Die Wissenschaftlerinnnen Bischkopf, Phiri, Thege und Pioch aufgenommen anlässlich eines Vortrags am Fachbereich Soziale Arbeit der Fachhochschule Kiel.© J. Rohde
Haben den Auf­ent­halt von Mo­le­bo­heng Phiri (2.v.l.) or­ga­ni­siert: Prof. Dr. Jean­net­te Bisch­kopf (l.), Prof. Dr. Brit­ta Thege und Prof. Dr. Ros­wi­tha Pioch (r.) vom Fach­be­reich So­zia­le Ar­beit und Ge­sund­heit.

En­ga­ge­ment für Ge­rech­tig­keit und De­mo­kra­tie

von Jas­min Rohde

Im Jahr 2023 hat sie ein Aus­lands­se­mes­ter an der Fac­hoch­schu­le Kiel ab­sol­viert – nun war sie wie­der in Kiel für einen Vor­trag zum Thema „Ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Ge­walt in einer mo­der­ni­sier­ten und in­dus­tria­li­sier­ten Welt: Ein­bli­cke in die Kämp­fe und Stra­te­gi­en Süd­afri­kas“ und einen Kurs im Wahl­mo­dul der Mas­ter­stu­di­en­gän­ge Kli­ni­sche So­zi­al­ar­beit sowie Lei­tung und In­no­va­ti­on in So­zia­ler Ar­beit und Kind­heits­päd­ago­gik.

Mo­le­bo­heng Phiri, ge­bür­tig aus Bots­ha­be­lo, einer Ge­mein­de in Süd­afri­ka, hat einen Mas­ter­ab­schluss in So­zia­ler Ar­beit und schreibt ak­tu­ell ihre Dok­tor­ar­beit. Ihre Ar­beit und damit auch ihre For­schung be­schäf­tigt sich so­wohl auf na­tio­na­ler als auch auf in­ter­na­tio­na­ler Ebene ins­be­son­de­re mit den The­men Bil­dung, ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Ge­walt (GBV) und wirt­schaft­li­che Stär­kung und tech­no­lo­gie­ge­stütz­te ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Ge­walt (TFGBV). Wäh­rend ihrer For­schung war sie bei ver­schie­de­nen Or­ga­ni­sa­tio­nen tätig, unter an­de­rem als GBV-Ko­or­di­na­to­rin und Ma­na­ge­rin für wirt­schaft­li­che Stär­kung.

Bevor sie als Do­zen­tin an der Uni­ver­sti­ty of Pre­to­ria be­gann, hat sie be­reits als re­gio­na­le Trai­ne­rin Schu­lun­gen über tech­no­lo­gie­ge­stüt­ze ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Ge­walt ge­hal­ten. Dabei gibt sie mit viel Lei­den­schaft ihr Wis­sen wei­ter, um Ver­än­de­run­gen in die­sem Be­reich zu be­wir­ken.  

Am Rande ihres Vor­trags in Kiel sind wir mit Mo­le­bo­heng Phiri ins Ge­spräch ge­kom­men.

Frau Phiri, was genau ist Ihr For­schungs­ge­biet an der Uni­ver­si­ty of Pre­to­ria, sprich woran for­schen Sie ak­tu­ell?

Wäh­rend mei­nes Mas­ter­stu­di­ums an der Uni­ver­si­ty of Pre­to­ria kon­zen­trier­te ich mich auf das Ford Re­sour­ce and En­ga­ge­ment Cent­re (FREC) und des­sen Bei­trag zur Ar­muts­be­kämp­fung. Ich un­ter­such­te, wie ent­wick­lungs­po­li­ti­sche An­sät­ze die so­zio­öko­no­mi­sche Nach­hal­tig­keit für ge­fähr­de­te Be­völ­ke­rungs­grup­pen för­dern kön­nen. Im Rah­men mei­ner Dok­tor­ar­beit werde ich mich auf die Aus­wir­kun­gen von Ge­walt gegen Kin­der kon­zen­trie­ren, die in un­se­rer zu­neh­mend di­gi­ta­li­sier­ten Welt ein immer grö­ße­res Pro­blem dar­stel­len.

Warum ist das Thema Ihres Vor­tra­ges so wich­tig?

