Ein Mann© P. Knitt­ler
Prof. Dr. Con­rad Wier­mann lehrt Pflan­zen­er­näh­rung und Bo­den­kun­de am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft der FH Kiel.

Wie der Kli­ma­wan­del die Land­wirt­schaft her­aus­for­dert

von Joa­chim Kläschen

Noch immer ist ein ro­man­ti­siert-idyl­li­sches Bild von Land­wirt­schaft weit­ver­brei­tet. Tat­säch­lich han­delt es sich bei der Land­wirt­schaft aber um ein kom­ple­xes Sys­tem, bei dem zahl­rei­che Fak­to­ren in­ein­an­der­grei­fen. Die Ab­fol­ge der Früch­te, der Ein­satz von Dünge- und Pflan­zen­schutz­mit­teln sowie die In­ten­si­tät der Bo­den­be­ar­bei­tung sind we­sent­li­che As­pek­te, die sich wech­sel­sei­tig be­ein­flus­sen. Be­reits jetzt und ab­seh­bar noch stär­ker stellt der Kli­ma­wan­del die­ses eta­blier­te Sys­tem vor große Her­aus­for­de­run­gen. „Wenn sich die Rah­men­be­din­gun­gen än­dern, muss sich auch das Sys­tem an­pas­sen“, weiß Bo­den­kund­ler Prof. Dr. Con­rad Wier­mann vom Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft der FH Kiel.

Vor allem drei gra­vie­ren­de Um­welt­ver­än­de­run­gen for­dern die Land­wirt­schaft her­aus, er­klärt Wier­mann. „Neben den immer häu­fi­ger auf­tre­ten­den Ex­trem­wet­ter­la­gen – Stark­re­gen wie Dürre – sind das die Er­hö­hung der Tem­pe­ra­tur und die An­rei­che­rung von CO2. An die­sen Än­de­run­gen sind auch die Land­wir­te nicht ganz un­schul­dig“, räumt Wier­mann ein. „Al­ler­dings kön­nen sie die Er­trä­ge auch nicht ohne Um­welt­wir­kun­gen pro­du­zie­ren, denn jeder Ein­griff in ein na­tür­li­ches Sys­tem führt un­wei­ger­lich zu Än­de­run­gen die­ses Sys­tems.“ Damit ver­weist Wier­mann auf das Span­nungs­feld, in dem sich die Land­wirt­schaft be­fin­det: Auf der einen Seite sol­len und wol­len die Land­wir­tin­nen und Land­wir­te auch im ei­ge­nen In­ter­es­se nach­hal­tig wirt­schaf­ten, auf der an­de­ren Seite müs­sen die Er­trä­ge stim­men – Öko­lo­gie und Öko­no­mie sind hier un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­zahnt.

„Wären die drei ein­zel­nen Fak­to­ren nicht Her­aus­for­de­rung genug, ist es ihr ge­mein­sa­mes Auf­tre­ten, das das Sys­tem zu spren­gen droht“, er­klärt Wier­mann. „Zu viel Feuch­tig­keit be­för­dert Fäul­nis und ver­hin­dert, dass Sauer­stoff in den Boden ge­langt. In Dürre-Pe­ri­oden schrän­ken Pflan­zen ihr Wachs­tum ein, was für schlech­te­re Er­trä­ge sorgt. Vor allem für C3-Pflan­zen wie Wei­zen, Raps oder Kar­tof­feln wird es ab 2050 wohl zu wenig Was­ser geben, als dass die ge­gen­wär­tig an­ge­bau­ten Sor­ten die ge­wünsch­ten Er­trä­ge lie­fern kön­nen.“ Der Tem­pe­ra­tur­an­stieg sorgt zudem dafür, dass sich Pro­zes­se im Boden be­schleu­ni­gen, weiß der Bo­den­kund­ler. „Or­ga­ni­sche Sub­stanz wird schnel­ler ab­ge­baut und der Hu­mus­ge­halt im Boden sinkt. Das be­deu­tet einen Ver­lust der Bo­den­frucht­bar­keit und gleich­zei­tig eine zu­sätz­li­che Frei­set­zung von CO2.“

