Benjamin Mahler (links) und Prof. Dr. Ralf Patz präsentieren ihren IntelliGid-Stecker.© An­dre­as Die­ko­et­ter
Ben­ja­min Mah­ler (links) und Prof. Dr. Ralf Patz wol­len mit ihrem smar­ten In­tel­li­Grid-Ste­cker grü­nen Strom bes­ser nutz­bar ma­chen.

FH Kiel und Uni Ro­s­kil­de haben Sys­tem zur in­tel­li­gen­ten Nut­zung grü­nen Stroms ent­wi­ckelt

von Frau­ke Schä­fer

For­scher*innen der Fach­hoch­schu­le (FH) Kiel und der dä­ni­schen Uni­ver­si­tät Ro­s­kil­de haben in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren eine In­fra­struk­tur auf­ge­baut, um Strom­nut­zungs­da­ten aus Haus­hal­ten zu ver­ar­bei­ten und damit elek­tri­sche Ver­brau­cher ge­zielt zu steu­ern. Ge­för­dert wurde das For­schungs­pro­jekt „In­tel­li­gen­te Steue­rungs­lö­sung des Strom­ver­brauchs in Pri­vat­haus­hal­ten (In­tel­li­Grid)“ mit In­ter­reg-Mit­teln in Höhe von rund einer Mil­lio­nen Euro. Jetzt zogen die Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner*innen in Kiel Bi­lanz.

Der Be­darf an elek­tri­scher En­er­gie schwankt im Ta­ges­ver­lauf er­heb­lich-– ge­nau­so wie deren Er­zeu­gung und Ver­füg­bar­keit im Strom­netz. An son­ni­gen oder stür­mi­schen Tagen pro­du­zie­ren z. B. Solar- und Wind­kraft­an­la­gen oft mehr Strom, als ge­ra­de ge­nutzt wer­den kann. Der meis­te So­lar­strom wird in der Mit­tags­zeit er­zeugt, in die­sem Zeit­fens­ter sind die meis­ten Haus­hal­te selbst auf der Ar­beit und kön­nen die gro­ßen Strom­ver­brau­cher nicht an­schal­ten. Und genau hier setzt das For­schungs­pro­jekt In­tel­li­Grid an. Das deutsch-dä­ni­sche For­schungs­team hat ein in­tel­li­gen­tes Sys­tem be­stehend aus Smart-Ste­cker, App und Cloud-Ser­ver ent­wi­ckelt, das Ge­rä­te in Pri­vat­haus­hal­ten au­to­ma­tisch ein­schal­tet, wenn das Strom­an­ge­bot be­son­ders hoch ist. Die drei Gro­ß­ver­brau­cher Wasch­ma­schi­ne, Ge­schirr­spü­ler und Trock­ner wer­den quasi als schalt­ba­re Last ge­nutzt, um An­ge­bot und Nach­fra­ge im Strom­netz aus­zu­glei­chen. Wie das funk­tio­niert, er­klärt Prof. Dr. Ralf Patz: „Die Nut­ze­rin­nen und Nut­zer be­stim­men, zu wel­chem Gerät der Ste­cker ge­hört. In der da­zu­ge­hö­ri­gen App legen sie fest, wann z. B. die Wä­sche spä­tes­tens fer­tig sein soll. Die App kom­mu­ni­ziert über W-LAN mit un­se­rem Ser­ver. Ist ge­nü­gend Strom aus er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en vor­han­den, star­tet die­ser aus der Ferne die Ma­schi­ne.“

Die nö­ti­gen In­for­ma­tio­nen über die Aus­las­tung des Strom­net­zes er­hal­ten Patz und sein Team über die Strom­bör­se Nord­pool; dort kau­fen die meis­ten deut­schen En­er­gie­ver­sor­ger ihren Strom ein. In den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren haben Patz und seine Kol­leg*innen nicht nur den in­tel­li­gen­ten Ste­cker wei­ter­ent­wi­ckelt, son­dern auch die nö­ti­ge IT-In­fra­struk­tur für ihren Feld­test mit 25 Haus­hal­ten in Dä­ne­mark und Deutsch­land auf­ge­baut. „Wir haben be­wie­sen, dass es funk­tio­niert“, sagt Patz. „Und das Po­ten­zi­al ist groß. Wenn ein En­er­gie­ver­sor­ger quasi per Knopf­druck Tau­sen­de Wasch­ma­schi­nen star­tet, um den Strom aus einem Wind­park zu nut­zen, wenn es or­dent­lich weht, an­statt die An­la­gen zu dros­seln, kön­nen wir suk­zes­si­ve die Er­zeu­gung von Koh­le­strom her­un­ter­schrau­ben. Davon pro­fi­tie­ren alle.“

