Prof. Christian Keindorf und Andreas Glaß stehen vor dmeWellenkraftwerk, das am Kran hängt.  © S. Gri­go­rie­va
Stol­ze In­ge­nieu­re: An­dre­as Glaß (rechts) und Prof. Chris­ti­an Keindorf konn­ten heute die Taufe ihres Wel­len­kraft­werks fei­ern.

En­er­gie­wen­de auf dem Was­ser – FH Kiel tauft Pro­to­typ eines Wel­len­kraft­werks

von Frau­ke Schä­fer

Im Ja­nu­ar 2020 star­te­ten For­scher der Fach­hoch­schu­le Kiel mit der Ent­wick­lung und dem Bau einer Test­an­la­ge für ein Wel­len­kraft­werk. Heute (9. Mai 2023) tauf­ten sie im Be­sein von rund 100 Gäs­ten aus Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Po­li­tik auf der GER­MAN NAVAL YARDS in Kiel des­sen Pro­to­ty­pen. Ge­baut haben ihn Aus­zu­bil­den­de der Werft in den ver­gan­ge­nen fünf Mo­na­ten.

„Ich taufe dich auf den Namen Au­re­lia WINO!“ Gleich der erste Ver­such von Tauf­pa­tin Dr. Julia Kör­ner, der stell­ver­tre­ten­den Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin der IHK zu Kiel, sitzt. Klir­rend zer­springt die Sekt­fla­sche am 12 Meter hohen Pro­to­ty­pen des Wel­len­kraft­werks. Da­nach hebt der Kran das ca. 8 Ton­nen schwe­re Kraft­werk in das Ha­fen­be­cken, um in den nächs­ten Wo­chen erste Funk­ti­ons­tests durch­füh­ren zu kön­nen.  

Viele haben an der Ent­wick­lung und dem Bau des Wel­len­kraft­werks mit­ge­wirkt: Über Stu­di­en- und Ab­schluss­ar­bei­ten und als stu­den­ti­sche Hilfs­kräf­te waren zwölf Stu­dent*innen der FH Kiel am For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­jekt be­tei­ligt; 28 Aus­zu­bil­den­de der GER­MAN NAVAL YARDS und der Thys­sen­Krupp Ma­ri­ne Sys­tems GmbH bau­ten mit Un­ter­stüt­zung ihrer Aus­bil­dungs­lei­ter und Be­rufs­schul­leh­rer den Pro­to­ty­pen. „Wir sind stolz dar­auf, die­ses Pro­jekt ge­mein­sam mit un­se­ren Aus­zu­bil­den­den durch­ge­führt zu haben“, sagt Helge Kram­beck, Ma­na­ger Aus­rüs­tung und Aus­bil­dungs­lei­ter der GER­MAN NAVAL YARDS. „Alles in allem ein sehr an­spruchs­vol­les und in­ter­es­san­tes Pro­jekt, bei dem die Aus­zu­bil­den­den viele Zu­sam­men­hän­ge aus den Be­rei­chen Pla­nung, un­ter­schied­li­che Fer­ti­gungs­ver­fah­ren, Ma­te­ri­al­be­stel­lung und Ko­or­di­nie­rung der ver­schie­de­nen Ge­wer­ke ge­lernt haben.“

Der In­ge­nieur An­dre­as Glaß be­treu­te den Bau von Sei­ten der Fach­hoch­schu­le Kiel und pen­del­te mehr­mals die Woche zwi­schen sei­nem Büro auf dem Cam­pus und der Halle 11 auf dem Werft­ge­län­de. Als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter stieg er im Ja­nu­ar 2020 in das Pro­jekt ein. Zuvor hatte Glaß an der FH Kiel den Ba­che­lor­stu­di­en­gang Off­shore An­la­gen­tech­nik und den Mas­ter­stu­di­en­gang Ma­schi­nen­bau ab­sol­viert. „Mich hat die Viel­sei­tig­keit der Auf­ga­be ge­reizt“, er­klärt Glaß. „Wir muss­ten nu­me­ri­sche Be­rech­nun­gen in der Hydro- und Struk­tur­dy­na­mik an­stel­len, haben Ex­pe­ri­men­te im Strö­mungs- und Wel­len­la­bor vom In­sti­tut für Schiff­bau und ma­ri­ti­me Tech­nik durch­ge­führt, den Pro­to­ty­pen ent­wi­ckelt und am Ende durf­te ich die Fer­ti­gung bei GER­MAN NAVAL YARDS be­treu­en. Diese tech­nisch an­spruchs­vol­le Auf­ga­be zu meis­tern, war eine ein­ma­li­ge Chan­ce für mich.“

