Prof. Dr.-Ing. Stephan Görtz steht vor dem Pfeiler einer Autobrücke.© S. Schaack
Prof. Dr.-Ing. Ste­phan Görtz möch­te Brü­cken kli­ma­freund­li­cher ma­chen.

Nach­hal­ti­ger Bauen

von Frau­ke Schä­fer

Das In­sti­tut für Bau­we­sen der Fach­hoch­schu­le Kiel möch­te ge­mein­sam mit der In­ge­nieur­bü­ro Mohn GmbH CO2-op­ti­mier­te Brü­cken­bau­wer­ke ent­wi­ckeln. Hier­durch sol­len al­lei­ne in Schles­wig-Hol­stein jähr­lich etwa 2.000 Ton­nen CO2 ein­ge­spart wer­den. Das Pro­jekt wird durch die EKSH (Ge­sell­schaft für En­er­gie und Kli­ma­schutz Schles­wig-Hol­stein GmbH) mit einer Summe von ca. 150.000 € ge­för­dert. Be­ra­tend un­ter­stützt wird es durch den Lan­des­be­trieb für Stra­ßen­bau und Ver­kehr in Schles­wig-Hol­stein, das Tief­bau­amt der Stadt Kiel, der Schwal­be Bau­ge­sell­schaft aus Preetz und Tho­mas Beton, dem grö­ß­ten Be­ton­lie­fe­ran­ten in Nord­deutsch­land.

Laut einem Be­richt des UN-Um­welt­pro­gramms aus dem Jahr 2020 liegt der Bau- und Ge­bäu­de­sek­tor beim Treib­haus­gas­aus­stoß welt­weit auf Re­kord­ni­veau. Mitt­ler­wei­le pro­du­zie­re er 38 Pro­zent der glo­ba­len CO2-Emis­sio­nen. Den­noch gibt es bis­lang nur we­ni­ge Er­kennt­nis­se und Be­rech­nungs­me­tho­den, um den CO2-Aus­stoß bei der Er­rich­tung, Er­hal­tung und Sa­nie­rung von Bau­wer­ken zu be­zif­fern und zu op­ti­mie­ren. Im Brü­cken- bzw. In­ge­nieur­bau spielt eine Re­du­zie­rung oder Op­ti­mie­rung der CO2-Bi­lanz in der Pla­nung und Bau­aus­füh­rung der­zeit über­haupt keine Rolle, in der Regel er­hält der güns­tigs­te An­bie­ter den Zu­schlag.

„Damit wer­den wir der her­aus­ra­gen­den Rolle der Bau­wirt­schaft bei der Er­rei­chung von Kli­ma­zie­len nicht ge­recht“, be­klagt Pro­fes­sor Dr.-Ing. Ste­phan Görtz vom In­sti­tut für Bau­we­sen der Fach­hoch­schu­le Kiel „Bei der CO2-Re­du­zie­rung ist es ak­tu­ell ein wenig so, als woll­te ich Geld spa­ren, wüss­te aber weder, wie viel Geld ich ver­die­ne, noch was ich auf dem Konto habe und wie viel ich wirk­lich brau­che. Wir be­nö­ti­gen Trans­pa­renz dar­über, wo die Haupt-CO2-Trei­ber sit­zen, wel­che Bau­wei­se wie viel CO2 ‚kos­tet‘ und wie man diese op­ti­miert.“ Der Fach­mann für kon­struk­ti­ven In­ge­nieur­bau be­schäf­tigt sich seit ca. neun Mo­na­ten mit der CO2-Bi­lan­zie­rung von Brü­cken­bau­wer­ken und hat ge­mein­sam mit der In­ge­nieur­bü­ro Mohn GmbH Vor­un­ter­su­chun­gen für deren CO2-Bi­lanz durch­ge­führt. Das Re­sul­tat: Für die Er­stel­lung, den Be­trieb und den spä­te­ren Rück­bau eines Brü­cken­bau­werks in kon­ven­tio­nel­ler Bau­wei­se wer­den ak­tu­ell ca. an­dert­halb bis zwei Ton­nen CO2 pro Qua­drat­me­ter Brü­cken­flä­che ver­braucht; der Gro­ß­teil fällt bei dem Bau an. „Ge­ra­de bei klei­ne­ren Brü­cken mit Län­gen von bis zu 40 Me­tern, die in Schles­wig-Hol­stein häu­fig ge­baut wer­den, sind ein we­sent­li­cher CO2-Trei­ber die mas­si­ven Brü­cken­wi­der­la­ger, die in Stahl­be­ton­bau­wei­se er­rich­tet wer­den“, er­läu­tert Görtz. „Jetzt wol­len wir un­se­re Vor­un­ter­su­chun­gen an einer breit und pra­xis­nah aus­ge­rich­te­ten Pa­ra­me­ter­stu­die in all­ge­mein­gül­ti­ge Aus­sa­gen über­füh­ren und so die Haupt-CO2-Trei­ber iden­ti­fi­zie­ren und op­ti­mie­ren, die­ses be­zieht sich dann auf die Bau­stof­fe und die ge­ne­rel­le Bau­wei­se.“