Um mit­hil­fe in­tel­li­gen­ter Ste­cker Strom aus Er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en künf­tig ganz selbst­ver­ständ­lich zu nut­zen, muss in Deutsch­land aber noch ei­ni­ges pas­sie­ren. Mit dem Kie­ler Sys­tem könn­ten Stadt­wer­ke ihre Pri­vat­kund*innen zwar schon heute ge­zielt mit grü­nem Strom be­lie­fern. Aber einen ech­ten Quan­ten­sprung könn­ten in­tel­li­gen­te Strom­zäh­ler, so­ge­nann­te Smart Meter, er­mög­li­chen. Tat­säch­lich hat die Bun­des­re­gie­rung ein ent­spre­chen­des Ge­setz ver­ab­schie­det; bü­ro­kra­ti­sche Hür­den und der Fach­kräf­te­man­gel ver­hin­dern aber einen zü­gi­gen Aus­bau. Smart Meter er­fas­sen ganz genau, wann wie viel Strom ge­nutzt wird. Bis­lang ver­fü­gen in Deutsch­land nur we­ni­ge Haus­hal­te über einen smar­ten Strom­zäh­ler, des­we­gen gibt es auch nur we­ni­ge smar­te Strom­ta­ri­fe. „Aber das wird sich in we­ni­gen Jah­ren än­dern“, er­klärt Pro­jekt­in­ge­nieur Ben­ja­min Mah­ler: „Die Prei­se für Strom va­ri­ie­ren über den Tag, ge­nau­so wie die Netz­aus­las­tung. Wind­kraft­an­la­gen wer­den ab­ge­schal­tet, weil sie ‚zu viel‘ pro­du­zie­ren. Auf der an­de­ren Seite wer­den Gas- bzw. Koh­le­kraft­wer­ke zur Ab­de­ckung von Spit­zen be­trie­ben. Es wer­den smar­te Ta­ri­fe be­nö­tigt, die den Kund*innen An­rei­ze bie­ten, Strom zu un­ter­schied­li­chen Zei­ten zu nut­zen.“

Ben­ja­min Mah­ler weiß, wovon er spricht. Er lebt in Dä­ne­mark, wo man in Sa­chen in­tel­li­gen­tem Strom­netz schon viel wei­ter ist. Seit Jah­ren wur­den alte Strom­zäh­ler durch Smart Meter er­setzt. Alle dä­ni­schen Strom­kund*innen kön­nen auf eine App zu­grei­fen, in der sie stun­den­ge­nau und einen Tag im Vor­aus den Ki­lo­watt­preis ihres Strom­an­bie­ters ab­ru­fen kön­nen. Mah­ler kann sei­nen In­tel­li­Grid-Ste­cker also heute schon ein­set­zen, um seine Wä­sche zum güns­ti­gen Tarif wa­schen zu kön­nen. Mit einer deut­li­chen Er­spar­nis: Pro Wasch­gang für rund 50 Cent an­statt einem Euro.

Of­fen­bar ist in Dä­ne­mark das Be­wusst­sein für die Not­wen­dig­keit eines in­tel­li­gen­ten Strom­markts grö­ßer als hier­zu­lan­de. 2015 wand­ten sich die dä­ni­schen Un­ter­neh­men Tis­tu­ri­on und GEA-Sat ApS an die For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH mit der Idee, einen in­tel­li­gen­ten Ste­cker zu ent­wi­ckeln. In Prof. Ralf Patz fan­den sie den pas­sen­den Ex­per­ten. Die An­schub­fi­nan­zie­rung für den Pro­to­ty­pen kam aus Dä­ne­mark; die In­ter­reg-Mit­tel in Höhe von fast einer Mil­lio­nen Euro brach­ten das Vor­ha­ben ein gutes Stück voran. Ralf Patz würde gerne am Ball blei­ben, aber dafür braucht der Ex­per­te für In­for­ma­ti­ons­tech­nik von der FH Kiel Geld: „Die För­de­rung von In­ter­reg Deutsch­land-Dan­mark läuft am Ende des Jah­res aus und um in In­tel­li­Grid wei­te­re Ge­rä­te ein­zu­bin­den, be­nö­ti­gen wir wei­te­re För­der­mit­tel. Die nächs­te Stufe wäre ein grö­ße­rer Test mit mehr Haus­hal­ten, z. B. in­ner­halb Kiels. Wir sind zu­ver­sicht­lich, dass wir die­ses in die­ser Zeit so wich­ti­ge Thema wei­ter vor­an­brin­gen kön­nen.“

Hin­ter­grund

Das For­schungs­vor­ha­ben „In­tel­li­gen­te Steue­rungs­lö­sung des Strom­ver­brauchs in Pri­vat­haus­hal­ten (In­tel­li­Grid)“ wird mit über 1 Mil­lio­nen Euro ge­för­dert durch In­ter­reg Deutsch­land-Dan­mark mit Mit­teln des Eu­ro­päi­schen Fonds für re­gio­na­le Ent­wick­lung. Neben der FH Kiel sind die Ro­s­kil­de Uni­ver­si­tät sowie die Un­ter­neh­men GEA-Sat ApS (Oden­se) und At­tract­Soft GmbH (Kiel) an dem deutsch-dä­ni­schen Pro­jekt be­tei­ligt. Lead­part­ner ist die For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH. Das For­schungs­vor­ha­ben ist im Au­gust 2019 ge­star­tet und wird Ende des Jah­res be­en­det.

 

 

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