Eine Gruppe von Menschen© Spe­cker

10 Jahre deutsch-chi­ne­si­scher Dop­pel­ab­schluss in IVE

von Su­san­ne Meise

An­stren­gen­de Wo­chen lie­gen hin­ter Prof. Dr. rer. pol. To­bi­as Spe­cker und den Stu­die­ren­den, die einen Dop­pel­ab­schluss ma­chen – den Ba­che­lor of En­gi­nee­ring in In­ter­na­tio­na­lem Ver­triebs- und Ein­kaufs­in­ge­nieur­we­sen (IVE) an der FH Kiel und den Ba­che­lor in Lo­gi­stic Ma­nage­ment an der Tong­ji Uni­ver­si­tät Shang­hai. Auch hier hat die Co­ro­na-Pan­de­mie die üb­li­chen Ab­läu­fe durch­ein­an­der­ge­bracht. Den­noch hat Prof. Spe­cker sie­ben Ab­schluss­ar­bei­ten auf sei­nem Tisch, die die Stu­die­ren­den in die­sen Tagen on­line ver­tei­di­gen wer­den. Damit wird die Marke von 100 Stu­die­ren­den die­ses Dop­pel­ab­schluss-Pro­gramms an der FH Kiel ge­knackt.

„Es ist be­mer­kens­wert“, sagt To­bi­as Spe­cker mit Stolz in der Stim­me und meint damit nicht nur, dass seine Stu­die­ren­den ihren Ab­schluss trotz Co­ro­na ohne Zeit­ver­lust ma­chen konn­ten. Er hat dabei auch die 400 deut­schen Ab­sol­vent*innen im Blick, die in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren das 2004 vom chi­ne­si­schen Bil­dungs­mi­nis­te­ri­um und dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung auf­ge­leg­te ko­ope­ra­ti­ve Bil­dungs­pro­jekt er­folg­reich durch­lau­fen haben – ein Vier­tel von ihnen kommt von der Fach­hoch­schu­le Kiel.

Die be­ruf­li­chen Per­spek­ti­ven der Ab­sol­ven­ten sind viel­ver­spre­chend. „Ei­ni­ge haben un­glaub­li­che Kar­rie­re­pfa­de ein­ge­schla­gen“, sagt Spe­cker, der als Vi­ze­prä­si­dent der Chi­ne­sisch-Deut­schen Hoch­schu­le für An­ge­wand­te Wis­sen­schaf­ten (CDHAW) von 2008 bis 2010 nach Shang­hai ab­ge­ord­net war, um das Pro­jekt auf– und aus­zu­bau­en. So ist einer sei­ner Schütz­lin­ge bei­spiels­wei­se bei Würth als Pro­dukt­ma­na­ger ein­ge­stie­gen und heute Lei­ter Busi­ness De­ve­lop­ment Asia-Pa­ci­fic. Ein an­de­rer ist Lei­ter Pro­cu­re­ment Asia-Pa­ci­fic bei Lieb­herr. Die Kon­tak­te wer­den oft­mals schon im Pra­xis­se­mes­ter ge­knüpft, das an das Se­mes­ter an der Tong­ji Uni­ver­si­tät an­schlie­ßt. Sie zählt zu den Ex­zel­lenz­uni­ver­si­tä­ten in China.  „Für Un­ter­neh­men ist es gro­ß­ar­tig, Stu­den­ten aus Deutsch­land mit einem Pro­jekt zu be­trau­en, weil sie die Spra­che spre­chen und mit der deut­schen Denk­wei­se ver­traut sind“, er­klärt Spe­cker. Die Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten er­hiel­ten die Mög­lich­keit, über ein Prak­ti­kum wert­vol­le Er­fah­run­gen in China zu sam­meln – eine Tür, die nur CDHAW-Stu­die­ren­den of­fen­ste­he, so Spe­cker wei­ter.

Be­reits bei den Erst­se­mes­tern wirbt er für den Dop­pel­ab­schluss. So kön­nen sich die Stu­die­ren­den recht­zei­tig auf das Jahr in China vor­be­rei­ten. Als Study Bud­dys bei­spiels­wei­se kön­nen sie In­co­mings aus China an der FH Kiel be­glei­ten und etwas über die Kul­tur und Le­bens­wei­sen er­fah­ren. Auch ein Sprach­kur­sus ge­hört für alle Out­goings dazu: Wer auf die Reise geht, hat das erste Level der chi­ne­si­schen Sprach­prü­fung Hànyǔ Shuǐpíng Kǎoshi (HSK) be­stan­den. Um­ge­kehrt reist Spe­cker immer wie­der nach China, um an der Tong­ji Uni­ver­si­tät Vor­le­sun­gen auf Deutsch zu hal­ten und den dor­ti­gen Stu­die­ren­den die deut­sche Spra­che und Vor­le­sungs­kul­tur zu ver­mit­teln.

