Professorin Sabah Badri-Höher steht zwischen zwei Tischen, auf denen die von ihr entwickelten Autonomen UNterwasserfahrzeuge liegen. © K. Kauf­ner

Au­to­no­me Un­ter­was­ser­fahr­zeu­ge mit hy­bri­der Kom­mu­ni­ka­ti­on

von Frau­ke Schä­fer

Eine schles­wig-hol­stei­ni­sche For­schungs­grup­pe hat Pro­to­ty­pen kom­mu­ni­ka­ti­ons- und team­fä­hi­ger Un­ter­was­ser­fahr­zeu­ge ent­wi­ckelt. Die bei­den rund 50 Ki­lo­gramm schwe­ren, au­to­no­men Fahr­zeu­ge (AUV) er­gän­zen sich in ihren Fä­hig­kei­ten und kön­nen ge­trenn­te Auf­ga­ben er­le­di­gen. Das Ver­bund­pro­jekt „MAUS“ (Mo­bi­les Au­to­no­mes Un­ter­was­ser­sys­tem) wurde vom Land Schles­wig-Hol­stein mit knapp zwei Mil­lio­nen Euro im Rah­men des Lan­des­pro­gramms Wirt­schaft mit EFRE-Mit­teln und Lan­des­mit­teln ge­för­dert. Neben der Fach­hoch­schu­le Kiel waren die Uni­ver­si­tät zu Lü­beck, die Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät zu Kiel (CAU) sowie die Fir­men emma tech­no­lo­gies GmbH und SubC­tech GmbH an dem Pro­jekt be­tei­ligt.

Sie spü­ren Müll und Mu­ni­ti­ons­res­te auf, über­wa­chen Un­ter­was­ser­bau­wer­ke und in­spi­zie­ren Ha­fen­an­la­gen: Die Ein­satz­be­rei­che von Au­to­no­men Un­ter­was­ser­fahr­zeu­gen, kurz AUV, sind viel­fäl­tig. Doch her­kömm­li­che AUVs sind groß und teuer in Her­stel­lung und War­tung. Genau an die­sen Han­di­caps hat das Kie­ler For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­jekt MAUS an­ge­setzt. Die bei­den AUVs - Hän­sel und Gre­tel ge­nannt - wie­gen 46 bzw. 50 Ki­lo­gramm und sind rund 1,25 Meter lang, 56 cm breit und 40 cm hoch. „Un­se­re klei­nen AUVs er­öff­nen eine fle­xi­ble­re Ver­wen­dung“, er­klärt Pro­jekt­lei­te­rin Prof. Dr. Ing. Sabah Badri-Höher-. „Sie kön­nen un­kom­pli­zier­ter trans­por­tiert wer­den. Um sie zu Was­ser zu las­sen, ist keine Kran­vor­rich­tung an Bord von For­schungs­schif­fen nötig.“

Hän­sel und Gre­tel er­gän­zen sich per­fekt

In ihren Fä­hig­kei­ten er­gän­zen sich die bei­den AUVs per­fekt: Wäh­rend es sich bei Hän­sel um ein so­ge­nann­tes ‚Hover-Fahr­zeug´ han­delt, das mit Nah­be­reichs­sen­so­ren aus­ge­stat­tet ist, zeich­net sich, Gre­tel durch eine op­ti­mier­te Fahr­fä­hig­keit über lange Stre­cken aus. Im Ein­satz fährt sie schnell vor­aus und er­kun­det mit­hil­fe ihre akus­ti­schen Sen­so­ren die Um­ge­bung. Stößt Gre­tel beim Kar­tie­ren auf eine Ano­ma­lie, mel­det sie deren Po­si­ti­on selbst­tä­tig an Hän­sel und setzt an­schlie­ßend ihre Kar­tie­rung fort. Hän­sel macht sich sei­ner­seits auf den Weg, um vor Ort mit den Nah­be­reichs­sen­so­ren de­tail­lier­te­re Mes­sun­gen vor­zu­neh­men und die Ano­ma­lie zu do­ku­men­tie­ren.  Die Sen­so­rik ist für Was­ser­tie­fen bis 200 m aus­ge­legt.

