Ein Mann© E. Schrei­ner

#zu­kunft­ge­stal­ten - In­ge­nieur Jost Kem­per er­forscht die Be­le­bung ozea­ni­scher Wüs­ten

von Jost Kem­per | Joa­chim Kläschen

Nach mei­ner Mas­ter­the­sis im Be­reich ‚Er­neu­er­ba­re En­er­gi­en‘, bot sich mir die Mög­lich­keit, in einem ge­mein­sa­men Pro­jekt der Fach­hoch­schu­le Kiel und dem Kie­ler Helm­holtz-Zen­trum für Ozean­for­schung (GEO­MAR) an Lö­sun­gen für die be­deu­ten­den Pro­ble­me der Mensch­heit zu for­schen. Und das in einem sehr viel grö­ße­ren Maß­stab als ich je ge­dacht hätte.

Zu­ge­ge­ben, es ist schon eine gute Por­ti­on Fort­schritts­glau­be nötig, um ernst­haft zu be­haup­ten, der Kli­ma­wan­del ließe sich al­lein mit tech­ni­schen Mit­teln auf­hal­ten. Aber die ak­tu­el­le Kli­ma­for­schung sagt un­miss­ver­ständ­lich, dass wir das 1.5-Grad-Ziel aus dem Pa­ri­ser Kli­ma­ab­kom­men von 2015 (zu­min­dest rein rech­ne­risch) ohne tech­ni­sche Hilfe nur noch er­rei­chen kön­nen - wenn wir uns für einen ra­di­ka­len Ver­zicht auf CO2-Emis­sio­nen ent­schei­den wür­den. Um die Kli­ma­zie­le von Paris zu er­rei­chen und die Kli­ma­er­wär­mung so zu­min­dest ein­zu­däm­men, wird es daher nicht rei­chen, ‚nur‘ auf neue Treib­haus­gas-Emis­sio­nen zu ver­zich­ten. Schon in we­ni­gen Jah­ren wer­den wir der At­mo­sphä­re aktiv große Men­gen des Treib­haus­ga­ses CO2 ent­zie­hen müs­sen; mög­li­cher­wei­se mit Tech­ni­ken, die wir heute noch nicht ein­mal ken­nen.

Das ‚Ocean artUp‘-Pro­jekt, teil des­sen ich bin, be­fasst sich mit einer sol­chen Tech­no­lo­gie: Das Tie­fen­was­ser der Ozea­ne ent­hält große Men­gen von an­or­ga­ni­schen Nähr­stof­fen, wäh­rend das Ober­flä­chen­was­ser in vie­len Re­gio­nen kaum wel­che ent­hält. Eine sta­bi­le Schich­tung von war­mem Ober­flä­chen­was­ser und kal­tem Tie­fen­was­ser ver­hin­dert die Durch­mi­schung der Be­rei­che. Wegen die­ser Armut an Nähr­stof­fen im Ober­flä­chen­was­ser, wer­den sol­che Ozean-Re­gio­nen auch als ‚ozea­ni­sche Wüs­ten‘ be­zeich­net.

Vor ei­ni­gen Jah­ren er­forsch­ten Wis­sen­schaft­ler*innen was pas­sie­ren würde, wenn man das nähr­stoff­rei­che Tie­fen­was­ser an die Ozean-Ober­flä­che pumpt, um die ozea­ni­sche Wüste zu be­le­ben. Heute gehen wir davon aus, dass die­ses als ‚ar­ti­fi­ci­al up­wel­ling‘ be­zeich­ne­te Kon­zept das Po­ten­ti­al be­sitzt, einen na­tür­li­chen Pro­zess be­feu­ern, den For­schern als ‚bio­lo­gi­sche Koh­len­stoff­pum­pe‘ be­zeich­nen. Dabei wird, durch das künst­li­che Be­le­ben der Ozean-Ober­flä­che und das fol­gen­de Wachs­tum und an­schlie­ßen­de Ab­sin­ken von Phy­to­plank­ton, die Auf­nah­me von CO2 aus der At­mo­sphä­re durch den Ozean be­güns­tigt. Noch ist al­ler­dings un­klar, ob und in wel­chem Um­fang sich auf die­sem Wege CO2 aus der At­mo­sphä­re ent­zie­hen lässt und au­ßer­dem, wel­che Ne­ben­wir­kun­gen bei einem groß­flä­chi­gen Ein­satz zu be­fürch­ten wären.

