Ein Moor© P. Marco
Moore kön­nen einen wich­ti­gen Bei­trag zum Kli­ma­schutz leis­ten.

Wie Moore als wirk­sa­mer Kli­ma­schutz-Hebel funk­tio­nie­ren (kön­nen)

von Joa­chim Kläschen

Auf der Suche nach Mög­lich­kei­ten, den Aus­stoß von kli­ma­schäd­li­chen Treib­haus­ga­sen wie Koh­len­stoff­di­oxid (CO2) zu re­du­zie­ren, rü­cken Moore wie­der in den Fokus. Tat­säch­lich sind diese Öko­sys­te­me – wenn sie in­takt sind – Spei­cher für CO2. In den nas­sen oder unter Was­ser ste­hen­den Böden herrscht ein an­ae­ro­bes Klima: Weil das Was­ser den Sauer­stoff ver­drängt, fin­den keine Stoff­wech­sel-Pro­zes­se statt. Das or­ga­ni­sche Ma­te­ri­al, tote In­sek­ten und Tiere sowie ab­ge­stor­be­ne Pflan­zen zer­set­zen sich hier nicht unter Frei­set­zung von CO2, son­dern wer­den ‚ein­ge­la­gert‘. „Zudem leis­ten diese Öko­sys­te­me einen wich­ti­gen Bei­trag zur Bio­di­ver­si­tät“, er­klärt Prof. Dr. Con­rad Wier­mann. Der Bo­den­kund­ler vom Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft der FH Kiel führt aus: „In Hoch- und Nie­der­moo­ren leben zahl­rei­che Tier- und Pflan­zen­ar­ten, die hier ihre Ni­sche ge­fun­den haben und die es an an­de­rer Stel­le in der Natur ein­fach nicht gibt.“

Ge­gen­wär­tig geht es in der Dis­kus­si­on um Treib­haus­ga­se al­ler­dings we­ni­ger um sol­che in­tak­ten Moore, son­dern um ‚ehe­ma­li­ge‘ Moore. Diese Flä­chen wur­den und wer­den seit hun­der­ten Jah­ren ent­wäs­sert, um den ent­hal­te­nen Torf ab­zu­bau­en oder sie land­wirt­schaft­lich nut­zen zu kön­nen. Dabei wer­den je­doch sehr große Men­gen des zuvor ge­bun­de­nen Treib­haus­ga­ses frei­ge­setzt. Die Idee: Durch eine Wie­der­ver­näs­sung sol­len er­neut in­tak­te Moore ent­ste­hen, die lang­fris­tig nicht nur CO2 bin­den, son­dern sogar den An­teil des Treib­haus­ga­ses in der At­mo­sphä­re sen­ken. Doch so ein­fach ist die Rech­nung bei nä­he­rer Be­trach­tung nicht. Zum einen sind die Aus­wir­kun­gen von Ver­näs­sungs­maß­nah­men kom­plex, zum an­de­ren zieht die Wie­der­ver­näs­sung zahl­rei­che so­zio­öko­no­mi­sche Kon­se­quen­zen nach sich, wie Dr. Hol­ger D. Thie­le, Pro­fes­sor für Agrar­öko­no­mie und Sta­tis­tik am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft, zu be­den­ken gibt.

„Land­wirt­schaft und land­wirt­schaft­li­che Flä­chen sind ein we­sent­li­cher Teil kom­ple­xer Wert­schöp­fungs­ket­ten“, er­klärt Thie­le. „Das be­trifft nicht nur die Ar­beits­plät­ze, die un­mit­tel­bar mit einem land­wirt­schaft­li­chen Be­trieb ver­bun­den sind, son­dern zieht wei­te­re Krei­se: Bau­un­ter­neh­men im länd­li­chen Raum, der Land­han­del, die Le­bens­mit­tel ver­ar­bei­ten­de In­dus­trie – zahl­rei­che Un­ter­neh­men sind mit­ein­an­der ver­wo­ben und fußen auf der Land­wirt­schaft.“ Ein Kar­ten­haus. Daher wäre es zu kurz ge­dacht, die Land­wir­tin­nen und Land­wir­te mit tro­cken­ge­leg­ten Moor­flä­chen zu ent­schä­di­gen und diese Flä­chen ‚ein­fach‘ wie­der zu ver­näs­sen. Zumal es in der Dis­kus­si­on kein ‚ein­fach‘ gibt. „Es ist nicht damit getan, eine Ent­wäs­se­rungs­pum­pe ab­zu­stel­len. Es be­darf er­heb­li­chen Auf­wands und da­durch ent­ste­hen­der Kos­ten, eine ent­wäs­ser­te Moor­flä­che zu re­na­tu­rie­ren“, er­klärt Thie­le.

