Ein Mann© A. Boye

„Jeder Tag war an­ders und be­son­ders“

von Aenne Boye

Wer das Große Hör­saal­ge­bäu­de auf der Seite der Lui­sen­stra­ße be­tritt, über­sieht schnell die un­schein­ba­re, zu­rück­lie­gen­de Tür auf der rech­ten Seite. Drei Stu­fen füh­ren hinab zu dem Büro von Haus­meis­ter Fried­rich Wil­helm Gie­ßen, von allen nur Fritz ge­nannt. Sein Tür­schild schmü­cken ein weih­nacht­li­cher Schau­kel­pferd-An­hän­ger und ein grü­ner Ohr­ring – bei­des Fund­stü­cke aus den Hör­sä­len. Heute (31. Ja­nu­ar) ist Gie­ßens letz­ter Tag nach 29 Jah­ren Haus­meis­ter­tä­tig­keit an der Fach­hoch­schu­le.

Am 1. Au­gust 1990 be­gann seine Ar­beit auf dem Cam­pus. Vor­her war Gie­ßen als ge­lern­ter Klemp­ner in einem Hei­zung- und Sa­ni­tär­be­trieb in Kiel Gaar­den tätig. „Im Hand­werk habe ich häu­fig 50 bis 60 Stun­den die Woche ge­ar­bei­tet. Ich woll­te ge­re­gel­te­re Ar­beits­zei­ten, und da dach­te ich, dass sei im Öf­fent­li­chen Dienst bes­ser“, er­klärt er. So kam es, dass Gie­ßen die letz­ten 29 Jahre sei­nes Ar­beits­le­bens an der FH ver­brach­te. 1990 sei der ge­sam­te Cam­pus noch „Brach­land“ von dem Un­ter­neh­men Ho­waldts­wer­ke-Deut­sche Werft GmbH (HDW) ge­we­sen, er­in­nert er sich. Gie­ßen fin­det nur po­si­ti­ve Worte für die Ver­än­de­run­gen, die über die Jahre an der FH statt­ge­fun­den haben: „Der Cam­pus ist durch die neuen Ge­bäu­de und die Kunst sehr se­hens­wert ge­wor­den.“ Da­durch, dass die Fach­hoch­schu­le immer grö­ßer wurde, bekam er immer mehr Hilfe. Un­terand­e­rem durch Jens Ne­ben­dahl und Marco Dom­brow­ski sei ihm viel kör­per­li­che Ar­beit ab­ge­nom­men wor­den.

Als Haus­meis­ter hatte Gie­ßen ein viel­sei­ti­ges Auf­ga­ben­feld. Er über­prüf­te jeden Tag alle Un­ter­richts­räu­me in den Ge­bäu­den C02 (Gro­ßes Hör­saal­ge­bäu­de), C04, C08 (Klei­nes Hör­saal­ge­bäu­de) und C22 (Se­mi­nar­ge­bäu­de). „Ich kon­trol­lier­te die Me­di­en­tech­nik, bei­spiels­wei­se die Bea­mer und Mi­kro­fon­tech­nik. Dabei habe ich auch ein Blick auf die Ord­nung und Sau­ber­keit ge­habt“, sagt er. Von cam­pus­wei­ten Klein­re­pa­ra­tu­ren von Hei­zung, Lüf­tung und Sa­ni­tär bis zur Re­pa­ra­tu­ren der Tisch­plat­ten und deren Schar­nie­ren in den Hör­sä­len hat Gie­ßen alles über­nom­men. Jeder Tag sei an­ders und be­son­ders ge­we­sen, er­klärt er. Mal steckt der Auf­zug fest, dann fällt an einer Stel­le etwas aus und wo­an­ders geht etwas ka­putt. „Ob­wohl das nie­mand denkt, sind die Se­mes­ter­fe­ri­en immer be­son­ders an­stren­gend, weil die gan­zen Hand­wer­ker kom­men und die Ko­or­di­na­ti­on viel Ar­beit in An­spruch nimmt“, sagt der 63-Jäh­ri­ge.

Die Ar­beit hat ihm viel Spaß ge­macht. „Ich hatte die Frei­heit, vie­les sel­ber zu ent­schei­den. Ich war bis zu einer ge­wis­sen Ent­schei­dungs­ebe­ne mein ei­ge­ner Chef“, schil­dert er. Was Gie­ßen nicht ver­mis­sen wird, ist jeden Mor­gen um fünf Uhr in der Früh auf­zu­ste­hen, damit er um sechs sei­nen Dienst an­tre­ten kann. Denn um acht Uhr fan­gen die Vor­le­sun­gen an, und bis dahin stel­len Gie­ßen und seine Kol­le­gen si­cher, dass in jedem Se­mi­nar und Hör­saal die Tech­nik funk­tio­niert. Eine Ar­beit, die kaum je­mand mit­be­kommt, die aber sehr wich­tig ist, damit der Lehr­be­trieb rei­bungs­los ab­läuft. „Wenn wir das nicht ma­chen wür­den, hätte der Do­zent, der eine Vor­le­sung vor sagen wir mal 200 Stu­die­ren­den hal­ten möch­te, ein Pro­blem, wenn das Mi­kro­fon nicht funk­tio­niert“, meint Gie­ßen.

Nach 45 Jah­ren Ar­beit darf er nun in Rente gehen. Je­doch bleibt er der Fach­hoch­schu­le noch etwas er­hal­ten – im Mi­ni­job sechs Stun­den die Woche als Ko­or­di­na­tor zwi­schen der Bau- und Lie­gen­schafts­ab­tei­lung und den Preet­zer Werk­stät­ten.

Der 63-Jäh­ri­ge hat viele Pläne für seine Rente: Vor einem Jahr hat er sich die Hün­din­nen Fran­zi und Kira an­ge­schafft, mit denen er sich im Ru­he­stand den gan­zen Tag be­schäf­ti­gen wird, und er ist Klein­gar­ten­be­sit­zer. „Da gibt es immer viel zu tun. Lang­wei­lig wird das nicht“, ist er über­zeugt.

Aenne Boye

© Fach­hoch­schu­le Kiel