zens­an­lie­gen ist. Gleich­zei­tig läuft es aber auch über Ein­rich­tun­gen wie zum Bei­spiel das Stu­di­en­kol­leg. Wir haben Ge­flüch­te­te und Bil­dungs­aus­län­der, die hier ihre Hoch­schul­zu­gangs­be­rech­ti­gung er­wer­ben. Un­ge­fähr 20 Pro­zent blei­ben dann auch bei uns und be­gin­nen ein Stu­di­um – häu­fig in tech­ni­schen Fä­chern. Dann haben wir eine ganze Reihe von Pro­jek­ten und Prak­ti­ka im Aus­land. Hier ist der Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft bei­spiel­haft zu nen­nen oder auch die tech­ni­schen Fach­be­rei­che mit dem „Eu­rope­an Pro­ject Se­mes­ter“. Was man eben­so nicht ver­ges­sen darf, ist die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung in der Lehre bei uns, also mal ein Modul auf Eng­lisch, mal in­ter­na­tio­na­le For­schungs­pu­bli­ka­ti­on in einem Modul ein­bet­ten. Das heißt, über den Tel­ler­rand gu­cken. Ganz gleich ob es sich dabei um eine Ein­füh­rungs­vor­le­sung in die BWL, einem Wahl­mo­dul im Be­reich der so­zia­len Ar­beit oder ein Mas­ter-Se­mi­nar über Web­sei­ten­ge­stal­tung geht: dass eng­lisch­spra­chi­ge oder fremd­spra­chi­ge Fach­pu­bli­ka­tio­nen auf­ge­lis­tet sind, soll­te ein­fach da­zu­ge­hö­ren. Es ist doch kurz­sich­tig, wenn man immer alles an deut­schen oder schles­wig-hol­stei­ni­schen Bei­spie­len fest­ma­chen möch­te.

Wie wich­tig ist es für Stu­die­ren­de, ganz an­de­re Per­spek­ti­ven in ihrem Stu­di­um zu er­le­ben?

Sehr. Es gibt be­stimm­te Fach­be­rei­che, in denen es dazu ge­hö­ren muss. Und es gibt Fach­be­rei­che, wo es als An­ge­bot da­zu­ge­hö­ren kann. Aber es ist in jedem Falle be­rei­chernd. Ich glau­be nicht, dass sich der Aus­lands­auf­ent­halt nur in Leis­tungs­punk­ten und Kom­pe­ten­zen aus­drü­cken lässt. Ich glau­be, dass wir da­durch dem Bil­dungs­auf­trag für Hoch­schu­len ein Stück weit nä­her­kom­men. Man lernt im Aus­land jeden Tag sehr viel über ge­sell­schaft­li­che Teil­ha­be, weckt die ei­ge­ne Neu­gier und er­fährt die Be­deu­tung von so­zia­lem Mit­ein­an­der mit an­de­ren Men­schen. Des­halb ist das Ganze so wich­tig.

Was war das „Wich­tigs­te“, das Sie aus Ihrer lan­gen Zeit in den USA und Großbri­tan­ni­en mit­ge­nom­men haben?

Eng­li­sche Sprach­kom­pe­tenz, ein ge­sun­des Ver­hält­nis von so etwas wie „com­mon sense“. Die Deut­schen sind sehr stark auf For­ma­lis­men aus. Sie las­sen sich durch For­ma­lis­men auch len­ken. Die Bri­ten fra­gen sich sehr häu­fig: „Was ist denn ei­gent­lich der Sinn hin­ter un­se­ren Re­geln, und wie kön­nen wir den Sinn er­fül­len und nicht un­be­dingt nur den Wort­sinn der Regel“. Das war immer sehr er­hel­lend. Und es war na­tür­lich auch das pro­fes­sio­nel­le Hoch­schul­ma­nage­ment, das eine ganz wich­ti­ge Rolle ge­spielt hat und ein­fach eine Herz­lich­keit, ir­gend­wo in einem an­de­ren Land so­fort auf­ge­nom­men zu wer­den und etwas tun zu kön­nen. Mir sind ei­gent­lich in Großbri­tan­ni­en immer alle mit Neu­gier be­geg­net, was ich un­glaub­lich er­fri­schend fand. Davon kön­nen wir auch eine Menge ler­nen. Indem man an­de­res an­nimmt und neu­gie­rig ist, ist es be­rei­chernd. Ich hatte viele Chan­cen im Aus­land, die ich in Deutsch­land viel­leicht so in den ers­ten Be­rufs­jah­ren nicht ge­habt hätte. Auch hal­ten viele Freund­schaf­ten aus die­ser Zeit ein Leben lang. Meine Mit­be­woh­ner*innen aus die­ser Zeit leben heute in Paris, Bar­ce­lo­na, Lon­don, Pa­sa­de­na, Ma­drid und Car­diff – wir ste­hen aber immer noch in Kon­takt.

Was von dem, was Sie im Aus­land ken­nen­ge­lernt haben, in­te­grie­ren Sie an der Fach­hoch­schu­le Kiel in ihren All­tag?

