Eine Gruppe Menschen im litauischen Parlament© L. Klemm
Auf dem Ex­kur­si­ons-Pro­gramm stan­den unter an­de­rem po­li­ti­sche In­sti­tu­tio­nen und Schau­plät­ze li­taui­scher Ge­schich­te.

Vil­ni­us-Ex­kur­si­on zeigt, wie In­for­ma­ti­ons­krie­ge ent­ste­hen

von Laura Klemm

In den Früh­jahrs-IDW boten Prof. Dr. Gin­taras Ale­kno­nis und Prof. Dr. Vir­gi­ni­jus Va­len­ti­na­vi­ci­us unter dem Titel „Con­tem­po­r­a­ry In­for­ma­ti­on War­fa­re and the New Cold War“ eine Ex­kur­si­on nach Li­tau­en an. Laura Klemm, Stu­den­tin und Teil­neh­me­rin, fasst ihre Ein­drü­cke für un­se­ren Cam­pus­blog zu­sam­men: 

Im Wahl­mo­dul „Con­tem­po­r­a­ry In­for­ma­ti­on War­fa­re and the New Cold War”, das Prof. Dr. Va­len­ti­na­vičius be­glei­te­te, bin ich auf die gleich­na­mi­ge IDW-Ex­kur­si­on auf­merk­sam ge­wor­den. Die Ex­kur­si­on nach Vil­ni­us er­mög­lich­te uns Teil­neh­mer*innen Ein­bli­cke in die Ent­ste­hung des alten und neuen Kal­ten Krie­ges.

Menschen an einem großen Konferenzstisch, auf dem Tisch stehen Mikrofone©L. Klemm
Aus­tausch und Dis­kus­sio­nen im li­taui­schen Par­la­ment.

In Vil­ni­us an­ge­kom­men, war ich er­staunt über die Menge an ukrai­ni­schen Flag­gen, die in der Stadt ver­teilt waren: Sie hin­gen an Ge­bäu­den, weh­ten von Bal­kons in Sei­ten­stra­ßen, kleb­ten an vie­len Fens­ter­schei­ben und wur­den sogar von man­chen Men­schen ge­tra­gen. Auch im li­taui­schen Par­la­ment fan­den wir viele ukrai­ni­sche Flag­gen, ins­be­son­de­re an den Plät­zen des Ti­sches, an dem wir den Ab­ge­ord­ne­ten Vi­li­us Semeška und An­dri­us Vyšni­aus­kas ge­gen­über­sa­ßen und mit ihnen dis­ku­tier­ten. Semeška und Vyšni­aus­kas fürch­ten, dass die Ukrai­ne mög­li­cher­wei­se nicht das ein­zi­ge Ziel rus­si­scher An­grif­fe blei­ben könn­te.

Auch im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um haben wir span­nen­de Ge­sprä­che ge­führt. Tomas Tau­gi­nas hielt einen Vor­trag über die Ge­schich­te und Ent­ste­hung von In­for­ma­ti­ons­krie­gen. Er er­läu­ter­te, wie NATO-Ver­bün­de­te und ins­be­son­de­re Li­tau­en in rus­si­schen Me­di­en als Be­dro­hung dar­ge­stellt wer­den. Au­ßer­dem er­klär­te er uns aus­führ­lich, wel­che Rolle die so­zia­len Me­di­en im Zu­sam­men­hang mit der schnel­len Ver­brei­tung von Fake News spie­len kön­nen.

Acht Männer schauen lächelnd in die Kamera, einer von ihnen trägt eine Uniform in Tarnfarben, rechts und links der Gruppe sind litauische Flaggen zu sehen©L. Klemm
Im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um er­läu­ter­te Tomas Tau­gi­nas (Mitte) die Ent­ste­hung von In­for­ma­ti­ons­krie­gen und die Rolle von So­ci­al Media.

Im Ky­no­lo­gie Cen­ter er­hiel­ten wir Ein­bli­cke in den EU-Grenz­schutz. Wir er­fuh­ren unter an­de­rem, wie Spür­hun­de aus­ge­wählt und trai­niert wer­den, um il­le­ga­le Grenz­über­trit­te sowie Ware, die ge­schmug­gelt wird, aus­fin­dig zu ma­chen. Be­son­ders be­ein­dru­ckend war das Ver­trau­en, das die Trai­ner*innen in ihre Hunde haben müs­sen: Wenn Räume oder Ge­bäu­de mit Spür­hun­den durch­sucht wer­den, tra­gen die Trai­ner*innen die volle Ver­ant­wor­tung für die Si­cher­heit aller Be­su­cher*innen im je­wei­li­gen Ge­bäu­de.

