Es ist der Forschungskatamaran MS Wavelab zu sehen, am Bug steht eine Gruppe von Menschen und guckt in die Kamera. Lukas Schlott/CAPTN Initiative.arn© L. Schott.
Das Interesse an der Taufe der MS Wavelab war groß.

MS „Wavelab“ steuert auf autonome und nachhaltige Schifffahrt zu

von Ann-Christin Wimber

Der Katamaran MS „Wavelab“, mit dem die Voraussetzungen für die autonome Personenschifffahrt in Kiel geschaffen werden soll, ist heute getauft worden. Das Schiff des Forschungs- und Entwicklungszentrums Fachhochschule Kiel (FuE-Zentrum FH Kiel GmbH) – erbaut im Rahmen des Projekts CAPTN Förde Areal – schwimmt nach über einjähriger Bauzeit nun im Wasser. Die Zeremonie erfolgte auf dem Gelände der Gebrüder Friedrich Werft in Kiel-Friedrichsort; als Taufpatin fungierte Kathrin Lau, Chefredakteurin des Hamburger Fachmagazins Schiff&Hafen. Zu den Gästen gehörten unter anderem Ministerialdirektor Dr. Norbert Salomon (CSU), Leiter der Abteilung Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesverkehrsministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), sowie Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) sowie Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer (SPD).

Für Björn Lehmann-Matthaei, Geschäftsführer der FuE-Zentrum FH Kiel GmbH, beginnt mit dem Stapellauf des 21 Meter langen und acht Meter breiten Forschungsschiffs der entscheidende Schritt in Richtung Zukunft einer neuen Mobilität. „CAPTN Förde Areal legt als Infrastrukturprojekt den Grundstein für die praxisnahe Erforschung der autonomen Schifffahrt in der Kieler Förde. Für Kiel und Schleswig-Holstein mit seiner starken maritimen Industrie, ist es von großer Bedeutung, an neuen technologischen Entwicklungen teilzuhaben. Die Taufe ist ein wichtiger Meilenstein: Bald kann das Schiff seinen Forschungsbetrieb aufnehmen.“

Forschungskonsortium umfasst Kieler Unternehmen und Hochschulen

Die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH ist Bauherrin und spätere Betreiberin der MS „Wavelab“ und steht einem Konsortium aus fünf Projektpartnern vor. Gemeinsam haben diese im Rahmen des Forschungsprojekts CAPTN Förde Areal in den vergangenen zwei Jahren Konzepte für den schwimmenden Versuchsträger, ein digitales Testfeld und die entsprechenden Assistenzsysteme entwickelt und in die Tat umgesetzt. Zu den Partnern zählen: die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Kieler Unternehmen Anschütz GmbH, die Kieler ADDIX GmbH sowie das Wissenschaftszentrum (WiZe) Kiel GmbH. In dem Projekt wird zudem die notwendige Infrastruktur für eine praxisnahe Erprobung des autonomen Schiffsverkehrs entwickelt; durch den Bau des Versuchsträgers und der Ausstattung des digitalen Testfelds wird darüber hinaus eine Basis für weitere Forschungsprojekte geschaffen.

„Ziel der CAPTN Initiative ist die Etablierung einer autonomen und sauberen Mobilitätskette zu Wasser und an Land. Für das Gelingen des Teilvorhabens einer autonomen Fähre sind große Datenmengen erforderlich, die als Grundlage für ein zuverlässiges und effizientes Navigationsverhalten dienen. Wir freuen uns, dass wir mit der Wavelab nun einen Versuchsträger haben, mit dem die Technologien im Feld erprobt werden können“, betont Prof. Dr. Eckhard Quandt, CAU-Vizepräsident für Forschung, Transfer, wissenschaftliche Infrastruktur und Digitalisierung.

„Mit CAPTN Förde Areal haben die Kieler Hochschulen und Partner aus der Industrie gezeigt, welche innovativen und hervorragenden Ergebnisse wir gemeinsam liefern können“, urteilt der Präsident der Kieler Fachhochschule, Dr. Björn Christensen. „Wir hoffen, in nicht allzu ferner Zukunft auf Grundlage dieser Forschung mögliche andere Mobilitätsprojekte umsetzen zu können, damit wir Kiel – nicht nur, aber auch – als Hochschulstandort noch attraktiver machen.“

Die Erforschung der autonomen Schifffahrt ist als Langzeitprojekt angelegt. Zwar existieren bereits heute einige Initiativen, die sich mit dem Thema der selbstfahrenden Personenfähre beschäftigen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind dafür jedoch noch nicht geschaffen. „Diese Forschungsplattform liefert ein wichtiges Element für die Realisierung eines zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehrs. Nur wenn wir schon jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, gelingt eine zeitnahe Mobilitätswende“, sagt Dr. Wiebke Müller-Lupp, wissenschaftliche Geschäftsführerin des WiZe.

Hohes Ansehen und Zukunftsperspektive

Auch für die Landesregierung entwickelt sich die CAPTN Initiative mit ihren mittlerweile vier Projekten, die alle eine saubere, autonome und umfassende öffentliche Mobilitätskette als Ziel haben, Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen zufolge zunehmend zu einem Aushängeschild Schleswig-Holsteins: „Integrierte, umweltschonende Verkehre sind notwendig, um die Verkehrswende voranzutreiben. Da ist CAPTN wegweisend. Wir werden das Projekt weiterhin unterstützen und hoffen auf rasch umsetzbare Ergebnisse.“

CAPTN Förde Areal wird noch bis Juli 2023 aus Förder- und Eigenmitteln der Partner finanziert. Im September 2020 stellte die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH einen Antrag beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen der Förderrichtlinie „Investitionen zur Entwicklung von Digitalen Testfeldern an Bundeswasserstraßen“ (DTW I); im Frühjahr 2021 erhielt das Forschungsprojekt die Fördersumme von rund 6,1 Millionen Euro.