Da Schwarz-Weiß-Den­ken nicht an­ge­bracht ist, lohnt ein Blick in die Grau­zo­ne. „Es ist viel mög­lich, zwi­schen in­tak­ten oder re­na­tu­rier­ten Moo­ren und ehe­ma­li­gen Moor­flä­chen, die heute in­ten­siv land­wirt­schaft­lich ge­nutzt wer­den“, weiß Prof. Dr. Tor­ben Tie­de­mann, der am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft Agrar­öko­no­mie mit dem Schwer­punkt Land­wirt­schaft­li­che Be­triebs­leh­re lehrt. „Land­wir­te, die den Weg der Re­na­tu­rie­rung ihrer tro­cken­ge­leg­ten Moor­flä­chen gehen wol­len, aber an der Vieh­hal­tung fest­hal­ten möch­ten, müs­sen von der Milch­vieh­hal­tung eher auf Rin­der­mast mit leich­ten Ro­bu­stras­sen um­stel­len. Al­ler­dings be­deu­tet das auch eine ex­ten­si­ve Land­wirt­schaft mit we­ni­ger Tie­ren, die sich für die Land­wir­te und Land­wir­tin­nen auch rech­nen muss.“ Auch eine zu Tier­hal­tung al­ter­na­ti­ve Nut­zung ist für Tie­de­mann denk­bar: „Ver­näss­te Flä­chen lie­ßen sich mit Pho­to­vol­ta­ik be­stü­cken oder für Palu­di­kul­tu­ren nut­zen.“ Das sind Pflan­zen, die sich auch auf nas­sen Moor­stand­or­ten unter an­de­rem zur Ge­win­nung von Bio­mas­se, zur Her­stel­lung von Pa­pier und Bau­ma­te­ria­len zur Iso­la­ti­on sowie zur Ge­win­nung von Reet für das Dach­de­cken ein­set­zen las­sen.

Er­schwe­rend kommt hinzu, dass Moor nicht gleich Moor ist, wie Wier­mann er­klärt: „Nie­der­moor-Flä­chen, die sich durch hohes Grund­was­ser ge­bil­det haben, be­sit­zen an­de­re Cha­rak­te­ris­ti­ka als Hoch­moor-Flä­chen, die durch Nie­der­schlag unter Was­ser blei­ben. Zudem muss man für jede Moor­flä­che den Zu­stand des Torf­kör­pers er­mit­teln.“ Erst wenn ein sol­ches ‚Torf-Ka­tas­ter‘ vor­lä­ge, hätte die Po­li­tik eine ge­si­cher­te Grund­la­ge für eine Ent­schei­dung – wel­che An­rei­ze sie Land­wir­tin­nen und Land­wir­ten bie­ten möch­te, Moor­flä­chen zu re­na­tu­rie­ren; ob sie Druck aus­üben möch­te, indem sie Kos­ten für Ent­wäs­se­rung ver­teu­ert – oder An­rei­ze schaf­fen, indem sie Sub­ven­ti­ons­pro­gram­me auf­legt oder einen Zer­ti­fi­ka­te-Han­del für Trieb­haus­ga­se ein­führt.

Be­deut­sam ist für die drei Pro­fes­so­res zudem ein häu­fig über­se­he­ner As­pekt, den Thie­le auf den Punkt bringt: „Wich­tig ist schlie­ß­lich auch der Um­gang mit den Land­wir­tin­nen und Land­wir­ten, damit sich etwas be­wegt. Das Tro­cken­le­gen von Moo­ren, das Er­schaf­fen land­wirt­schaft­li­cher Nutz­flä­che, das über Jahr­hun­der­te als sinn­vol­le und gän­gi­ge Pra­xis aus­ge­übt wurde und woran kom­plet­te Wert­schöp­fungs­ket­ten und die Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung hän­gen, darf nicht vor­schnell durch eine ver­ein­fach­te Be­trach­tung vom Tisch ge­wischt wer­den.“ Al­ler­dings, auch da sind sich Thie­le, Wier­mann und Tie­de­mann einig, dul­det die Aus­ein­an­der­set­zung mit den Moo­ren und ihren Po­ten­zia­len, die einen ge­wich­ti­gen po­si­ti­ven Bei­trag zur Ver­bes­se­rung des Kli­mas leis­ten kön­nen, kei­nen Auf­schub. „Bis ein Moor als CO2-Senke funk­tio­niert, kann es bis zu 50 Jahre dau­ern“, er­klärt Wier­mann das Ge­ne­ra­tio­nen-Pro­jekt Wie­der­ver­näs­sung.

Dass das Thema die Stu­die­ren­den um­treibt, er­fährt der Bo­den­kund­ler in sei­ner täg­li­chen Ar­beit: „Wir spü­ren deut­lich einen In­for­ma­ti­ons­be­darf bei den Stu­die­ren­den. Ge­gen­wär­tig be­treue ich meh­re­re Ba­che­lor-Ar­bei­ten mit Moor-Bezug.“ Dar­auf re­agiert man am Fach­be­reich, indem man die Moore stär­ker in die Lehr­ver­an­stal­tun­gen ein­flie­ßen lässt und die Stu­die­ren­den durch Ex­kur­sio­nen vor Ort mit dem wich­ti­gen Moor-Thema ver­traut macht. „Wir sind eine Hoch­schu­le für an­ge­wand­te Wis­sen­schaf­ten und ins­be­son­de­re bei einem sol­chen Thema, das auch emo­tio­nal hoch-auf­ge­la­den ist, ist es wich­tig, den Stu­die­ren­den nicht nur die Theo­rie bei­zu­brin­gen, son­dern vor Ort und am Ge­gen­stand den ak­tu­el­len Stand der For­schung zu ver­mit­teln. Nur so kön­nen sie das Wis­sen, das sie bei uns er­lan­gen, spä­ter im Beruf und auf ihren Be­trie­ben ein­set­zen, um in­for­mier­te Ent­schei­dun­gen tref­fen“, schlie­ßt Tie­de­mann.

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