An der so­ge­nann­ten „Green Bor­der“ zwi­schen Be­la­rus und Li­tau­en haben wir das Haupt­quar­tier der li­taui­schen Grenz­po­li­zei be­sucht. Dort durf­ten wir die Live-Über­wa­chung der Grenz­zäu­ne sehen. Die Grenz­po­li­zist*innen haben uns au­ßer­dem einen Blick auf Vi­de­os von il­le­ga­len Grenz­über­gän­gen wer­fen las­sen. Nach­dem wir die Gren­ze zu­nächst auf den Bild­schir­men ge­se­hen hat­ten, führ­te Gin­tarė Mik­ne­vičienė uns an­schlie­ßend an der Gren­ze ent­lang. Über die Grenz­zäu­ne hin­weg konn­ten wir nach Be­la­rus sehen. Mik­ne­vičienė gab uns au­ßer­dem Ein­bli­cke in die Ein- und Aus­rei­se-Be­din­gun­gen der EU und zeig­te uns Auf­ent­halts­räu­me von Asyl­be­wer­ber*innen.

Am ein­drucks­volls­ten war für mich – neben dem Blick auf Be­la­rus an der Gren­ze – der Be­such des ukrai­ni­schen Cen­ters an der Vy­tau­tas Ma­gnus Uni­ver­si­tät. Dort haben wir uns mit eh­ren­amt­li­chen Mit­ar­bei­ter*innen, ukrai­ni­schen Ge­flüch­te­ten und dem li­taui­schen Po­li­ti­ker Al­gir­das Kumža ge­trof­fen. Aus ers­ter Hand hör­ten wir von per­sön­li­chen Er­fah­run­gen und Schick­sa­len der Ge­flüch­te­ten. Eine junge Frau aus der Ukrai­ne hatte ihre Hei­mat vor dem Krieg ver­las­sen, um in Vil­ni­us zu stu­die­ren. Kurz nach Be­ginn des Krie­ges zog sie zu­rück in die Ukrai­ne, um ihrer Fa­mi­lie und ihren Freund*innen bei­zu­ste­hen. Nach einem hal­ben Jahr ist sie wie­der nach Vil­ni­us zu­rück­ge­kehrt. Sie sagte, dies sei die schwers­te Ent­schei­dung ge­we­sen, die sie in ihrem Leben ge­trof­fen habe. Nun ar­bei­tet sie im ukrai­ni­schen Cen­ter an der Vy­tau­tas Ma­gnus Uni­ver­si­tät, um an­de­ren ukrai­ni­schen Ge­flüch­te­ten bei­ste­hen zu kön­nen. Die Hilfe, die sie an­de­ren bie­ten kann, und der Zu­sam­men­halt, den sie dort er­fährt, gäben ihr Kraft, um hoff­nungs­voll zu blei­ben.

Nach den per­sön­li­chen Ge­sprä­chen haben ein Kin­der- und ein Frau­en­chor ukrai­ni­sche Lie­der für uns ge­sun­gen. Die Chöre wer­den von eh­ren­amt­li­chen Mit­ar­bei­ter*innen aus Vil­ni­us be­glei­tet. Un­se­re Gast­ge­ber*innen zeig­ten uns schlie­ß­lich Re­pli­ka­te von Ge­mäl­den, die ukrai­ni­sche Kin­der im Alter von elf bis 13 Jah­ren in un­ter­ir­di­schen Bun­kern ge­malt hat­ten.

Im Theme Park of Com­mu­nism in Grūtas tauch­ten wir in die Ge­schich­te der So­wjet­uni­on und des (alten) Kal­ten Krie­ges ein. In die­sem Frei­licht­mu­se­um wur­den u.a. Skulp­tu­ren und Re­lik­te aus der Zeit der so­wje­ti­schen Be­sat­zung von Li­tau­en ge­sam­melt.

Blick über eine Stadt©L. Klemm
Der Auf­stieg lohnt sich: Vom Ge­di­mi­nas-Turm hat man den bes­ten Blick über Vil­ni­us.

Wer ein paar Tage in Vil­ni­us ver­bringt, soll­te un­be­dingt den Ge­di­mi­nas-Turm be­su­chen: ein Frag­ment der Obe­ren Burg in Vil­ni­us und heute ein his­to­ri­sches Mu­se­um. Dort habe ich u.a. zum ers­ten Mal vom Bal­ti­schen Weg er­fah­ren. Die fried­li­che De­mons­tra­ti­on sym­bo­li­sier­te 1989 in Form einer 650 Ki­lo­me­ter lan­gen Men­schen­ket­te den ein­heit­li­chen Wunsch nach Un­ab­hän­gig­keit und Frei­heit ge­gen­über der So­wjet­uni­on. Sie er­streck­te sich mit zirka einer Mil­li­on Men­schen über Est­land, Lett­land und Li­tau­en.

Für mich war die Ex­kur­si­on eine große Be­rei­che­rung. Die Ein­bli­cke hel­fen mir, die Zu­sam­men­hän­ge rund um den Krieg in der be­zie­hungs­wei­se gegen die Ukrai­ne bes­ser zu ver­ste­hen. Diese neu ge­won­ne­ne Per­spek­ti­ve ist zu­gleich ein Auf­trag an mich, mich noch mehr für das Wohl der Ukrai­ne ein­zu­set­zen.

Vie­len Dank an Prof. Dr. Va­len­ti­na­vičius und Prof. Dr. Ale­kno­nis für die Or­ga­ni­sa­ti­on und Be­glei­tung der ein­drucks­vol­len IDW-Ex­kur­si­on!

© Fach­hoch­schu­le Kiel