Das Kie­ler Wel­len­kraft­werk nutzt das En­er­gie­po­ten­zi­al der Wel­len, indem ein Schwimm­kör­per eine ver­ti­ka­le Be­we­gung re­la­tiv zu einer Stab-Boje durch­führt. „Durch diese Re­la­tiv­be­we­gung wird eine Hubstan­ge an­ge­trie­ben, an der zwei Li­ne­ar-Ge­ne­ra­to­ren mon­tiert sind. Die Ge­ne­ra­to­ren wer­den durch ein Ma­gnet­feld hin­durch­ge­führt und er­zeu­gen – gemäß dem In­duk­ti­ons­prin­zip – elek­tri­sche En­er­gie“, er­klärt Prof. Dr.-Ing. Chris­ti­an Keindorf, der das For­schungs­vor­ha­ben in­iti­iert und ge­lei­tet hat.

Mit dem Bau des Pro­to­typs sind erste wich­ti­ge Schrit­te ge­schafft. Ein­satz­mög­lich­kei­ten für das Wel­len­kraft­werk sieht der Pro­fes­sor für Er­neu­er­ba­re Off­shore En­er­gi­en an­fangs in der elek­tri­schen Ver­sor­gung na­tür­li­cher und künst­li­cher In­seln oder von Off­shore-Aqua-Far­men und Mess­sta­tio­nen. Keindorfs Vi­si­on ist aber weit­aus ehr­gei­zi­ger: Er träumt von hy­bri­den Off­shore-Parks, in denen ein­zel­ne Wel­len­kraft­wer­ke zwi­schen Wind­ener­gie­an­la­gen plat­ziert wer­den. So könn­ten See­ge­bie­te, die oh­ne­hin für die En­er­gie­er­zeu­gung re­ser­viert sind, noch viel ef­fi­zi­en­ter ge­nutzt wer­den. Das ist al­ler­dings noch Zu­kunfts­mu­sik. Zu­nächst müss­te das Wel­len­kraft­werk ein paar Mo­na­te auf hoher See ge­tes­tet wer­den. Mit der Off­shore-For­schungs­platt­form FINO3 rund 80 Ki­lo­me­ter west­lich vor Sylt stün­de auch der pas­sen­de Stand­ort zur Ver­fü­gung ­–zumal die Platt­form von der For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH be­trie­ben wird. „Al­ler­dings su­chen wir noch Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner, um den Trans­port und die In­stal­la­ti­on auf hoher See fi­nan­zie­ren und durch­füh­ren zu kön­nen“, er­klärt Keindorf. „Wir müs­sen die tech­no­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung meis­tern, um auch bei har­schen Um­ge­bungs­be­din­gun­gen Wel­len­en­er­gie ern­ten und in grü­nen Strom um­wan­deln zu kön­nen. Ich würde mich freu­en, wenn wir mit un­se­rer For­schungs­ar­beit einen si­gni­fi­kan­ten Bei­trag für einen wei­te­ren Bau­stein der En­er­gie­wen­de leis­ten.“ 

Tech­ni­sche Daten:

Ge­samt­hö­he des Wel­len­kraft­werks:    ca. 12 m
Ge­samt­ge­wicht:                                   ca. 8,2 Ton­nen
Durch­mes­ser vom Schwimm­kör­per:   2,5 m
Hub­weg des Schwimm­kör­pers:           1,8 m
Li­ne­ar­ge­ne­ra­to­ren:                               2 x 16 kW elek­tri­sche Spit­zen­leis­tung
                                                             (mo­du­lar er­wei­ter­bar auf 128 kW)

Das Mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft, Ver­kehr, Ar­beit, Tech­no­lo­gie und Tou­ris­mus des Lan­des Schles­wig-Hol­stein för­der­te das For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­jekt mit Mit­teln der Eu­ro­päi­schen Union über einen Zeit­raum von drei­ein­halb Jah­ren mit 533.368 Euro. Eine Pres­se­mit­tei­lung mit wei­te­ren In­for­ma­tio­nen zum Pro­jekt fin­den Sie hier: https://​www.​fh-​kiel.​de/​news/​ene​rgie​wend​e-​auf-​dem-​wasser/

Be­deu­tung des Na­mens
Die Na­mens­ge­ber haben den Namen „Au­re­lia WINO“ zum einen aus der wis­sen­schaft­li­chen Be­zeich­nung der Oh­ren­qual­le (Au­re­lia au­ri­ta) ab­ge­lei­tet, weil das Wel­len­kraft­werk op­tisch an eine Qual­le er­in­nert und sich auch ähn­lich im Was­ser be­wegt. Der zwei­te Na­mens­teil lei­tet sich aus dem avi­sier­ten Test­ge­biet ab: Wel­len­kraft­werk in Nord- und Ostsee (WINO).

Ein Video über die Ent­wick­lung und Funk­ti­ons­wei­se des Wel­len­kraft­werks fin­den Sie hier.

 

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