Das ist ein an­de­res Hoch­schul­sys­tem. Viel­leicht sind Hoch­schu­len in Großbri­tan­ni­en aut­ar­ker als das, was wir manch­mal hier er­le­ben. Also die ganz große Selbst­ver­ant­wort­lich­keit von Hoch­schu­len ist eine ganz wich­ti­ge Sache. Was aber in Deutsch­land wie­der­um ein Pri­vi­leg ist, ist, dass die Frei­heit von For­schung und Lehre im Grund­ge­setz steht. Das ist im Aus­land zu­meist nicht so. Im Aus­land sind Wis­sen­schaft­ler*innen manch­mal stär­ker wei­sungs­ge­bun­den. Diese Frei­heit, die wir hier haben, die muss man auch immer wie­der neu mit Leben fül­len und auch schät­zen ler­nen. Ich bin in einer gan­zen Reihe von in­ter­na­tio­na­len For­schungs­pu­bli­ka­tio­nen tätig, unter an­de­rem als Vi­ze­prä­si­dent bei der In­ter­na­tio­nal As­so­cia­ti­on for Media and His­to­ry. Die­ser Aus­tausch ist ganz wich­tig, weil ich nicht nur über For­schung rede, son­dern auch über The­men wie bei­spiels­wei­se: Wie macht ihr das mit Co­ro­na? Wel­che Maß­nah­men habt ihr? Diese Netz­wer­ke hätte man nie, wenn man immer in Deutsch­land bleibt.

Sie haben be­reits die Her­aus­for­de­run­gen an­ge­spro­chen, die die Co­ro­na-Pan­de­mie mit sich bringt. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat sie auf In­ter­na­tio­na­li­sie­rung?

Im Rah­men von In­ter­na­tio­na­li­sie­rung ist das fatal, da In­ter­na­tio­na­li­sie­rung nicht über di­gi­ta­le Kon­fe­ren­zen läuft, son­dern es geht um den Aus­tausch, das Zwi­schen­mensch­li­che. Co­ro­na hat uns noch­mal vor Augen ge­führt, wel­che Mög­lich­kei­ten man ei­gent­lich vor­her hatte. Na­tür­lich ler­nen wir durch Co­ro­na stän­dig dazu, was die Di­gi­ta­li­sie­rung an­geht. Aber für in­ter­na­tio­na­len Aus­tausch haben On­line­for­ma­te meist wenig Wert. Ich glau­be auch nicht, dass die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung in Zu­kunft über di­gi­ta­le Tools wie Zoom lau­fen wird, ganz im Ge­gen­teil. Ich glau­be, dass man er­kennt, dass es be­stimm­te Be­rei­che gibt, die nur im per­sön­li­chen Aus­tausch funk­tio­nie­ren, und In­ter­na­tio­na­li­sie­rung (Aus­tausch) ist so ein Be­reich. In an­de­ren Be­rei­chen, wenn je­mand bei­spiels­wei­se zu einer Kon­fe­renz fährt, um 20 Mi­nu­ten ein Paper zu prä­sen­tie­ren, braucht man dafür nicht um den hal­ben Erd­ball zu flie­gen. Aber wenn es darum geht, ein Se­mes­ter in einem an­de­ren Land zu leben, dann kann man das di­gi­tal nicht ab­bil­den.

Was kön­nen Sie ab­schlie­ßend sagen, was ist der nächs­te Schritt in Sa­chen In­ter­na­tio­na­li­sie­rung?

Ich würde sagen, dass wir in die­ser Hoch­schu­le gut auf­ge­stellt sind, weil sich viele Men­schen um In­ter­na­tio­na­li­sie­rung küm­mern. Wir haben die sehr en­ga­gier­ten Aus­lands­be­auf­trag­ten in den Fach­be­rei­chen. Wir haben das In­ter­na­tio­nal Of­fice, das gro­ß­ar­ti­ge Ar­beit leis­tet. Wir haben das Team vom „HAW.​Int​erna​tion​al“, und dann haben wir das Stu­di­en­kol­leg und das Zen­trum für Spra­che und in­ter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz. Das heißt, wenn es um Grund­be­din­gun­gen geht, haben wir die Vor­aus­set­zun­gen, das finde ich so reiz­voll. Wir sind also gut auf­ge­stellt. Es geht jetzt darum, das ge­mein­sa­me Han­deln noch näher auf­ein­an­der ab­zu­stim­men und sich selbst am­bi­tio­nier­te Ziele zu set­zen. Be­son­ders wich­tig wird es sein, dass wir all den­je­ni­gen, die bis­her aus­schlie­ß­lich unter Co­ro­na-Be­din­gun­gen stu­die­ren konn­ten, eine Chan­ce zu geben, ins Aus­land zu fah­ren. Ich un­ter­stüt­ze diese Ziele je­den­falls mit gan­zer Kraft!

Vie­len Dank für das Ge­spräch!

© Fach­hoch­schu­le Kiel