Eine Frau© H. Börm

FH-Alum­na setzt sich im Frau­en­netz­werk für Sex­wor­ker ein

von Joa­chim Kläschen

Nach ihrem Ab­schluss am Fach­be­reich Wirt­schaft ar­bei­tet FH-Alum­na Ste­fa­nie Kohl­mor­gen für den Ver­ein Frau­en­netz­werk zur Ar­beits­si­tua­ti­on. Lan­des­weit berät die di­plo­mier­te Be­triebs­wir­tin und Be­ra­te­rin seit 2015 Sex­ar­bei­te­rin­nen* in der ‚Fach­stel­le für Sex­ar­bei­te­rin­nen in SH‘, die sie auch lei­tet.

Am ‚Tag der Ge­walt gegen Sex­ar­bei­ter*innen‘ (17. De­zem­ber) woll­te Ste­fa­nie Kohl­mor­gen mit Kol­le­gin und Ko­ope­ra­ti­ons­part­ne­rin cara*sh in der Fu­ß­gän­ger­zo­ne der Kie­ler Hols­ten­stra­ße prä­sent sein, um über die Ar­beit der Sex­wor­ker ins Ge­spräch zu kom­men und auf deren Ar­beits­be­din­gun­gen und teils auch dort vor­kom­men­de Ge­walt hin­zu­wei­sen. Auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie und des Lock­downs muss­te der vor-Ort-Ter­min ab­ge­sagt wer­den.

Statt­des­sen fin­den sich In­for­ma­tio­nen und Hin­wei­se on­line. Die Cam­pus-Re­dak­ti­on nutzt den Ak­ti­ons­tag für ein Ge­spräch mit Ste­fa­nie Kohl­mor­gen über ihre Ar­beit.

Frau Kohl­mor­gen, im Auf­trag des Frau­en­netz­werks be­ra­ten Sie Sex­ar­bei­te­rin­nen*. In wel­che Rich­tung zielt ihre Be­ra­tung?

Die Be­ra­tung ist er­geb­nis­of­fen. Grund­sätz­lich ist das Ziel un­se­res Be­ra­tungs­an­ge­bots, Frau­en in der Sex­ar­beit zu Fra­gen in der Ar­beit und Selbst­stän­dig­keit, bei der be­ruf­li­chen Ori­en­tie­rung oder beim Aus­stieg, wir spre­chen von ‚Um­stieg‘, gut zu un­ter­stüt­zen. Uns ist die gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Sex­ar­bei­te­rin­nen* in der Ar­beits­welt ein wich­ti­ger Leit­satz und sehen es mit als un­se­re Auf­ga­be an, die Ge­sell­schaft für die Le­bens- und Ar­beits­be­din­gun­gen von Sex­ar­bei­te­rin­nen* zu sen­si­bi­li­sie­ren.

Stel­len Sie fest, dass wäh­rend der Co­ro­na-Pan­de­mie ein ver­stärk­ter Be­ra­tungs­be­darf bei Sex­ar­bei­te­rin­nen* be­steht?

Ja, das ist der Fall. Im ers­ten Lock­down kamen die Ein­schrän­kun­gen und Ver­bot der Aus­übung so ur­plötz­lich, dass viele Frau­en ihr Ob­dach ver­lo­ren haben, da sie teils in den Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten woh­nen und ge­wohnt haben. Dazu kam die feh­len­de fi­nan­zi­el­le Ab­si­che­rung, da ihre Ein­nah­men so­fort aus­fie­len und das Gros keine Co­ro­na-So­fort­hil­fe bekam. In­zwi­schen wird ein Teil der Be­trof­fe­nen mit Ar­beits­lo­sen­geld II un­ter­stützt, aber es gibt immer noch Sex­wor­ker, die keine Un­ter­stüt­zung haben, sich in pre­kä­ren Wohn­si­tua­tio­nen be­fin­den oder sogar Sex­dienst­leis­tun­gen an­bie­ten, weil sie kei­nen Zu­gang zu (fi­nan­zi­el­len) Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen haben.

Sie sind An­sprech­part­ne­rin für Frau­en, die in den Beruf ein- und aus die­sem aus­stei­gen möch­ten. Was be­wegt die Frau­en zu den je­wei­li­gen Schrit­ten?

Die Mo­ti­va­tio­nen sind so un­ter­schied­lich wie es auch in an­de­ren Bran­chen der Fall ist. Grün­de für den Ein­stieg sind hier häu­fig, die Mög­lich­keit zu nut­zen, in­ner­halb recht kur­zer Zeit ver­hält­nis­mä­ßig viel Geld zu ver­die­nen. Ein wei­te­rer, dass der Job ohne um­fäng­li­che Ein­ar­bei­tung oder Aus­bil­dung aus­ge­führt wer­den kann; dass die selbst zu ge­stal­ten­den Struk­tu­ren ge­schätzt wer­den oder die Aus­le­bung der ei­ge­nen Se­xua­li­tät ein Motiv ist. Sex­wor­ker stei­gen aus der Sex­ar­beit aus, weil sie ein even­tu­el­les Dop­pel­le­ben be­en­den oder ein Ou­ting ver­hin­dern wol­len. Sie möch­ten nach ei­ge­ner Aus­sa­ge einen ‚nor­ma­len Beruf‘ aus­üben, kön­nen sich die Tä­tig­keit gar nicht mehr oder nicht par­al­lel mit einer Part­ner­schaft und Fa­mi­lie vor­stel­len.

Der 17. De­zem­ber ist der ‚Tag gegen Ge­walt gegen Sex­ar­bei­ter*innen‘. Sind Sie in Ihren Be­ra­tun­gen häu­fig mit die­sem Thema kon­fron­tiert?

Nein, das ist zwar ein Feld, das un­se­re Be­ra­tung streift, aber ich habe selbst wis­sent­lich noch keine Sex­ar­bei­te­rin be­ra­ten, die sich in einer Ge­walt­si­tua­ti­on be­fun­den hat. Eher sind es pre­kä­re Ar­beits­be­din­gun­gen, wie zu hohe Mie­ten, die stän­di­ge Be­reit­schaft am Te­le­fon oder in Prä­senz und teils wenig ei­ge­ne be­ruf­li­che Ver­än­de­rungs­mög­lich­kei­ten.

Wel­che Rat­schlä­ge kön­nen Sie von Ge­walt Be­trof­fe­nen geben? Gibt es noch wei­te­re An­lauf­stel­len, an die sich Be­trof­fe­ne wen­den kön­nen?

Da dies nicht unser Ar­beits­feld ist, kann ich nicht als Ex­per­tin spre­chen. Im Falle einer Ge­walt­si­tua­ti­on, die sich in der Be­ra­tung zei­gen würde, würde ich sie immer er­mun­tern, sich ei­ner­seits an eine Fach­stel­le und an­de­rer­seits an die Po­li­zei zu wen­den. Auf die­sem Weg be­glei­tet die Be­ra­tungs­stel­le die Frau dann auch. Ja, es gibt eine An­lauf­stel­le in Schles­wig-Hol­stein, con­tra ist hier An­sprech­part­ne­rin als Fach­stel­le gegen Frau­en­han­del.

© Fach­hoch­schu­le Kiel