Während des Projektzeitraums wurde neben dem Bau des Versuchsträgers auch ein sogenanntes digitales Testfeld etabliert. Dieses ermöglicht die Kommunikation in Echtzeit zwischen dem Schiff und dem Kontrollzentrum an Land. Die Daten, die die „Wavelab“ sammelt und die zur Entwicklung von Softwaresystemen für die (teil-)autonome Schifffahrt notwendig sind, werden per WLAN direkt übertragen. Zudem wird das autonome Fahren – bis auf Weiteres unter Aufsicht eines Kapitäns – auf der abgesperrten Wasserfläche erprobt. Die Bundesmarine, Dienstelle für maritime Technologien und Forschung WTD 71, stellt dafür den Hafen des Marinearsenals in Kiel-Dietrichsdorf zur Verfügung.

Ebenso wichtig wie die physischen Voraussetzungen für die Erprobung der autonomen Schifffahrt, sind die technischen. So sind der Aufbau eines integrierten Brückensystems an Bord sowie ein digitaler Zwilling des Schiffs im Kontrollzentrum an Land Teil des Projekts.

Nach der Taufe werden auf der MS „Wavelab“ noch letzte Arbeiten ausgeführt. Die Übergabe des Schiffs an die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH erfolgt voraussichtlich im späten Frühjahr. Nach der Erprobung der Spezialtechnik findet der eigentliche Forschungsbetrieb ab Frühsommer statt.

Details zum Schiff:

Länge: 20,9 m

Breite: 8,1 m

Tiefgang: 1,0 – 1,2 m

Antrieb: emissionsfreier Elektroantrieb mit 2x50kW und Ruderpropellern

Die MS „Wavelab“ erfüllt alle behördlichen Auflagen für eine Zulassung als Binnenschiff Zone 2 See. Sie verfügt über einen umlaufenden Sensorrahmen für optimale Positionierung der Sensorik für (teil-)autonomes Fahren sowie über ein klimatisiertes Deckshaus. In den drei Meter hohen Rümpfen befinden sich erweiterbare Serverschränke, an Deck wurde ein Containerstellplatz geschaffen.

Die Partner:

Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH: Die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH ist Konsortialführerin und Auftraggeberin für das Forschungsschiff MS „Wavelab“, das in eineinhalbjähriger Bauzeit auf der Kieler Gebrüder Friedrich Werft fertiggestellt wurde. Nach Fertigstellung des Schiffes fungiert die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH als Betreiber und wird den Einsatz des Schiffes für die unterschiedlichen Forschungsprojekte managen.

Forschende der Fachhochschule Kiel sind ebenfalls am Projekt CAPTN Förde Areal beteiligt. So sammelt unter anderen Prof. Dr. Hauke Schramm bereits seit über einem Jahr Kamera-, LiDar- und Sensordaten an Bord einer Kieler Fördefähre. Damit werden Algorithmen trainiert, die es ermöglichen sollen, dass die MS „Wavelab“ bereits zu Beginn der Erforschungsphase in der Lage ist, andere Verkehrsteilnehmer auf dem Wasser zu erkennen und einzuordnen.

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: Die CAU ist eine der Geldgeber*innen und Partner*innen des Projekts. Zudem sind mehrere Professoren aus den Bereichen zuverlässige Systeme, verteilte Systeme und intelligente Systeme an CAPTN Förde Areal beteiligt. Bei ihren Forschungstätigkeiten geht es um das Erstellen von automatischen Manövern und Kollisionsvermeidungsroutinen.

Anschütz GmbH: Im Rahmen von CAPTN bringt Anschütz seine langjährige Kompetenz in der Navigation, Steuerung und Überwachung von Schiffen ein. Das Kieler Unternehmen entwickelt eine reale Testumgebung für die Fernsteuerung und Überwachung der „Wavelab“. Zusätzlich rüstet Anschütz den Forschungsträger mit kompletter integrierter Navigation, Autopiloten und Bahnregelungssystem aus und liefert umfangreiche Sensorik als Basis für den Betrieb und als Datengrundlage für alle geplanten Forschungsaktivitäten, Datenanalyse und Auswertung.

ADDIX GmbH: ADDIX errichtet die nötige digitale Infrastruktur für CAPTN Förde Areal. Für den sicheren Betrieb einer autonomen Personenfähre müssen insbesondere beim Einlaufen in Häfen und beim Anlegen hohe Datenmengen zwischen Wasser und Land übermittelt werden. Die Infrastruktur für zuverlässige Übertragung, Speicherung und Bereitstellung von Daten ist somit die Grundlage für innovative Anwendungen in den Projekten.

Wissenschaftszentrum Kiel GmbH: Hauptaufgabe des WiZe ist der Wissens- und Technologietransfer. Ziel ist es zum einen, den Versuchsträger als Multiplikator von Forschungsaktivitäten auch für weitere Forschungsvorhaben zu nutzen. Zum anderen sollen die Projektergebnisse in die industrielle Anwendung gelangen.

 

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