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Zwölf Gänge und ein Heu­hau­fen: Weih­nach­ten in Li­tau­en

von Julia Kö­nigs

Li­tau­en, der süd­lichs­te der Bal­ti­schen Staa­ten, ist ge­prägt durch seine aus­ge­präg­te Agrar­kul­tur und hat über die Jahr­hun­der­te viele re­li­giö­se und auch heid­ni­sche Bräu­che ver­eint. „Christ­li­che Tra­di­tio­nen sind erst spät in Li­tau­en eta­bliert wor­den“, sagt dazu Me­di­en-Pro­fes­sor Gin­taras Ale­kno­nis, „aber dafür pfle­gen wir sie heute sehr in­ten­siv an Weih­nach­ten.“ Der Do­zent stammt aus Vil­ni­us, der Haupt­stadt des Lan­des. Er lehrt an der Uni­ver­si­tät Vil­ni­us in den Be­rei­chen Image-Ma­nage­ment, Po­li­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rie. Re­gel­mä­ßig kommt er für Ver­an­stal­tun­gen an die FH Kiel und nutzt die Zeit im De­zem­ber gerne, um den Weih­nachts­markt in der Stadt an der Förde zu be­su­chen.

Wie jedes Jahr wird er die Fest­ta­ge aber mit sei­ner Fa­mi­lie in Li­tau­en ver­brin­gen. „Zu­sam­men­halt und Gast­freund­schaft sind für uns wich­ti­ge Tu­gen­den“, be­tont Ale­kno­nis. Die Weih­nachts­ta­ge sind für die Li­tau­er*innen und ihre Fa­mi­li­en die wich­tigs­ten Tage im Jahr – und der Hei­lig­abend, auch ge­nannt Ku­ci­os, der wich­tigs­te Abend im gan­zen Ka­len­der.

„Wenn es dun­kel wird, kommt die ganze Fa­mi­lie zum Essen zu­sam­men“, be­rich­tet Ale­kno­nis. „Auch al­lein­ste­hen­de Nach­barn wer­den ein­ge­la­den. Nie­mand soll an Hei­lig­abend ein­sam sein.“ Die Fest­lich­kei­ten be­gin­nen mit den ty­pi­schen zwölf Spei­sen auf der Weih­nachts­ta­fel, die sym­bo­lisch für die zwölf Apos­tel ste­hen. Die Ge­rich­te wer­den meis­tens nur zu Weih­nach­ten zu­be­rei­tet und sind für die ganze Fa­mi­lie etwas Be­son­de­res. Da in Li­tau­en bis zum 25. De­zem­ber ge­fas­tet wird, gibt es an Hei­lig­abend kein Fleisch, dafür aber viele Fisch­ge­rich­te, Pilze, Rote-Beete-Suppe, He­rings­sa­la­te, Kar­tof­fel­sa­la­te und Ge­bäck.

„Sehr tra­di­tio­nell ist das Ku­ci­ukai-Ge­bäck, aus­ge­spro­chen Kut­schu­kai“, be­rich­tet der Gast-Pro­fes­sor. „Diese klei­nen Kekse be­stehen aus He­fe­teig und Mohn, wer­den in Mohn­milch ge­tunkt und so auch gerne als Snack ge­ges­sen.“ Die li­taui­sche Mohn­milch ist für Deut­sche oft sehr merk­wür­dig, so der Pro­fes­sor, schme­cke aber an­ge­nehm süß. „Und man kann da­nach sehr gut schla­fen.“

Den fa­mi­liä­ren Zu­sam­men­halt der Li­tau­er*innen er­kennt man be­son­ders daran, dass an der Fest­ta­fel für alle im ver­gan­ge­nen Jahr ver­stor­be­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­der ein Ge­deck auf­ge­stellt wird. Auch die üb­ri­gen Spei­sen blei­ben nach dem Mahl auf dem Tisch, damit die See­len der Ver­stor­be­nen sich an ihnen er­freu­en kön­nen.