Keanu Mer­lin Stein­berg ist einer der frisch ge­ba­cke­nen Ab­sol­ven­ten des IVE-Dop­pel­ab­schlus­ses. „Für mich war das eine Mög­lich­keit, in­ter­kul­tu­rel­le Er­fah­run­gen in einem der wich­tigs­ten In­dus­trie­län­der der Welt zu sam­meln und mei­nen Le­bens­lauf mit einem Aus­lands­jahr zu ver­se­hen“, sagt der 25-Jäh­ri­ge. Sein Prak­ti­kum muss­te er durch Co­ro­na be­dingt zwar in Deutsch­land ma­chen. Aber in China habe er eine sei­ner schöns­ten Zei­ten ver­bracht. „Ich habe Freund­schaf­ten mit Men­schen aus der gan­zen Welt ge­schlos­sen, aber auch viel über die chi­ne­si­sche Kul­tur ge­lernt und das Land von sei­nen schöns­ten Sei­ten er­lebt“, schwärmt der Hei­ken­dor­fer. Das Stu­di­en­le­ben sei ganz an­ders als in Deutsch­land – an­ge­fan­gen von Lern­zei­ten, die oft­mals von 8 Uhr mor­gens bis 9 Uhr abends reich­ten, über zwei zwei­stün­di­ge Pau­sen pro Tag bis hin zur Be­no­tung, in die neben der münd­li­chen Be­tei­li­gung die An­we­sen­heits­pflicht und bei­na­he wö­chent­li­che Prä­sen­ta­tio­nen ein­flos­sen. Das Zim­mer im Wohn­heim muss­te er sich mit einem Frem­den tei­len, der mitt­ler­wei­le je­doch zu einem sei­ner engs­ten Freun­de ge­hört. Und am Wo­chen­en­de die Mil­lio­nen­stadt mit Freun­den zu er­kun­den – „ein ein­zig­ar­ti­ges Ge­fühl“, sagt Stein­berg.

 „Es war sehr auf­re­gend, einen ganz an­de­ren Le­bens­stil ken­nen zu ler­nen“, fin­det auch Yunus Tas­ba­si. „Ich habe viele neue Men­schen ken­nen­ge­lernt, ein biss­chen von der Spra­che, aber vor allem die Er­fah­rung ge­macht, wie es ist, in einem frem­den Land zu leben und wirk­lich in­ter­kul­tu­rell her­aus­ge­for­dert zu wer­den“, so der 24-Jäh­ri­ge. Nach nur we­ni­gen Wo­chen der Be­ob­ach­tung hatte er keine Pro­ble­me zu kom­mu­ni­zie­ren.  „Im Stu­di­um habe ich viel ge­lernt, aber die­ses letz­te Se­mes­ter in China war un­glaub­lich. Es ent­steht eine ganz neue Art und Weise zu den­ken, vor allem durch das Wis­sen, dass einem ver­mit­telt wird“, zieht Tas­ba­si Bi­lanz. Aka­de­misch ge­se­hen sei ihm erst spä­ter be­wusst­ge­wor­den, wie wert­voll der Ab­schluss ist und wie viele Türen sich da­durch öff­nen.  „Ich bin froh die­sen Weg ein­ge­schla­gen zu haben und denke, ich habe auf jeden Fall die rich­ti­ge Ent­schei­dung ge­trof­fen.“

In­ter­na­tio­na­li­sie­rungs­pro­zes­se chi­ne­si­scher Un­ter­neh­men stan­den im Fokus sei­ner Ba­che­lor-Ar­beit. „Ich möch­te gerne wei­ter stu­die­ren, aber erst nach einem Jahr Pra­xis­er­fah­rung in einem Un­ter­neh­men“, sagt Tas­ba­si. Für den Mas­ter würde er noch­mal ins Aus­land gehen – „es gibt viele Uni­ver­si­tä­ten mit in­ter­es­san­ten Pro­gram­men“, weiß der IVE-Ab­sol­vent.

Die Wirt­schafts­be­zie­hung zwi­schen Deutsch­land und China im Hin­blick auf die Neue Sei­den­stra­ße hat Ma­ri­us Fi­scher in sei­ner The­sis un­ter­sucht. „Wenn man einen in­ter­na­tio­na­len Stu­di­en­gang be­legt, ist es an­ge­bracht, ein Aus­lands­se­mes­ter zu ma­chen“, fin­det der 24-Jäh­ri­ge. Als er von der Mög­lich­keit des Dop­pel­ba­che­lors er­fuhr, sei er so be­geis­tert ge­we­sen, dass er sich dafür ent­schied. Und er hat es nicht be­reut: „Ich habe viele tolle Ein­bli­cke und Ein­drü­cke ge­win­nen kön­nen“, sagt Ma­ri­us Fi­scher über seine Zeit in Shang­hai.

Keanu Mer­lin Stein­berg schrieb seine Ab­schluss­ar­beit über Be­son­der­hei­ten im chi­ne­si­schen Lo­gis­tik­ma­nage­ment, ins­be­son­de­re mit Blick auf den In­ter­net­kon­zern Ali­b­a­ba. Nun ist er auf der Suche nach einer pas­sen­den An­stel­lung, möch­te aber eben­falls im Laufe der nächs­ten Jahre noch sei­nen Mas­ter ma­chen - und wenn sich die Ge­le­gen­heit er­gibt auch noch mal nach China rei­sen.

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