Doch die Land­wirt­schaft ver­schlie­ßt nicht die Augen und hat Lö­sun­gen parat, weiß Wier­mann: „Bei der Bo­den­be­ar­bei­tung muss ein Um­den­ken statt­fin­den. ‚Mög­lichst wenig be­we­gen‘ muss das neue Motto sein. So lässt sich der Was­ser­ver­lust durch Ver­duns­tung be­gren­zen.“ Auch würde ein ‚be­hut­sa­me­rer‘ Um­gang dazu füh­ren, dass Wür­mer den Boden mit ihrem Gang­sys­tem durch­zie­hen und so Was­ser bei Stark­re­gen bes­ser ab­flie­ßen kann. Wur­zeln könn­ten in die­sem Röh­ren­sys­tem wach­sen und so tie­fe­re Bo­den­schich­ten er­rei­chen, in denen zu­sätz­li­che Was­ser- und Nähr­stoff­re­ser­ven ver­füg­bar sind. „Au­ßer­dem müs­sen wir mehr or­ga­ni­sche Sub­stanz in die Böden brin­gen, um die Frucht­bar­keit zu er­hal­ten“, er­gänzt Wier­mann. Das könn­ten wir durch Kom­post oder den Anbau von Zwi­schen­pflan­zen wie Senf­saa­ten oder Phace­lia er­rei­chen.

Beim Pflan­zen­schutz ist für Wier­mann ein Um­den­ken eben­falls un­um­gäng­lich: „Ei­ner­seits sor­gen ge­setz­li­che Vor­ga­ben dafür, dass be­stimm­te Mit­tel nicht mehr oder nur noch ein­ge­schränkt zur Ver­fü­gung ste­hen. Auf der an­de­ren Seite bil­den sich über die Zeit Re­sis­ten­zen her­aus, so dass Mit­tel wir­kungs­los wer­den kön­nen.“ Eine Lö­sung für die­ses Pro­blem kann das Züch­ten neuer, ge­sun­der Pflan­zen­ar­ten sein, die bes­ser auf die Her­aus­for­de­run­gen ein­ge­stellt sind. „Wir brau­chen re­si­li­en­te Arten, die we­ni­ger an­fäl­lig sind und mit we­ni­ger Was­ser aus­kom­men“, for­dert Wier­mann. Al­ler­dings dau­ert die Zucht meis­tens viele Jahre bis Jahr­zehn­te und ob die re­si­li­en­te Kar­tof­fel 2.0 auch die glei­chen Er­trä­ge lie­fern kann – wie ihre ab­seh­bar über­for­der­te Vor­gän­ge­rin – muss sich zei­gen.

Es gibt also Lö­sun­gen, auch wenn nicht alle schon greif­bar sind. „Es nützt al­ler­dings nichts, nur an einer Schrau­be zu dre­hen, denn in der Land­wirt­schaft wirkt sich alles auf­ein­an­der aus“, weiß Wier­mann und weist auf die kom­ple­xen Zu­sam­men­hän­ge der Land­wirt­schaft er­neut hin. „Die große Her­aus­for­de­rung liegt darin, die Lö­sun­gen mit dem ak­tu­el­len Sys­tem in Ein­klang zu brin­gen. Und schlie­ß­lich müs­sen dann auch noch die Er­trä­ge stim­men.“ Dabei meint er so­wohl die Ern­te­men­gen, als auch den Lohn der Land­wir­tin­nen und Land­wir­te, die sich mit ihrer Ar­beit ein Aus­kom­men er­wirt­schaf­ten müs­sen. „Es muss in der Land­wirt­schaft ein Um­den­ken geben. Wir müs­sen di­ver­se­re Sys­te­me ent­wi­ckeln, denn je di­ver­ser ein Sys­tem ist, desto höher ist seine Re­si­li­enz“, for­dert der Bo­den­kund­ler, damit die Land­wirt­schaft auch in Zu­kunft gut für alle wirt­schaf­ten kann.

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