Be­liebt in allen Re­gio­nen Li­tau­ens ist auch ein Brauch, der an unser deut­sches Blei­gie­ßen er­in­nert. Die Li­tau­er*innen zie­hen statt­des­sen einen Stroh­halm unter dem Tisch­tuch her­vor. Ale­kno­nis: „Unter der Tisch­de­cke wird Heu aus­ge­legt. Nach dem Essen zieht jeder einen Halm her­vor. Je län­ger der Halm, desto län­ger wird auch das ei­ge­ne Leben sein.“ Die Ge­schen­ke wer­den erst am Mor­gen des 25. De­zem­ber ge­öff­net, wenn sie dann unter dem Christ­baum auf­ge­reiht sind. Der ob­li­ga­to­ri­sche Kir­chen­be­such ist an vie­len Orten ein Er­leb­nis: „In der Kir­che in Vil­ni­us wird das Krip­pen­spiel mit ech­ten Scha­fen und einem ech­ten Esel auf­ge­führt!“, er­in­nert sich Ale­kno­nis.

Ganz be­son­ders spielt der fri­sche Tan­nen­baum für den Pro­fes­sor eine große Rolle, denn als Kind hatte seine Fa­mi­lie meist nur einen Baum aus Plas­tik mit ver­ein­zel­ten ech­ten Tan­nen­zwei­gen. Er er­klärt: „Wäh­rend der rus­si­schen Be­sat­zungs­zeit, die bis zum Ende der 1980er Jahre an­dau­er­te, wur­den viele li­taui­sche Tra­di­tio­nen un­ter­drückt. Zudem war es ver­bo­ten, zum Hei­lig­abend einen Christ­baum zu kau­fen. Daher haben sich viele Fa­mi­li­en ent­we­der im Ver­bor­ge­nen einen Baum be­sorgt oder sich mit einem Baum aus Plas­tik be­hol­fen.“

Heute äh­neln sich auf der gan­zen Welt­vie­le Weih­nachts­ri­tua­le, fin­det der ge­bür­ti­ge Li­tau­er, so auch die ver­schie­de­nen Weih­nachts­märk­te. Trotz­dem hal­ten er und seine Fa­mi­lie an den ty­pi­schen Tra­di­tio­nen sei­nes Hei­mat­lan­des wei­ter­hin fest. Und wie sagt man „Fröh­li­che Weih­nach­ten“ auf Li­tau­isch? „Linksmų Kalėdų!”

Wer die klei­nen Ku­ci­ukai mit Mohn­milch zu­be­rei­ten möch­te, kann die­ses Re­zept aus­pro­bie­ren:

Zu­ta­ten für die Ku­ci­ukai:

  • 200 Gramm Mehl
  • 4 Gramm Tro­cken­he­fe
  • 50 Gramm Zu­cker
  • 30 Gramm But­ter
  • 100 Mil­li­li­ter Milch
  • ein Ei­gelb
  • 40 Gramm Mohn
  • Salz

Zu­be­rei­tung:

Hefe und Zu­cker in war­mer Milch auf­lö­sen. An­schlie­ßend in einer se­pa­ra­ten Schüs­sel Mehl, ge­schmol­ze­ne But­ter, Milch, Ei­gelb, Salz und Mohn zu einem Teig ver­men­gen. He­fe­mi­schung hin­zu­ge­ben, gut ver­rüh­ren und in den lau­war­men Back­ofen stel­len, damit der Teig min­des­tens eine Stun­de auf­ge­hen kann.

Da­nach den Ofen auf 190 Grad er­wär­men, den Teig noch­mals kne­ten und in klei­ne Strei­fen rol­len. Aus den Strei­fen dann Wür­fel­chen schnei­den und auf einem Back­blech ver­tei­len. Für zehn Mi­nu­ten ba­cken und aus­küh­len las­sen.

Zu­ta­ten für die Mohn­milch:

  • 1 Tasse Mohn­sa­men
  • 1 Liter Was­ser oder Milch
  • 4 Ess­löf­fel Zu­cker oder Honig

Zu­be­rei­tung:

Mohn mit ko­chen­dem Was­ser über­brü­hen und drei Stun­den gehen las­sen. Da­nach das Was­ser ab­gie­ßen, Mohn zer­quet­schen und mit einem Liter Was­ser oder Milch auf­fül­len. Zu­cker oder Honig je nach Ge­schmack hin­zu­ge­ben und gut rüh­ren.

Die Mohn­milch zu­sam­men mit den Ku­ci­ukai ge­nie­ßen.

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