Kom­mu­ni­ka­ti­on ba­siert auf op­ti­scher und ma­gne­ti­scher Da­ten­über­tra­gung

Um ko­ope­rie­ren zu kön­nen, müs­sen die bei­den AUVs kom­mu­ni­zie­ren. Die akus­ti­sche Un­ter­was­ser­kom­mu­ni­ka­ti­on ist die ein­zig be­kann­te Tech­nik, um ka­bel­los Reich­wei­ten jen­seits von 100 m zu er­rei­chen. Je­doch sind die Band­brei­te und somit die er­reich­ba­re Da­ten­ra­te akus­ti­scher Mo­dems be­grenzt. Ins­be­son­de­re im Flach­was­ser ist die akus­ti­sche Über­tra­gung auf­grund von Mehr­we­ge­aus­brei­tung schwie­rig, er­klärt Prof. Dr.-Ing. Peter Adam Höher von der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät (CAU) zu Kiel: „Des­halb wur­den an der CAU zwei in­no­va­ti­ve Nah­be­reichs­mo­dems auf Basis op­ti­scher und ma­gne­ti­scher Da­ten­über­tra­gung ent­wi­ckelt, im­ple­men­tiert und ge­tes­tet. In Kom­bi­na­ti­on mit einem akus­ti­schen Modem las­sen sich so bis­her un­er­reich­te Mög­lich­kei­ten der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Na­vi­ga­ti­on rea­li­sie­ren“, er­klärt der Ex­per­te für di­gi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik. Das akus­ti­sche Modem stellt einen dau­er­haf­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal mit einer Reich­wei­te von etwa einem Ki­lo­me­ter be­reit, wäh­rend die op­ti­schen und ma­gne­ti­schen Mo­dems eine hoch­ra­ti­ge Nah­be­reichs­kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den Un­ter­was­ser­ro­bo­tern er­mög­li­chen. Dabei haben die For­schen­den auch das Wohl der Mee­res­be­woh­ner be­rück­sich­tigt. Hän­sel und Gre­tel kom­mu­ni­zie­ren in einem für sie nicht wahr­nehm­ba­ren Fre­quenz­be­reich.

Neu ent­wi­ckel­te Soft­ware er­mög­licht in­tui­ti­ve Mis­si­ons­pla­nung und -steue­rung

Ihre je­wei­li­ge Mis­si­on wird an Land bzw. auf einem For­schungs­schiff mit­hil­fe einer Soft­ware ge­plant und kon­trol­liert. Ent­wi­ckelt wurde sie unter Lei­tung von Prof. Dr.-Ing. Erik Ma­eh­le am In­sti­tut für Tech­ni­sche In­for­ma­tik der Uni­ver­si­tät zu Lü­beck. Die Soft­ware ist als Webapp rea­li­siert und kann über einen Brow­ser auf ver­schie­de­nen End­ge­rä­ten wie Note­books oder Smart­pho­nes auf­ge­ru­fen wer­den. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Ro­bo­tern er­folgt an der Ober­flä­che per Funk und unter Was­ser mit Akus­tik­mo­dems. Über eine gra­fi­sche Be­nut­zungs­ober­flä­che kann u. a. auf einer See­kar­te aus­ge­wählt wer­den, wel­che Wege oder Flä­chen ab­ge­fah­ren wer­den sol­len. Für die Flä­chen ent­wi­ckel­te das Lü­be­cker Teil­pro­jekt neu­ar­ti­ge Ver­fah­ren zur au­to­ma­ti­schen und op­ti­mier­ten Pfad­ge­ne­rie­rung, die eine voll­stän­di­ge Ab­de­ckung eines Ge­biets in mög­lichst kur­zer Zeit er­lau­ben. Zur Mis­si­ons­durch­füh­rung lässt sich die zuvor ge­plan­te Mis­si­on star­ten oder stop­pen sowie spei­chern und laden. Ihre ak­tu­el­le Po­si­ti­on zei­gen die Ro­bo­ter auf einer Karte an. Zudem ist die Vi­sua­li­sie­rung von Sen­sor­da­ten wie z. B. La­de­zu­stand der Bat­te­ri­en oder Was­ser­tem­pe­ra­tur und -leit­fä­hig­keit mög­lich. „Damit steht eine kom­for­ta­ble, in­tui­tiv be­dien­ba­re und leicht er­wei­ter­ba­re gra­phi­sche Be­nut­zungs­schnitt­stel­le für die MAUS-Ro­bo­ter zur Ver­fü­gung, die aber auch auf an­de­re Un­ter­was­ser­ro­bo­ter über­trag­bar ist“, er­klärt Ma­eh­le.

Auf­grund der viel­fäl­ti­gen Ein­satz­be­rei­che kön­nen die AUVs so­wohl von For­schen­den, der Pri­vat­wirt­schaft als auch von öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen an­ge­for­dert wer­den. „Ziel des Maus-Pro­jekts waren der Ent­wurf und die Ent­wick­lung von zwei Fahr­zeu­gen, die au­to­nom in Ko­ope­ra­ti­on Auf­ga­ben im Was­ser er­le­di­gen kön­nen. Und das haben wir er­reicht“, er­klärt Pro­jekt­lei­te­rin Badri-Höher. „Jetzt su­chen wir Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner, um Hän­sel und Gre­tel in der Pra­xis zu er­pro­ben und die Ar­beit an ihnen fort­zu­set­zen.“

Ein Video über Hän­sel und Gre­tel kön­nen Sie hier an­se­hen. 

 

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