„Wir sind op­ti­mis­tisch, dass diese För­de­rung dazu bei­tra­gen kann, der Bau­bran­che kon­kre­te Maß­nah­men am Bei­spiel des Brü­cken­baus in Schles­wig-Hol­stein auf­zu­zei­gen, um den CO2-Be­darf und somit die ex­ter­nen Kos­ten für die Ge­sell­schaft dar­zu­stel­len“, er­klärt EKSH-Pro­jekt­lei­ter Dr. Thies Ras­mus Popp, „diese In­for­ma­ti­on könn­te zu­künf­tig eine we­sent­li­che Ent­schei­dungs­grund­la­ge für öf­fent­li­che Bau­wer­ke sein.“ Das För­der­pro­gramm ‚HWT En­er­gie und Kli­ma­schutz‘ der EKSH be­zu­schusst re­gel­mä­ßig die Zu­sam­men­ar­beit von Hoch­schu­len des Lan­des mit Pra­xis­part­nern mit bis zu 150.000 €. Er­geb­nis­se der bis­her ge­för­der­ten Pro­jek­te sind auf www.​eksh.​org ver­öf­fent­licht.

Die Be­ar­bei­tung soll ge­mein­sam mit der Pro­jekt­part­ne­rin er­fol­gen, der In­ge­nieur­bü­ro Mohn GmbH in Mels­dorf. 1960 ge­grün­det hat sie seit­her rund 500 Brü­cken­bau­wer­ke in Schles­wig-Hol­stein und den um­lie­gen­den Bun­des­län­dern ge­plant. Trotz die­ser lang­jäh­ri­gen Er­fah­rung im Brü­cken­bau, er­läu­tert Ge­schäfts­füh­rer An­dre­as Mohn, sei er von den rie­si­gen Men­gen an CO2 über­rascht: „Bei einem Brü­cken­be­stand von ca. 1,5 Mil­lio­nen Qua­drat­me­tern al­lei­ne in Schles­wig-Hol­stein und einem jähr­li­chen Neu­bau­vo­lu­men von ca. 10.000 bis 15.000 Qua­drat­me­tern pro Jahr ver­brau­chen wir durch un­se­re Brü­cken­bau­wer­ke jähr­lich fast 30.000 Ton­nen CO2. Wenn wir mit un­se­ren Un­ter­su­chun­gen für Trans­pa­renz über den CO2-Ver­brauch sor­gen, ist ein ers­ter wich­ti­ger Schritt in Rich­tung einer CO2-Re­du­zie­rung ge­schafft. Wir freu­en uns, hier einen Bei­trag leis­ten zu kön­nen!“

Durch op­ti­mier­te Bau­wei­sen und an­ge­pass­te Bau­stof­fe wol­len die Pro­jekt­part­ner lang­fris­tig den CO2-Be­darf von Brü­cken­bau­wer­ken um 20 bis 25 Pro­zent re­du­zie­ren. Würde dies künf­tig bei etwa einem Drit­tel der Bau­vor­ha­ben be­rück­sich­tigt, könn­ten al­lei­ne in Schles­wig-Hol­stein jähr­lich schon rund 2.000 Ton­nen CO2 ein­ge­spart wer­den. Par­al­lel zur Ana­ly­se von Brü­cken­bau­wer­ken un­ter­sucht Prof. Görtz, in­wie­weit die Er­kennt­nis­se auf Bau­wer­ke des Hoch­baus über­tra­gen wer­den kön­nen.

 

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