Doris Weßels steht am Ufer eines Gewässers, dahinter das Schloss in Osaka© D. We­ßels
Ein Ab­ste­cher zum Osaka Cast­le, die wie eine Oase in der Mil­lio­nen­stadt liegt, stand auch auf dem Pro­gramm der Vor­trags­rei­he von Prof. Dr. Doris We­ßels.

KIel trifft KI­mo­no

von Cam­pus­re­dak­ti­on

„Japan hat auf mich aus tou­ris­ti­scher Per­spek­ti­ve wie eine an­de­re kul­tu­rel­le Welt ge­wirkt: mo­dern und tech­ni­kaf­fin auf der einen Seite, aber auch ver­bun­den mit Tra­di­tio­nen auf der an­de­ren Seite“, sagt Prof. Dr. Doris We­ßels mit Blick auf ihre mehr­wö­chi­ge Vor­trags­rei­se zum Thema KI. Ex­trem höf­li­che Men­schen hat sie er­lebt, kei­ner­lei Un­ord­nung, eine be­ein­dru­cken­de Sau­ber­keit –  selbst der Fuß­bo­den in den pünkt­lich fah­ren­den Zügen wirk­te hoch­po­liert –  und ein hoher Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad. Und Japan habe sie täg­lich mit tech­ni­schen Raf­fi­nes­sen über­rascht wie etwa dem Fu­ß­mas­sa­ge-Stie­fel oder der Re­gen­schirm-Trock­nungs­ma­schi­ne in ihrem Hotel. „Be­son­ders be­ein­druckt hat mich al­ler­dings der Zug­schaff­ner im Schnell­zug Shink­an­sen, der sich beim Ver­las­sen des Ab­teils spon­tan um­dreh­te und sich vor den Rei­sen­den ver­neig­te – eine (in­ne­re) Hal­tung dem Kun­den ge­gen­über, die ich mir auch zu­hau­se wün­schen würde er­le­ben zu dür­fen.“

Prof. Dr. Doris Weßels erläutert an einem Whiteboard ihren Vortrag zum Thema KI.©D. We­ßels
Sehr le­ben­dig war der Vor­trag an der Na­go­ya-Chukyo-Uni­ver­si­tät.


Auch aus fach­li­cher Per­spek­ti­ve ist die Pro­fes­so­rin für Wirt­schafts­in­for­ma­tik nach­hal­tig be­ein­druckt. Ein Bei­spiel: Für die Kon­fe­renz an der Chukyo Uni­ver­si­tät in Na­go­ya mit ca. 50 Hoch­schul­leh­ren­den aus Japan, die Deutsch leh­ren, aber an un­ter­schied­li­chen Hoch­schu­len in Japan und vie­len un­ter­schied­li­chen Stu­di­en­gän­gen tätig sind, war die Kie­ler Pro­fes­so­rin mit dem Thema „Das neue Zeit­al­ter der ge­ne­ra­ti­ven KI: Wie ,ge­bil­det‘ muss die Hoch­schu­le der Zu­kunft sein?“ an­ge­kün­digt. „Über die Schil­de­rung der ak­tu­el­len KI-Ent­wick­lung bin ich kaum hin­aus­ge­kom­men“, be­rich­tet We­ßels. „Die Dis­kus­si­on war von Be­ginn an sehr leb­haft, und ich konn­te die vie­len neuen Tools und Fea­tures live vor­stel­len und er­läu­tern. Diese le­ben­di­gen Vor­trä­ge liebe ich sehr, wenn so viel Wiss­be­gier und Dis­kus­si­ons­freu­de mit gro­ßer Per­spek­ti­ven­viel­falt spür­bar sind“, so We­ßels wei­ter.

