Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (links) überreicht Prof. Yves Reckleben einen Förderbescheid. Copyright: BMEL/Photothek  © L. KUEGELER
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (links) überreicht Prof. Yves Reckleben einen Förderbescheid. Copyright: BMEL/Photothek

FH Kiel erforscht Potenziale der Digitalisierung für die Kartoffelanbau-Wertschöpfungskette

von Frauke Schäfer

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das Projekt DigiZert an der Fachhochschule (FH) Kiel als ZUKUNFTSREGION mit 1,4 Mio. Euro. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir überreichte den Förderbescheid heute (23.01.2023) in Berlin im Rahmen der Internationalen Grünen Woche. DigiZert steht für „Digitales Zertifikatssystem der Kartoffel-Wertschöpfungskette zur Dokumentation landwirtschaftlicher Klima- und Umweltschutzmaßnahmen“. Am Beispiel der Kartoffel wollen Experten des Fachbereichs Agrarwirtschaft aufwendige Dokumentationen des Anbauprozesses digitalisieren. So soll nicht nur mehr Transparenz für Verbraucher*innen entstehen, sondern auch Zertifizierungsverfahren vereinfacht werden. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Düngemittelverordnung, Gewässerschutzrichtlinien und Blühstreifen, Landwirt*innen müssen in ihrer täglichen Arbeit eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen beachten und dokumentieren. Und auch immer mehr Verbraucher*innen möchten gerne wissen, unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel produziert wurden. Für Produzent*innen wird daher eine sorgfältige, lückenlose Dokumentation des Herstellungsprozesses immer wichtiger; Qualitätsmanagement und -sicherung sind mittlerweile Teil des bäuerlichen Arbeitsalltags. Doch bereits bei einem scheinbar simplen landwirtschaftlichen Produkt wie der Kartoffel führt das zu einer wahren Dokumentationsflut, erklärt Prof. Dr. Yves Reckleben von der FH Kiel: „Die Dokumentation fängt bei der Sorte der Pflanzkartoffel an, geht über die Produktion – in der Bodenbearbeitung, Pflanzweite, Düngung, Beregnung und Pflanzenschutz eine Rolle spielen – bis hin zur Ernte, der anschließenden Größensortierung und der Lagerung. Und am Ende muss auch noch das Verpacken in Netze und Beutel überprüft und dokumentiert werden.“

Als dies geschieht aktuell noch analog und füllt viele Ordner und Regalmeter. Genau das möchte Prof. Reckleben gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Holger Schulze von der Fachhochschule Kiel ändern. Im Rahmen des Forschungsprojekts DigiZert wollen sie in den kommenden drei Jahren zunächst digitale Zertifikate für die Dokumentation von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen im Kartoffelanbau entwickeln.

Ein Zertifikat zur Dokumentation vom Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könnte Parameter wie Anwendungsdatum und -gebiet, behandelte Kultur und Fläche oder Name, Menge und Wirkstoff des eingesetzten Mittels enthalten. Selbst eingesetzte Maschinen und Wetterbedingungen ließen sich dokumentieren. Ein entscheidender Vorteil digitaler Zertifikate läge in deren Skalierbarkeit: Verändern sich Nachfrage oder Anforderungen der Kund*innen, wünschen sich diese z. B. mehr Biodiversität und CO²-Neutralität könnten neue digitale Zertifikate entworfen, diskutiert und flexibel implementiert werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein neues Zertifikat für die Förderung von mehr Biodiversität, erklärt Prof. Schulze: „Dieses könnte Parameter zur Dokumentation von angelegten Blühflächen, der Verringerung oder dem völligen Verzicht auf mineralische Düngemittel in definierten Zonen oder bodenschonende Arbeitsweisen durch angepasste Fahrstrategien und Reifendrücke beinhalten.“

Insgesamt wollen die Projektpartner in den kommenden drei Jahren fünf ausgewählte Maßnahmen als konkrete Anwendungsfälle konzipieren. Geplant ist darüber hinaus der Aufbau einer Datenbank für die Speicherung und Verarbeitung von Betriebs-, Maschinen- und Feldinformationen. Dieser digitale Werkzeugkasten könnte den Dokumentationsaufwand für Landwirt*innen künftig erheblich verringern. Mittels Blockchain-Technologie sollen die digitalen Zertifikate und die dahinterliegenden Daten gegen Manipulation abgesichert werden.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt ist in Niedersachsen und Schleswig-Holstein angesiedelt. In den beiden Bundesländern wird rund die Hälfte aller Kartoffeln in der Bundesrepublik angebaut.

 

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