Hier setzt un­se­re For­schung an. Als In­ge­nieur kann ich nicht nur die be­nö­tig­ten Ge­rä­te ent­wi­ckeln, um nähr­stoff­rei­ches Tie­fen­was­ser an die Ober­flä­che zu pum­pen; ich kann auch an­hand von Strö­mungs­si­mu­la­tio­nen vor­her­sa­gen, wie sich die ent­hal­te­nen Nähr­stof­fe dort aus­brei­ten. Ba­sie­rend auf den glei­chen Me­tho­den, mit denen wir auch den Strö­mungs­wi­der­stand von Han­dels­schif­fen be­rech­nen und die Per­for­mance von Se­gel­yach­ten vor­her­sa­gen, ent­wick­le ich ein Strö­mungs­mo­dell für den ‚ar­ti­fi­ci­al up­wel­ling‘-Pro­zess.

Für meine Ar­beit muss­te ich mir ein gutes Ver­ständ­nis für Dif­fe­ren­ti­al­glei­chun­gen an­eig­nen. Die meis­te Re­chen­ar­beit über­las­se ich aber dem Re­chen­clus­ter der Fach­hoch­schu­le Kiel. Der muss für mich re­gel­mä­ßig 1.000.000 Glei­chungs­sys­te­me mit je 10.000.000 Un­be­kann­ten lösen, woran er oft wo­chen­lang zu knab­bern hat. Die Aus­wer­tung der Daten er­folgt dann in Zu­sam­men­ar­beit mit den Ozean­for­scher*innen am GEO­MAR. Meine Be­rech­nun­gen hel­fen ihnen dabei, den ‚ar­ti­fi­ci­al up­wel­ling‘-Pro­zess und seine Wir­kung genau zu vor­her­zu­sa­gen, noch bevor wir einen Pro­to­typ zu Was­ser las­sen.

In­ge­nieur*innen, die sol­che Tech­ni­ken ent­wi­ckeln und um­set­zen, fällt eine im­mense Ver­ant­wor­tung zu, denn Tech­nik, die dazu in der Lage ist, gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen auf das glo­ba­le Klima zu haben, birgt auch das Ri­si­ko von glo­ba­len Ne­ben­wir­kun­gen. Je grö­ßer das Pro­jekt, desto aus­ge­reif­ter müs­sen auch die Be­rech­nungs­ver­fah­ren sein, um Ri­si­ken zu kon­trol­lie­ren. Als In­ge­nieur ist es für mich selbst­ver­ständ­lich, schon vor dem Ein­satz genau zu wis­sen, wie sich eine Ma­schi­ne schlie­ß­lich ver­hal­ten wird. Ge­fah­ren für Mensch und Um­welt muss ich je­der­zeit aus­schlie­ßen kön­nen. Diese Regel lässt sich auf Pro­jek­te jeder Größe an­wen­den.

Ge­stal­ten kön­nen und dort Lö­sun­gen fin­den, wo viele nur Pro­ble­me sehen, das macht für mich den Reiz des In­ge­nieur­seins aus. Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums lern­te ich schnell, dass wer ge­stal­ten kann auch Ver­ant­wor­tung trägt. Ich habe es mir daher zum Ziel ge­macht, meine Fä­hig­kei­ten als In­ge­nieur ver­ant­wor­tungs­voll ein­zu­set­zen, um eine le­bens­wer­te Welt zu er­hal­ten und zu schüt­zen.

Viele Men­schen sind skep­tisch ge­gen­über tech­no­lo­gi­schen Um­welt­ein­grif­fen, die so groß sind, dass sie eine Wir­kung auf das glo­ba­le Klima haben kön­nen. Das kann ich ver­ste­hen. Auch ich würde es be­vor­zu­gen, wenn sol­che Ein­grif­fe nie­mals nötig wären. Wenn sol­che Ein­grif­fe aber nun mal nötig sind, will ich sie als In­ge­nieur lie­ber selbst ver­ant­wor­tungs­voll in die Hand neh­men.

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