Das Thema TFGBV wird immer dring­li­cher, vor allem da immer mehr Frau­en und Kin­der durch On­line-Be­läs­ti­gung zur Ziel­schei­be wer­den. Diese di­gi­ta­len Be­dro­hun­gen gehen oft in Off­line-Ge­walt über, ver­let­zen Rech­te, un­ter­gra­ben die de­mo­kra­ti­sche Teil­ha­be und brin­gen un­ter­schied­li­che Stim­men zum Schwei­gen.
In un­se­rem di­gi­ta­len Zeit­al­ter ver­stärkt das Ver­säum­nis, gegen TFGBV vor­zu­ge­hen, die struk­tu­rel­len Un­gleich­hei­ten zwi­schen den Ge­schlech­tern so­wohl im pri­va­ten als auch im öf­fent­li­chen Be­reich. Wir müs­sen Tech-Un­ter­neh­men für die Si­cher­heit der Nut­ze­rin­nen und Nut­zer zur Re­chen­schaft zie­hen und Sys­te­me for­dern, die den Men­schen Vor­rang vor dem Pro­fit geben, ins­be­son­de­re den am meis­ten ge­fähr­de­ten Per­so­nen. Beim Um­gang mit TFGBV geht es nicht nur um Si­cher­heit, son­dern auch um Ge­rech­tig­keit, Gleich­be­rech­ti­gung und die Zu­kunft des de­mo­kra­ti­schen En­ga­ge­ments.

Moleboheng Phiri©J. Rohde
Mo­le­bo­heng Phiri wäh­rend ihres Vor­tra­ges.

Was muss sich in die­sem Be­reich än­dern?

Am drin­gends­ten wer­den Ge­set­ze und po­li­ti­sche Maß­nah­men be­nö­tigt, die TFGBV aus­drück­lich an­er­ken­nen und be­han­deln. Über­le­ben­de brau­chen klare recht­li­che Platt­for­men, um Wie­der­gut­ma­chung zu er­lan­gen, und es muss greif­ba­re Kon­se­quen­zen für Täter geben, die di­gi­ta­len Miss­brauch be­ge­hen. Tech-Un­ter­neh­men und zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Tech-Ak­teu­re müs­sen für die Ver­bes­se­rung der Si­cher­heits­funk­tio­nen auf ihren Platt­for­men ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den, um si­cher­zu­stel­len, dass sie die Nut­zer schüt­zen und nicht aus­beu­ten. Wir müs­sen das Nar­ra­tiv än­dern, dass TFGBV ein „Frau­en­the­ma“ ist. Die Ein­bin­dung von Män­nern und Jun­gen als Ver­bün­de­te ist ent­schei­dend, um schäd­li­ches di­gi­ta­les Ver­hal­ten zu ver­än­dern. Die Be­mü­hun­gen um den Auf­bau von Ka­pa­zi­tä­ten soll­ten sich auch auf po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger, Päd­ago­gen und Mit­ar­bei­ter an vor­ders­ter Front er­stre­cken, damit sie bes­ser ge­rüs­tet sind, um ein in­klu­si­ve­res und schüt­zen­des di­gi­ta­les Um­feld für alle zu schaf­fen.

Wie sieht Ihre Zu­kunft aus?

Ich stel­le mir eine Zu­kunft vor, in der ich wei­ter­hin an der Schnitt­stel­le von Gen­der, Tech­no­lo­gie, Po­li­tik und so­zia­ler Ge­rech­tig­keit ar­bei­te, ins­be­son­de­re durch glo­ba­le Part­ner­schaf­ten und Bil­dung. Ich plane, mei­nen Dok­tor­ti­tel in Süd­afri­ka an der Uni­ver­si­ty of Pre­to­ria zu ma­chen und gleich­zei­tig mit in­ter­na­tio­na­len Ak­teu­ren zu­sam­men­zu­ar­bei­ten, um meine For­schung und mein En­ga­ge­ment zu ver­stär­ken. Mein Ziel ist es, dafür zu sor­gen, dass das Thema TFGBV nicht nur in der aka­de­mi­schen Welt, son­dern auch bei ge­mein­de­ba­sier­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen, Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten und Prak­ti­kern an Be­deu­tung ge­winnt. Ich hoffe auch, das Bil­dungs­sys­tem da­hin­ge­hend zu be­ein­flus­sen, dass TFGBV-In­hal­te of­fi­zi­ell in den Lehr­plan auf­ge­nom­men wer­den, um eine neue Ge­ne­ra­ti­on von Fach­kräf­ten zu schaf­fen, die in der Lage sind, auf die­ses Pro­blem mit Em­pa­thie, In­no­va­ti­on und Wi­der­stands­fä­hig­keit zu re­agie­ren. Ich möch­te zur Ent­wick­lung von Stra­te­gi­en und Sys­te­men bei­tra­gen, die mar­gi­na­li­sier­ten Stim­men, ins­be­son­de­re Frau­en und Mäd­chen, Gehör ver­schaf­fen und gleich­zei­tig eine si­che­re­re, in­te­gra­ti­ve­re di­gi­ta­le Welt för­dern.

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