Wo Soft­Bank und Sa­ka­na AI zu­hau­se sind, habe sie al­ler­dings mehr KI-Ein­satz in der Lehre als in Deutsch­land und eine grö­ße­re KI-Af­fi­ni­tät der ja­pa­ni­schen Hoch­schul­lei­tun­gen ver­mu­tet. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. We­ßels: „Die Her­aus­for­de­run­gen beim Ein­satz von GenAI in der Lehre sind in Japan of­fen­bar sehr ähn­lich wie bei uns. Wie über­all war auch hier die Frage, wie mit Prü­fun­gen und Be­wer­tun­gen um­zu­ge­hen ist, wenn der Ein­satz von GenAI bei Stu­die­ren­den in­zwi­schen zur täg­li­chen Pra­xis ge­hört. Wel­che Prü­fungs­leis­tun­gen ma­chen über­haupt noch Sinn? Be­nö­ti­gen wir wirk­lich über­all Noten? Wie groß ist das Aus­maß des durch KI in­du­zier­ten De­s­kil­ling – und wo tritt es auf mit wel­chen Aus­wir­kun­gen? Wie be­ein­flusst es die Schwer­punkt­set­zun­gen in der Lehre – heute und zu­künf­tig?“

Frauen im Kimono in Japan mit Smartphone in der Hand©D. We­ßels
Mo­dern und tech­ni­kaf­fin auf der einen Seite, ver­bun­den mit Tra­di­tio­nen auf der an­de­ren Seite - so hat Doris We­ßels Japan er­lebt.

Er­schwe­rend hinzu kom­men die recht­li­che Un­si­cher­heit beim Ein­satz der KI-Tools,  be­son­ders der Da­ten­schutz, und die man­geln­de Un­ter­stüt­zung der Hoch­schul­lei­tun­gen aus Sicht der Leh­ren­den. Auf die Frage hin, wie weit man denn mit der Ent­wick­lung oder auch Be­reit­stel­lung eines ei­ge­nen KI-Sprach­mo­dells für die Hoch­schu­len sei, er­hielt We­ßels die Ant­wort: „Daran wird ge­ar­bei­tet“, ge­folgt von einem gro­ßen Ge­läch­ter der Leh­ren­den.

Die Ler­nen­den in Japan nut­zen KI-Tools immer in­ten­si­ver. Als be­son­de­res Pro­blem wurde das „blin­de Ver­trau­en“ der Stu­die­ren­den in die Ant­wor­ten der KI be­wer­tet. Die ja­pa­ni­schen Leh­ren­den ver­mit­tel­ten den Ein­druck, dass das kri­ti­sche Den­ken ihrer Stu­die­ren­den und deren Ma­schi­nengläu­big­keit auch kul­tu­rell be­ein­flusst sein könn­te.

Bei der Frage nach der be­nö­tig­ten Un­ter­stüt­zung für die Leh­ren­den wur­den drin­gend not­wen­di­ge Schu­lun­gen ge­nannt, der Zu­gang zu den KI-Tools und die tech­ni­sche Un­ter­stüt­zung bei deren Ein­satz. Be­män­gelt wurde der feh­len­de Aus­tausch der Leh­ren­den un­ter­ein­an­der. Eine Kon­fe­renz führt genau zu die­ser Ver­net­zung, bil­det aber nur den Auf­takt. „Com­mu­nities of Prac­ti­ce müs­sen dort erst ent­ste­hen“, sagt We­ßels.

An die­ser Stel­le sei Deutsch­land mit einer gro­ßen Fülle an Netz­wer­ken und In­itia­ti­ven für den Wis­sens­aus­tausch und das ge­mein­sa­me Ler­nen deut­lich bes­ser auf­ge­stellt. Aber die­ser Vor­sprung dürfe nicht dazu füh­ren, dass man sich dar­auf aus­ru­he. „Aus mei­ner Sicht wird jeden Tag of­fen­sicht­li­cher, dass sich die di­gi­ta­le Dis­rup­ti­on, aus­ge­löst durch die gro­ßen KI-Sprach­mo­del­le, wie eine Flut­wel­le auf die Or­ga­ni­sa­tio­nen zu­be­wegt und dort zu einer or­ga­ni­sa­tio­na­len Dis­rup­ti­on führt“, so die Pro­fes­so­rin. Bil­dungs­or­ga­ni­sa­tio­nen näh­men diese Aus­wir­kung be­son­ders in­ten­siv wahr und müss­ten sich die­ser Her­aus­for­de­rung mit grö­ß­ter In­ten­si­tät stel­len.

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